Haft-Antrittstermin für Projektwerkstättler

k. antirepression 10.05.2006 17:42 Themen: Repression
Per förmlicher Zustellung erreichte ein Haftantritts-Schreiben der Staatsanwaltschaft Giessen am 10. Mai 2006 die Projektwerkstatt. Darin wird der vor dem Landgericht Giessen im Mai 2005 zu 8 Monaten ohne Bewährung verurteilte Projektwerkstättler aufgefordert, am 18. Mai 2006 seine Haft in der JVA Giessen anzutreten – sprich: Donnerstag in einer Woche. Der "große" politische Prozess gegen zwei Polit-Aktivisten findet damit ein Ende, dass zahlreiche Stadtobere freuen dürfte. Allerdings ist davon wenig zu spüren: Zumindest die Sicherheitsbehörden in Giessen zeigen sich nervös und befürchten offenbar Reaktionen. Jedenfalls besuchten sie in Form zweier Polizisten (u.a. der für die Projektwerkstatt "zuständige" Staatsschützer Broers) die Projektwerkstatt, um – nach eigenen Angeben – mit dem Verurteilten zu reden ...
Hintergrund

Der Haftantritts-Termin ist der vorläufige Endpunkt einer umfangreichen Auseinandersetzung vor und außerhalb von Gerichten; verurteilt wurden Veränderungen an Wahlplakaten (Sachbeschädigung), eine Aktion gegen den Bombendrohungen erfindenden Bürgermeister Haumann (CDU) im Stadtparlament (Hausfriedensbruch), eine "Gießkannen"-Aktion (Beleidigung) sowie Widerstand in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung beim Angriff auf eine Spontan-Demonstration bzw. –Versammlung. Als Basis dienten in beiden Hauptverhandlungen sich widersprechende bis völlig absurde Aussagen von PolizistInnen. Hintergrund der Kriminalisierung sind zahlreiche, nie aufgeklärte Aktionen – denn in den Jahren 2001 bis 2003 wurde Giessen von einer bunten Mischung direkter und subversiver Protestformen überzogen. Inhaltliche Schwerpunkte bildeten der Widerstand gegen autoritäre Stadtpolitik (sog. "Gefahrenabwehrverordnung",  http://www.abwehr-der-ordnung.de.vu), Wahlen, Rassismus sowie immer stärker auch Repression selbst ( http://www.weggesperrt.de.vu).


Chronologie des Verfahrens mit ausgewählten Punkten ...

15.12.2003:
Verurteilung zweier Projektwerkstättler vor dem Amtsgericht Giessen zu 9 Monaten ohne Bewährung bzw. 1000 EUR Geldstrafe; die Verurteilten legen umgehend Berufung ein (Seiten zur ersten Instanz:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/haupt_1instanz.html - Das Urteil:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/urteil1.html)

23.-25.06.2004:
Der erste Versuch der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Giessen platzt wegen befangener Schöffen und Rechtsfehler seitens des Gerichts ( http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/haupt_2instanz1.html)

10.03.2005:
Auftakt des zweiten Versuchs der zwölftägigen Berufungsverhandlung vor dem LG Giessen (Seite zur Berufungsverhandlung:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/haupt_2instanz2.html)

03.05.2005:
Das Landgericht Giessen verurteilt die beiden Projektwerkstättler zu 8 Monaten ohne Bewährung bzw. 500 EUR Geldstrafe (Das Urteil:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/urteil2.html)

März 2006:
OLG Frankfurt verwirft Revision; die beiden Projektwerkstättler sind damit rechtskräftig verurteilt ( http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/revision/olg_ablehnung.htm)

Anfang April 2006:
Gegenvorstellung und Befangenheitsantrag des Verurteilten P.N. zum OLG-Beschluss ( http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/revision/gev_pn.html,  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/revision/bef_pn.html)

April 2006:
Verfassungsklage des zu 8 Monaten Verurteilten gegen das Urteil bzw. den Beschluss des OLG Frankfurts ( http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/revision/verfklage_jb.html)

1. Maiwoche 2006:
Nächtliche Aktionen gegen Volker Bouffiers (hessischer Innenminister, CDU) Kanzlei an der Nordanlage mit Graffitti, Farbe und entglasten bzw. beschädigten Fenstern ( http://germany.indymedia.org/2006/05/146051.shtml)

1. Maiwoche:
Startschuss für Feldbefreiungs-Versuch und Anti-Gentechnik-Aktivitäten in Giessen ( http://germany.indymedia.org/2006/05/146381.shtml)


Wie ist die 'plötzliche' Ladung zu erklären? Ereignisse der letzten Tage

Interessant ist, dass es – entgegen Einschätzungen von RechtsanwältInnen – doch vergleichsweise schnell ging, dass der Haftantritts-Termin eintrudelte (der Beschluss des OLG Frankfurt datiert auf den 29.03.2006). Es besteht der dringende Verdacht, dass möglicherweise der als Intimfeind der Projektwerkstatt bekannte Volker Bouffier (hessischer Innenminister,  http://www.im-namen-des-volkers.de.vu), stets mit gutem Draht zu Staatsanwaltschaften und Gerichten, bei den zuständigen Behörden "nachgeholfen" oder einfach nur nachgefragt hat (das dürfte in der obrigkeitshörigen Republik ausreichen ...).

Neben der lange gepflegten Feindschaft zur Projektwerkstatt, aus der u.a. heraus immer wieder offensive Kritik an den autoritären Gesellschaftsbildern von Bouffier & Co. vermittelt wurde, könnte es auch aktuelle Anlässe gegeben haben, um Druck in puncto Hafttermin zu machen: In den letzten Tagen gab es offenbar mehrere Angriffe (siehe:  http://germany.indymedia.org/2006/05/146051.shtml) auf die Kanzlei von Bouffier und Gasser (thüringischer Innenminister, CDU). Unmittelbar nach der ersten, bekannt gewordenen Aktion schickte Bouffier am 5. Mai 2006 vier LKA-MitarbeiterInnen in die Projektwerkstatt. Insofern ist der Zeitpunkt der Ladung der Staatsanwaltschaft Giessen - so KennerInnen der mittelhessischen Szene - sicher kein Zufall ...


Staatsschutz Giessen besucht Projektwerkstatt

Wenige Stunden nachdem das Schreiben der Staatsanwaltschaft angekommen ist, klopfen zwei Mitarbeiter der Polizei Giessen an der Tür der Projektwerkstatt, darunter POK Broers (Staatsschutz, war oder ist „zuständig“ für das Prowe-Umfeld). Sie wollten sich mit dem Verurteilten unterhalten wegen seinem Haftantritt. Den fanden sie allerdings nicht (wobei: richtig gesucht haben die Herren auch nicht). Auf Nachfrage sagte einer der Beamten, dass sie befürchteten, dass "Herr B. wieder anfängt zu schmieren". Sie hätten ein Auge auf die entsprechenden Ziele und es sei für ihn bestimmt nicht gut, erwischt zu werden und dann noch länger in Haft gesperrt zu werden. Sie kündigten ein nochmaliges Erscheinen an und gingen dann wieder. Tja ... richtig entspannt wirkten die Beamten nicht, die große Schadensfreude, die Guido Tamme (Redakteur der Giessener Allgemeine) angesichts der rechtskräftigen Verurteilung in Justiz- und Polizei-Kreisen vor kurzem vermutet hatte, scheint noch nicht ausgebrochen zu sein.
Was natürlich für gute Laune sorgen kann und ein zusätzlicher Ansporn zu widerständigen Antworten auf die Giessener Justiz-Possen sein sollte ...


Kein Knast steht ewig. Weitere Parolen gedanklich einfügen ...



Termine

12.-14. Mai 2006 in Saasen:
Organisierungsansatz-Treffen "Antirepression - offensiv und phantasievoll" ( http://www.deu.anarchopedia.org/index.php/APO-Calypse:Antirepression). Hinweis: nnerhalb dieses Treffens wird es auch ein Offenes Treffen zum Umgang mit dem Haftantritt geben inklusive Austausch über Handlungsmöglichkeiten, Aktionsplanung, Soli-Arbeit in den Knast

18. Mai 2006 in Giessen (genauer Ort noch unklar):
12Uhr: Öffentliche Pressekonferenz zum Hafttermin, den Gründen der Verurteilung sowie den politischen Rahmenbedingungen - wer hat welches ein Interesse am Wegsperren politischer Aktivisten?
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Ergänzungen

einladung zu pressetermin

lalalala 11.05.2006 - 12:50
Pressekonferenz zu Gründen der Kriminalisierung und den damit verbundenen Interessen ...

- 18. Mai 2006 um 12 Uhr im Umsonstladen Giessen, Marburger Str. 23

noch mal staatsschutz-besuch

mann ist nervös 11.05.2006 - 22:00
beim staatsschutz ist mann nervös; im wahrsten sinne des wortes: heute waren die zwei staatsschützer aus giessen noch mal da, um mit B. sprechen zu wollen - der eine hat sogar seine karte zurück gelassen - der gute herr mann, obermotz des staatsschutz-ladens war's.

@denunzianten namens egal

jb 13.05.2006 - 20:38
Auch wenn jedeR als "jb" hier zeichnen kann und viele das ja auch tun, die mich und/oder die prowe nicht mögen, will ich mal hinzufügen, dass ich (jb) zum Zeitpunkt des Eintreffens des Haftantrittsschreibens überhaupt nicht in der Gegend war und mit diesem Indy-Text nichts zu tun habe. Die AutorInnen des Textes haben mich auch gar nicht namentlich erwähnt, sondern das haben genau die Kreise, die jetzt (mit ihrer eigenen Denunziantentätigkeit) scheinbar "nachweisen", hier sei Personenkult imgange. Auch die Verweise auf irgendwelche (ja offensichtlich von jb-Gegnern eingerichteten) Kochrezepte-Seiten usw. stammen von denen, die dann nachher behaupten, damit würde platte Werbung gemacht.
Also: Bulle, Elite-Linker mit Angst vor Kritik oder was auch immer Du bist: Das ist reichlich platt. Auch der Hinweis mit der Roten Hilfe (der möglicherweise eher andeutet, wo Du anzusiedeln bist): Die RH hat bislang keinerlei Ratschläge erteilt, an die ich mich nicht hätte halten können. Die Bundes-Bosse dieser Organisation haben eine totale Zensur über die Gießener Vorgänge verhängt und mit der örtlichen RH gibt es einen korrekten Austausch. Alles andere ist eben Denunziation. Aber das solls wohl auch sein. Viel Spass dabei weiterhin. Wer Kritiken an meinem oder dem Handeln anderer vorbringen will: Immer zu! Es lebe der Streit. Aber offen.

Interessantes Detail ... die Panik der StA

prowe 14.05.2006 - 00:23
Das Bild beweist die Panik der Staatsanwaltschaft - und legt nahe, dass da Druck ausgeübt wird. Die Ladung ist am 10.5. geschrieben und sofort von einem Bediensteten als Kurier zur Projektwerkstatt geschafft worden (als Uhrzeit ist 9.18 Uhr des Tages, wo die Ladung auch geschrieben wurde, vermerkt). Offenbar haben sie es seeeehr eilig. Dabei sind dann auch peinliche Fehler in die Ladung eingebaut worden - aber dagegen könnte mensch nur Beschwerde einlegen vor Gießener Gerichten, und dass kann mensch in der Stadt Bouffierschen Rechts wohl auch seinlassen.
Zu vermuten ist, dass Innenminister Bouffier ( http://www.im-namen-des-volkers.de.vu) diesen Druck ausübt. Er will seinen lautesten Kritiker in Gießen halt loswerden ...

bullenwahn in GI: jörg schon im der JVA

dddd 15.05.2006 - 00:48
hallo leute,

hab heute abend vom amtsgericht die info bekommen, dass jörg in
unterbindungshaft in die JVA giessen verfrachtet wurde.

Text zu den ganzen, absurden Vorgängen:
 http://www.de.indymedia.org/2006/05/146808.shtml

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Von denen können wir noch viel lernen

Schrankenwärter RZ 11.05.2006 - 00:04
Von den Leuten der Projektwerkstatt können wir noch viel lernen.Alles Gute an die Leute, die (hoffentlich nicht) in den Knast gehen.Knäste abschaffen!

das ist ja interessant

Kritikling 14.05.2006 - 11:51
J.B. darf hier alles und jeden kritisieren, Kritik an ihm wird aber gelöscht. Schon komisch, dass ausgerechnet Du, J.B, selbstbeweihräucherung bezweifelst. Ist nicht nach jeder noch so kleinen Aktion ein Bericht bei Indy? Warst Du es nicht selbst, der sich bei Wikipedia eintrug? Seit wann bist Du ein berühmter Koch? Also mal ehrlich: Das mit dem Wirbel um Dich kannst Du´nicht wirklich so einfach abtun. Inhaltlich würde ich schon sagen, dass Du in einem Bereich, der dafür nach meinem dafürhalten zu klein ist, auf eine Strategie vor Gericht gesetzt haben musst, die sich eher für Verfahren mit mehr Aufmerksamkeit eignet. Du bist kein Fritz Teufel oder Kunzelmann.

also, diese geschichte

mit den 14.05.2006 - 14:33
kochrezepten ist doch nun wirklich ein alter hut und wen interessiert dieser scheiss bloß, dass man den seit nunmehr viel zu langer zeit immer wieder hier lesen muss. wenn es b nicht selbst ist, der diese lächerlichen rezepte ins netz stellt, dann zeichnet sich eben jemand anderes dafür verantwortlich, der mit "lustigen, kreativen methoden" ablenken und verunglimpfen will, darauf abzielend, das ohnehin vielleicht schon (zu recht oder auch nicht? das sei jetzt mal hintan gestellt) "eulenspiegelhafte image" des b zu überzeichnen. solcherlei methoden sind wirksam, so etwas weiss man doch, sie werden von allen seiten benutzt. es zeugt natürlich davon, dass sich im laufe der zeit um die pw herum eine auseinandersetzung entwickelt hat, die mit härterer gangart ausgetragen wird. es ist demzufolge auch sicherlich nur wenig verwunderlich, dass die feinen herrschaften ihr perfides, syndikalistisches netzwerk nutzen und zu repression greifen. da soll jetzt aber auch niemand gleich wieder denken, hier sei die große verschwörung im gange. anzumerken bleibt, dass staates hebel an genau dieser stelle wesentlich länger ist. im "politischen schwanzvergleich" (um es mal ganz un-pc und sexistisch zu beschreiben, sorry dafür gleich mit dabei...wenns denn überhaupt reicht...) zieht der b gegen den hessischen innenminister b irgendwie eindeutig den kürzeren. der schert sich nämlich einen teufel darum, ob polizisten falschaussagen tätigen, um eine "persona non grata" wirksam zu entfernen. der hat eben kein "mobiles soundsystem" auf seinem fahrradanhänger, oder klampft dann und wann auf einer leicht verstimmten gitarre in irgendeiner fußgängerzone rum, dabei selbstverfasste politlyrik vom zettel abzusingen, so dass deren botschaft aus kurzer entfernung schon kaum noch vernehmbar ist. der kann sich getrost seine sonnenbrille auf seine schrumpelige, rotweingebrämte nase setzen, einen milchkaffee schlürfen und nebenbei mit zwei, drei worten eine spontandemo auflösen, wasserwerfer hier und dorthin spritzen, oder jemanden "in gewahrsam" nehmen lassen, wenn´s ihn denn zu arg pressiert. so, und wie war das jetzt also nochmal mit dem größenwahn einzelner personen?