Rümmingen (BaWü): "Die Mörder sind unter uns!"

Autonome AntifaschistInnen 06.05.2006 23:02 Themen: Antifa
Der in Italien wegens Mordes zu lebenslanger Haft verurteilte SS-Mann Georg Rauch wohnt im Rebackerweg 11 in Rümmingen bei Lörrach etwa 50 km südlich von Freiburg an der Grenze zur Schweiz. Am 6. Mai 2006 fuhren zwei Dutzend AntifaschistInnen in das Dorf und verteilten mehrere hundert Flugblätter. Mit Transparenten, Fahnen, Megaphon und Sirene wurde auf die unerträgliche Situation aufmerksam gemacht, dass Georg Rauch für seine Verbrechen in Deutschland noch immer nicht zur Rechenschaft gezogen wird.
Die Reaktionen der DorfbewohnerInnen waren sehr unterschiedlich. Sie reichten von Zustimmung und Unterstützung bis hin zu offener Feindseligkeit. Da gab es den alten Herren mit Hut, der vehement behauptete, ihm sei das alles egal, aber wir sollten gefälligst den Konfirmationskranz am Dorfbrunnen liegen lassen - als ob wir den hätten klauen wollen. Oder die ältere Frau in einer Nebenstraße, die schockiert auf unsere Informationen über "den Georg" reagierte. Wir mussten uns üble Beleidigungen eines Nachbarn auf alemannisch anhören und führten eine lange und hitzige Diskussion mit dem Dorfpfarrer.

In den Diskussionen verwiesen wir regelmäßig auf den Artikel auf Seite drei in der heutigen Ausgabe der Badischen Zeitung (siehe unten). Viele meinten erst, man müsse die Vergangenheit auch mal ruhen lassen, das sei doch alles schon so lange her. Auf unseren Einwand, dass die Vergangenheit für die Angehörigen der Opfer immer noch sehr lebendig sei, wurde oft mit Nachdenklichkeit und Zustimmung reagiert. Die Aktion war notwendig und sinnvoll, denn viele Menschen wussten nichts über die Verbrechen Georg Rauchs. Und eines ist sicher: Seine Taten sind nun Dorfgespräch. Und für ihn wird es ungemütlicher.

Ora e sempre resistenza!

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Badische Zeitung vom Samstag, 6. Mai 2006

Ein Massaker und eine Mauer das Schweigens

Am 12. August 1944 wurden 560 Bewohner von Sant' Anna ermordet - die Verantwortlichen wurden in Italien verurteilt, leben aber unbehelligt in Deutschland

Von unserem Redakteur Franz Schmider

Alfred Mathias Concina hatte die feste Absicht, zu dem Prozess gegen ihn nach La Spezia zu fahren, er hätte sich gerne bei den Bürgern von Sant' Anna di Stazzema entschuldigt. Sein Anwalt riet ihm von der Reise ab. Alfred Mathias Concina ist 86 Jahre alt, um die Gesundheit des früheren Bergmanns steht es nicht zum Besten und wer weiß, ob man ihn einfach wieder hätte ausreisen lassen. Also blieb Concina in seinem Altersheim im sächsischen Freiberg und verfolgte das Verfahren gegen sich aus der Ferne.

Das mit der Entschuldigung war ihm jedoch so wichtig, dass er ein Fernsehteam empfing und ein ausführliches Interview gab. Als einziger der zehn Angeklagten. Darin sagte der ehemalige Angehörige der 16. SS-Panzergrenadierdivision "Reichsführer SS" Sätze wie: "Es war eine relativ kurze Mission, sie dauerte drei bis vier Stunden." Oder: "Die alten Leute wurden auf den Kirchplatz rausgetrieben und dann ist uns ein Licht aufgegangen, was da los war." Und: "Die Menschen wurden vor der Kirche zusammengetrieben. Dann kam der Schießbefehl und die Leute wurden zusammengeschossen." Concina wiederholt in dem Interview öffentlich, was er auch bei einer Vernehmung durch das Gericht von La Spezia in Freiberg gesagt hat. Concina war somit nicht mehr nur Angeklagter, er ist seither auch ein Zeuge. Und zwar einer, der redet.

Concina beschreibt mit den kurzen, nüchtern klingenden Sätzen, was sich am 12. August 1944 in dem Toskanastädtchen Sant' Anna di Stazzema unweit von Lucca ereignet hat, dem "Tag der Scham", wie der frühere Bundesinnenminister Otto Schily das Datum nannte, als er vor zwei Jahren Sant' Anna besuchte. 560 Menschen wurden in der so genannten "kurzen Mission" getötet, darunter 116 Kinder. Es war eines der größten und grausamsten Massaker, das deutsche Truppen im Zweiten Weltkrieg verübt haben.

Die Aktion diente der so genannten "Bandenbekämpfung", es soll eine Antwort auf einen Partisanenangriff gewesen sein. SS-Truppen auf dem Rückzug hatten das Dorf im Morgengrauen überfallen. Die Einwohner von Sant' Anna mussten ihre Häuser verlassen und sich auf dem Platz vor der Kirche versammeln. Soldaten warfen Handgranaten in die Häuser, niemand sollte sich darin verstecken können und überleben. Die Menschen auf dem Platz wurden erschossen, die Leichen mit Benzin übergossen und angezündet. Einige der Opfer seien "bei lebendigem Leib verbrannt" worden, ergaben die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Überlebt haben nur jene, die zu diesem Zeitpunkt nicht im Ort waren. Im Juni vergangenen Jahres wurden zehn Angehörige der 400 Mann starken Einheit im Alter zwischen 79 und 93 Jahren in La Spezia zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt.

R. ist einer der Verurteilten. Der 85-Jährige lebt in einem Dorf unweit von Lörrach. Unbehelligt von der Justiz, denn Deutschland liefert keine deutschen Staatsbürger an das Ausland aus. Der Richterspruch von La Spezia sei ein "Fehlurteil", denn er sei an besagtem Tag nicht in Sant' Anna gewesen, sagt er am Telefon. Mehr wolle er dazu nicht sagen. Stattdessen will er der Badischen Zeitung "verbieten", über den Fall zu schreiben. Seine Sicht der Dinge kann deshalb hier nur anhand des Urteils von La Spezia dargelegt werden.

In seinen Vernehmungen hatte R. angegeben, er sei im Juni 1944 verwundet worden und habe bis Ende August im Lazarett gelegen. Das Gericht fand dafür aber keine Belege. Unterlagen aus deutschen Militärarchiven bescheinigen ihm eine kleinere Verwundung im Oktober 1944, nicht aber eine schwere im Juni desselben Jahres. Auch in der sehr positiven Bewertung durch seinen Vorgesetzten vom Oktober 1944 steht nichts von einer schweren Verwundung. Am Ende glaubten die Richter R.Ž s Version nicht.

Als Bataillons-Adjutant habe er vielmehr Berichte an den Kommandanten gelesen und weitergeleitet, er musste Pläne und Befehle aufschreiben. Die Richter folgerten über R.: "Da also die Planung des Massakers von Sant' Anna direkt zu seinem Zuständigkeitsbereich gehörte, und da man keinen echten Nachweis erbringen konnte, dass er zu der Zeit nicht vor Ort gewesen sei, muss man davon ausgehen, dass er zumindest an der Planung beteiligt war." Wie gesagt, R. will sich dazu nicht äußern. Zumal die Sache juristisch noch nicht abgeschlossen sei.

Tatsächlich ermittelt seit Oktober 2002 die Staatsanwaltschaft Stuttgart. "Die Ermittlungen dauern noch an, ein Ende ist nicht abzusehen", erklärt Tomke Beddies, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. "Wir wollen den Sachverhalt vollständig aufklären. Und es ergeben sich immer wieder neue Hinweise."Es hätten sich neue Zeugen gemeldet, nach weiteren Zeugen werde gesucht, allerdings "ist das Erinnerungsvermögen mehr als 60 Jahre nach dem Geschehen recht beschränkt - ob das daran liegt, dass man sich nicht erinnern will, lasse ich mal offen", erklärt Beddies. Die ermittelnden Staatsanwälte stießen häufig auf eine "Mauer des Schweigens".

Ermittelt wird in Stuttgart gegen 15 Personen, unter ihnen seien solche, die in La Spezia verurteilt wurden, doch nicht alle, die in Italien der Beteiligung an einem Massaker für schuldig befunden wurden, sind im Visier der deutschen Staatsanwälte.

Die Staatsanwaltschaft steht vor einem juristischen Grundsatzproblem: Nur wenn es sich um Mord handelt, ist die Tat nicht verjährt. "Es bedarf keiner juristischen Klügelei, um zu erkennen, dass das, was am 12. August 1944 in Sant' Anna di Stazzema geschah, blanker brutaler Massenmord war", sagte Innenminister Schily bei seinem Besuch im Ort des Grauens zum 60. Jahrestag des Massakers. Ganz so einfach verhalte es sich nicht, betont Beddies. Für die Stuttgarter Ermittler müsse in jedem Einzelfall das Mordmerkmal erfüllt sein und nachgewiesen werden. Der Beschuldigte muss mithin aus niedrigen Beweggründen gehandelt haben, er muss besonders grausam vorgegangen sein und einen Handlungsspielraum gehabt haben, jedem einzelnen müsse eine Tatbeteiligung individuell nachgewiesen werden.

Weshalb die Ereignisse erst jetzt juristisch aufgearbeitet werden, ist nicht mehr restlos zu klären. Bereits im Herbst 1944 hatten die Amerikaner mit Ermittlungen begonnen, sie reichten die Akten an die italienische Justiz weiter, Jahre später sollen sie auch deutschen Behörden übergeben worden sein. Erst Mitte der 90er-Jahre tauchte im Keller des Militärgerichts in Rom ein Panzerschrank mit 695 Aktenordnern auf. In diesem "Schrank der Schande" befanden sich auch die Belege für das Massaker von Sant' Anna. Ein Bericht der Süddeutschen Zeitung brachte dann den Stein ins Rollen.

Über Jahrzehnte hatten Überlebende und Angehörige der Opfer vergeblich versucht, die Justiz davon zu überzeugen, dass das Verbrechen stattgefunden hat. Nun lagen die Beweise auf dem Tisch. "Wir wollen keine Rache, sondern Gerechtigkeit", kommentierte der Bürgermeister von Sant' Anna das Urteil von La Spezia. "Das Urteil aus La Spezia zeigt, dass es nach wie vor möglich ist, NS-Verbrecher zu bestrafen", erklärte Efraim Zuroff, Leiter des Simon-Wiesenthal-Zenrums in Jerusalem. Er verlangte, die Stuttgarter Staatsanwaltschaft solle "ihre Bemühungen verstärken".

Am Montag soll eine Kundgebung in Stuttgart diese Forderung untermauern. Schon am Wochenende sind an den Wohnorten der in Italien Verurteilten Aktionen geplant. Alfred Concina hat damit bereits Erfahrungen gemacht. Nachdem antifaschistische Gruppen vor dem Seniorenwohnheim demonstriert hatten, bekundeten Tage später Neonazis ihre Sympathie mit dem alten Herrn. Concina ging auf Distanz. Diese Reaktion, sagte er, sei eine "Schweinerei".

Quelle:  http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/seite3/64,51-9448823.html

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Anklage gegen frühere SS-Männer gefordert

Antifaschisten halten Staatsanwaltschaft Verschleppung vor / Bundesweite Aktionen zum 8. Mai

Antifaschistische Initiativen verlangen von deutschen Justizbehörden, frühere SS-Männer im Zusammenhang mit einem Massaker in Italien während des Zweiten Weltkriegs wegen Mordes anzuklagen.

Frankfurt a. M. Mit bundesweiten Protestaktionen am heutigen Samstag und am kommenden Montag, dem 61. Jahrestag des Kriegsendes, wollen die Antifaschisten für ihre Forderung nach einer Mordanklage werben. Denn "die Mörder von Sant' Anna di Stazzema sind unter uns." Das Massaker dort am 12. August 1944 war ein Racheakt von Angehörigen der Panzergrenadier-Division "Reichsführer SS" für eine vorherige Aktion des Widerstands durch italienische Partisanen. Zehn der heute hoch betagten früheren SS-Männer hatte das Militärgericht in La Spezia im vorigen Jahr wegen Mordes in Abwesenheit zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

Jetzt beharren die antifaschistischen Initiativen darauf, das ihnen wegen dieses Tatbestandes auch in Deutschland der Prozess gemacht wird. Sie verlangen "eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Verbrechen" und halten bundesrepublikanischen Strafverfolgungsbehörden vor, nicht energisch genug vorzugehen.

Seit vier Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen mindestens ein Dutzend Beschuldigte. Die Recherchen, die nach wie vor "in enger Kooperation" mit den italienischen Behörden ständen, seien bis heute "nicht abgeschlossen", sagte Justizsprecherin Tomke Beddies der FR. "Wir stoßen bei den Betroffenen oft auf eine Mauer des Schweigens."

Mordnachweis erforderlich

Denn nachgewiesen werde müsse, dass es sich um Mord handele. Totschlag wäre bereits verjährt. Mord aber brauche ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal, etwa Grausamkeit. Insofern müssten die Strafermittler klären, ob die SS-Männer damals "einen Handlungsspielraum" hatten, sich also an der Vergeltungsaktion in Sant' Anna di Stazzema nicht hätten beteiligen können.

Die Antifaschisten beharren darauf, dass die Anklage wegen Mordes "sofort eröffnet werden soll". Schließlich gehe es auch darum, "die Angehörigen der Ermordeten in ihrem Kampf um Anerkennung des begangenen Unrechts zu unterstützen".

Diese Dimension des italienischen Urteils hebt auch der Freiburger Militärhistoriker Gerhard Schreiber im Gespräch mit der FR hervor. Sicherlich gebe es wie in Deutschland auch in Italien Menschen, die sagten, man sollte die alten Männer doch in Ruhe lassen und ihnen ein Verfahren nach so langer Zeit ersparen. Doch Angehörige der Opfer hätten eben "eine ganz andere Perspektive", da komme es darauf an, dass es ein Urteil gebe.

Das Verbrechen in Sant' Anna di Stazzema könne man getrost als "deutsches Massaker" bezeichnen. Für die Tat lasse sich nicht allein die SS oder die Wehrmacht verantwortlich machen, hebt Schreiber hervor, der als Gutachter in dem spektakulären Prozess gegen den früheren SS-Mann Erich Priebke tätig war.

Matthias Arning

Quelle:  http://fr-aktuell.de/in_und_ausland/nachrichten/aktuell/?em_cnt=876207&sid=f203782bc2056b3384c8ca0b26bdde04

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Aktionstag in Freiberg (Sachsen)
 http://de.indymedia.org/2006/05/146061.shtml

Aktionstag in Ortenberg bei Frankfurt am Main (Hessen)
 http://de.indymedia.org/2006/05/146063.shtml

Widerstand in Italien unter deutscher Besatzung:
 http://www.resistenza.de/

Vorbereitung des Aktionstages in Freiburg:
 http://www.antifa-freiburg.de/spip/antifa.php3?id_breve=2000&design=3

Ankündigung des Aktionstages in Freiburg:
 http://www.antifa-freiburg.de/spip/antifa.php3?id_breve=2027&design=3
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Ergänzungen

Neben Reben essen Eber, ne Ben?

AA 06.05.2006 - 23:51
Die Tafel für Friedrich Neff war an einem Haus in der Lörracher Straße, Ecke Dorfstraße angebracht. Die Dorfstraße mündet in die Karl-Friedrich-Böhringer-Straße mit dem Neuen Friedhof, auf dem Friedrich Neff nach seiner standrechtlichen Erschießung begraben wurde.

Sein Grabstein trägt die Inschrift "Wer so wie Du fürs Vaterland gestorben, der hat sich ew'gen Ruhm erworben!" Er war eben ein bürgerlicher Revolutionär, kein sozialistischer.

Von der Karl-Friedrich-Böhringer-Straße geht eine kleine Sackgasse bergauf, der Rebackerweg. Rauchs Haus liegt am Dorfrand, dahinter beginnen Wald und Wiesen...

Aus dem Urteil von La Spezia (Übersetzung)

AA 07.05.2006 - 00:10
Georg RAUCH, geboren 1921, ist mit 12 in die Hitlerjugend eingetreten, wo er schnell zum Gruppenleiter wurde. 1940 trat er freiwillig in die SS ein und wurde dem berüchtigten Totenkopf-Bataillon zuwiesen. Er kam nach Frankreich, wo er in kürzester Zeit zum Truppführer avancierte. Er war dann auf der Offizierschule, später in Russland und dann in Warschau zur Zeit der Judenvernichtung. Ende 1943 wurde er zum Untersturmführer ernannt. Inzwischen war er in die 16. SS- Division gekommen; als Bataillon-Adjutant kam er nach Italien, mit der Aufgabe, für sein Bataillon eine Unterbringung in der Nähe von La Spezia zu finden.

Bataillon-Adjutant wurde er spätestens im Juni 1944, also war er das mit Sicherheit schon im August, als das Massaker stattfand. Es handelte sich dabei um eine sehr wichtige Aufgabe, da der Adjutant dem Kommandanten sehr nahe stand, ihn zu beraten und die Beziehung zu den untergeordneten Einheiten zu pflegen hatte. Dazu gehörte das Empfangen, Analysieren und Weiterleiten von Berichten von und zu den untergeordneten Einheiten sowie vom Kommandanten zu den höheren Befehlshabern und umgekehrt. Er musste Befehle und Pläne niederschreiben und die Daten für die Berichte und das Kriegstagebuch aktualisieren. Genau so wichtig waren nach seiner eigenen Angabe die logistischen Aufgaben (Unterbringung der Truppe usw.).

Man muss also davon ausgehen, dass RAUCH zumindest an der Planung und Organisation, wenn nicht an der konkreten Ausführung des Massakers teilgenommen hat. Das geht einerseits aus den Aufgaben eines Adjutanten hervor, andererseits aber auch aus konkreten Elementen, die belegen, dass RAUCH seinen Kommandanten tatkräftig unterstützte.

In einer Bewertung vom 15.10.1944, gezeichnet vom SS-Hauptsturmführer DOBRINDT, steht dass er sich bei der Ausführung seiner Aufgaben als sehr intelligent, als sehr gewandt in der Korrespondenz und als guter taktischer Berater bewährt hätte. Da also die Planung des Massakers von Sant’Anna direkt zu seinem Zuständigkeitsbereich gehörte, und da man keinen echten Nachweis erbringen konnte, dass er zu der Zeit nicht vor Ort gewesen sei, muss man davon ausgehen, dass er zumindest an der Planung beteiligt war.

Andererseits leugnet der Angeklagte jegliche auch nur indirekte Beteiligung: er behauptet, er sei sofort nach seiner Ankunft in Italien bei einem Luftangriff der R.A.F. sehr schwer verwundet (Splitter in der Lunge, in einem Knie und im Becken) und in das Militärkrankenhaus von Pavia eingeliefert worden.

Er kann sich jedoch weder an das genaue Datum seiner Einlieferung erinnern, noch daran, wie lange er im Krankenhaus geblieben sei. Beim Nürnberger Prozess hatte er sich von einem Zeugen (Georg VOLT) bestätigen lassen, dass er von Juni bis Ende August 1944 im Krankenhaus gewesen sei. Die Dokumentation aus den deutschen Militärarchiven widerlegt jedoch diese Aussage, da zwar andere, kleinere Verwundungen des Angeklagten aktenkundig sind (z.B. eine spätere im Oktober 1944), nicht jedoch diese angeblich schwerere. Außerdem ist es seltsam, dass in seinen sehr positiven Bewertungen aus dieser Zeit seine angebliche längere Abwesenheit vom Bataillon gar nicht erwähnt ist. Da er erst seit Mai dem bewertenden Offizier bekannt war, hätte dieser kaum so positiv über ihn sprechen können, wenn er schon im Juni den Dienst unterbrochen hätte.

Man kann also davon ausgehen, dass er am 12.8. 1944 im Dienst war und dass er zumindest an der Planung, wahrscheinlich jedoch – anhand weiterer Elemente – auch an der Ausführung des Massakers beteiligt war. Es ist nämlich belegt, dass das ganze Bataillion, also auch der Kommandant und seine nächsten Mitarbeiter, an der Aktion teilnahmen. Im folgenden Oktober
wurde RAUCH gleichzeitig mit seinem Kommandanten Anton GALLER verwundet, was beweist, dass er ihm auch auf dem Schlachtfeld nahe stand.

Das Stuttgarter Gericht hatte das Verfahren gegen RAUCH eingestellt, weil die vorhandenen Nachweise über seine Verwundung bzw. Nicht-Verwundung in der fraglichen Zeit für unzureichend gehalten wurden und vor allem, weil der wichtigste Zeuge Georg VOLT inzwischen verstorben war. Das Gericht in La Spezia schließt sich jedoch dieser Sichtweise nicht an, die (wenn ich das richtig verstehe, Anmerkung der Übersetzerin) auch juristisch nicht als endgültige Entscheidung anzusehen ist.

Dieses Flugblatt wurde verteilt

AA 07.05.2006 - 00:22
In ihrer Nachbarschaft wohnt ein Kriegsverbrecher!

Am 22. Juni 2005 am Militärgericht in La Spezia/Italien. Lebenslänglich für Gerhard Sommer, schuldig der Beteiligung am fortgesetzten Mord, begangen mit besonderer Grausamkeit. Die Strafe: lebenslänglich. Das gleiche Urteil, die gleiche Strafe für Alfred Schöneberg, Ludwig Heinrich Sonntag, Alfred Concina, Karl Gropler, Horst Richter, Ludwig Göring (Karlsbad), Werner Bruss, Georg Rauch, Heinrich Schendel.

Georg Rauch (1921) wohnt heute in Rümmingen bei Lörrach (Rebackerweg 11), einem kleinen beschaulichen Dorf im südbadischen Grenzland zur Schweiz. Im Dorf wird niemand genau wissen, was seinen Lebensweg kennzeichnet: Schon früh bei der Hitler-Jugend, meldet er sich freiwillig bei der Totenkopf-Einheit, einer der berüchtigten, fanatischen SS-Einheiten. Eingesetzt in Frankreich, wo er sich in kurzer Zeit "auszeichnete", dann in Russland an der "Front". Schließlich in Warschau zur Zeit der Vernichtungsmaschine gegen das Warschauer Ghetto. 1943 Untersturmführer, dann zur 16. SS-Division (über Ungarn) nach Italien.

Zur Zeit des Massakers im Bergdorf Sant’Anna war er 23 Jahre alt. Alt genug, um zu wissen, was er tat. Am Morgen des 12. August 1944 stiegen 4 Kompanien in das abgelegene Bergdorf Sant'Anna auf und massakrierten jede Menschenseele, die sie antrafen: vor allem Kinder, Frauen, alte Männer (die jüngeren Männer waren nicht im Dorf). Sie verbrannten die Leichen und die Häuser. 560 Tote, ein ausgelöschtes Dorf. Rauch war "Untersturmführer" – der Verantwortung hat er sich nie gestellt. Beim Prozess in La Spezia war er ebenso wenig wie die anderen Angeklagten. Gegen das Urteil hat er aber trotzdem Revision eingelegt.

Im Prozess in Italien war eine große öffentliche Aufmerksamkeit auf Sant'Anna gerichtet. Sämtliche Nebenkläger waren vertreten, die italienische Regierung, das Land, die Stadt, der Bürgermeister, die einzelnen Bürgerinnen und Bürger von Sant'Anna, die Überlebenden von Sant'Anna, damals noch Kinder, waren zahlreich von ihrem 50km weiter gelegenen kleinen Bergdorf angereist. Die Erleichterung war sehr groß, es gab sehr viele gerührte Gesichter und Freudentränen, aber natürlich auch Tränen im Gedenken an die Getöteten. Und nach der Urteilsverkündung erscholl ein befreiender Applaus, obwohl das im Gerichtssaal eigentlich nicht sein darf. Der Prozess hatte in ganz Italien und auch international für einiges Aufsehen gesorgt.

Ganz anders in Deutschland. Zwar laufen seit 2002 Ermittlungen wegen des Massakers in Sant`Anna di Stazzema. Die schleppen sich aber eher dahin und es gibt noch keine Anklage.
Die dafür zuständige Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat immer wieder betont, es sei eben schwierig, weil jedem Einzelnen die Beteiligung ganz konkret nachgewiesen werden müsse und außerdem warte man das Urteil in La Spezia ab. Das Urteil ist aber seit einem Jahr vorhanden!

"Wir ermitteln gegen eine im unteren zweistelligen Bereich liegende Zahl von Beschuldigten und wir haben im Rahmen unserer Ermittlungen die Überlebenden vernommen. Wir haben auch sehr viele Einheitsangehörige vernommen. Wir sind derzeit dabei, die einzelnen Tatbeiträge der von uns identifizierten Tatbeteiligten zu klären, insbesondere festzustellen, ob ihnen so genannte Mordmerkmale nachgewiesen werden können." (Stuttgarter Staatsanwaltschaft)

In Italien lebenslänglich – Schadensersatz an die Familienangehörigen und Nebenklägerinnen Baldassarri (Maria, Gian, Antonio), je 10.000 Euro. Das Urteil soll in der italienischen Presse veröffentlicht werden.

Am 6. Mai 2006 demonstrieren wir vor den Wohnhäusern der in Italien verurteilten Kriegsverbrecher und am 8. Mai 2006, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, vor der Staatsanwaltschaft in Stuttgart, um der Forderung nach einer umgehenden Eröffnung der Verfahren Nachdruck zu verleihen.

AG Partigiani Freiburg

ORA E SEMPRE RESISTENZA

AA 07.05.2006 - 00:56
"Du wirst es haben / Kamerad Kesselring / Das Denkmal / Das du von uns Italienern verlangst / Aber aus welchem Stein es erbaut sein wird / Entscheiden wir / Nicht aus den rauchgeschwärzten Steinen / Der unschuldigen Dörfer gepeinigt von deiner Vernichtung / Nicht aus der Erde der Friedhöfe / Auf denen unsere jungen Genossen / In Frieden ruhen / Nicht aus dem reinen Schnee der Berge / Die dich für zwei Winter herausgefordert hatten / Nicht aus dem Frühling in den Tälern / Der dich flüchten sah / Einzig aus dem Schweigen der Gefolterten / Härter als jeder Stein / Einzig aus dem Fels dieses Paktes / Geschlossen zwischen freien Menschen / Die sich freiwillig gefunden haben / Aus Würde nicht aus Hass / Entschlossen sich zu befreien / Von der Schande und dem Schrecken der Welt / Solltest du auf diesen Straßen zurückkehren wollen / Wirst Du uns in unseren Dörfer finden / Tote und Lebende mit der selben Verpflichtung / Ein Volk versammelt um das Denkmal / Das da heißt:
ORA E SEMPRE RESISTENZA
Widerstand - Jetzt und immer"

 http://www.partigiani.de/widerstand/resistenza_drei.htm

Düsseldorf: Prozeß gegen Schöneberg gefordert

FriedensTreiberAgentur (FTA) 07.05.2006 - 06:29
Auch in Düsseldorf lebt einer derer, die in La Spezia für die Kriegsverbrechen von Sant'Anna verurteilt worden sind. Und auch in Düsseldorf gab es - von der Polizei scharf beäugt - eine Protestkundgebung gegen das wie Desinteresse wirkende jahrzehntelanges Verhalten der bundesdeutschen Justiz im Fall des dort ansässigen ehemaligen SS-Unterscharführers Schöneberg, dem die italienische Justiz eine Beteiligung an dem Massaker von Sant'anna nachgewiesen hat.

Die Veranstalterin der Protestkundgebung, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der AntifaschistInnen - VVN-BdA Düsseldorf veröffentlichte am 06.05.2006 die folgende Presseerklärung dazu, die hiermit unwesentlich gekürzt weitergeleitet wird:

Zu der für heute angekündigten bundesweiten Aktion gegen die in
Italien zu lebenslanger Haft verurteilten Kriegsverbrecher erschienen in Düsseldorf in der Nähe des Wohnsitzes des ehemaligen SS- Unterscharführers Schöneberg [...] deutlich mehr TeilnehmerInnen als erwartet. Der Düsseldorfer Polizeipräsident hatte zu der angemeldeten Aktion das Wohnhaus zum "unantastbaren Bereich" und zur "Schutzzone mit einem Radius von ca.300 m" sozusagen als Bannmeile erklärt. Nach der improvisierten Kundgebung auf dem Gehweg vor der Markuskirche [...], bewegten sich die DemonstrantInnen in Richtung der "Schutzzone" für den verurteilten Kriegsverbrecher Schöneberg. Nach der Auflösung der Aktion gingen einige TeilnehmerInnen spontan zu dem Wohnhaus von Schöneberg. Der Einsatz von Polizei mit mehreren Mannschaftswagen sorgte für große Aufmerksamkeit in der Nachbarschaft. Die unmittelbaren Nachbarn konnten erst durch den Einsatz der Ratsfrau Gundel Kahl und der Bezirksvertreterin Christiane Köhler-Schnura mit Flugblättern versorgt werden. Viele der AnwohnerInnen reagierten überrascht, betroffen und schockiert auf die Tatsache der Nachbarschaft mit einem verurteilten Kriegsverbrecher.

Wollin: 50 Menschen demonstrierten

AA 07.05.2006 - 07:13
Tagesspiegel Online, Brandenburg, 07.05.2006

Der schrecklich nette Nachbar

In Wollin lebt ein Mann, der in Italien als Kriegsverbrecher verurteilt wurde. Die „alten Geschichten“ interessieren hier keinen. Eine Demo sollte das ändern

Von Johannes Boie

Wollin - "Bislang kannte man unseren Ort nur aus den Verkehrsnachrichten", sagt ein Familienvater aus Wollin. "Die Autobahn ist direkt nebenan." Doch mit der Ruhe ist es jetzt vorbei. Am gestrigen Sonnabend demonstrierten rund 50 Menschen in der Wolliner Hauptstraße. Sie waren einem Aufruf des Berliner Vereins der Verfolgten des Naziregimes e. V. (BVVdN) gefolgt. Denn kürzlich wurde bekannt, dass in dem beschaulichen 1000-Einwohner-Ort der in Italien zu lebenslänglicher Haftstrafe verurteilte Kriegsverbrecher Karl Gropler lebt.

Der 82-Jährige hat nach Überzeugung der italienischen Justiz im August 1944 als Mitglied der 16. SS-Panzergrenadier-Division zusammen mit rund 300 weiteren Soldaten innerhalb weniger Stunden 560 Bewohner des kleinen Bergdorfs Sant'Anna in Italien ermordet. Die Aktion wurde unter dem Deckmantel der "Partisanenbekämpfung" durchgeführt. Auch in Deutschland ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Bis zu einer Verurteilung hier ist der Mann jedoch frei, da er als Deutscher nicht nach Italien ausgeliefert wird.

Die meisten Einwohner Wollins begegnen dem Einzug der Presse in ihren kleinen Ort mit Schweigen. "Die Groplers leben hier seit Urzeiten. Den Alten will niemand 'verraten' ", sagt ein Dorfpolizist. Eher noch schützt man den mutmaßlichen Mörder und verharmlost seine Taten: "Der Amerikaner hat auch Dreck am Stecken", heißt es etwa in der Dorfkneipe "Krause’s Café". Und die Wirtin selber, eine quirlige Frau mit blondierten Haaren, fügt hinzu: "Der Karl Gropler nimmt immer ordentlich an den Seniorenveranstaltungen teil. Das ist einer von uns." Die Trinkkumpane bei Krause wollen "erst mal auf ein deutsches Urteil warten." Den italienischen Gerichten wollen sie nicht glauben. "Mein Vater war auch in der Waffen-, äh, in der Armee, damals", verplappert sich eine Wolliner Bürgerin, "die ganzen alten Geschichten von früher, die sollte man vergessen."

Die Anwältin der überlebenden Opfer des Massakers, Gabriele Heinecke, bedauert, dass die Dorfbewohner den Mann aus ihrer Mitte schützen. "Die Leute sollten mal nach Sant' Anna fahren", sagt sie. "Dort ist das Grauen gegenwärtig." Heinecke kritisiert, dass die zuständige deutsche Staatsanwaltschaft in Stuttgart zu langsam arbeite. "Die Stuttgarter ermitteln umfangreich, bis alle Täter tot sind."

Staatsanwältin Tomke Beddies kann tatsächlich noch nicht sagen, wann Anklage erhoben werden wird: "Es liegt in der Natur von Ermittlungen, dass man nicht sagen kann, wann sie abgeschlossen sein werden."

Damit die Wolliner Mauer des Schweigens durchbrochen wird, fand gestern die BVVdN-Demonstration statt. Die Teilnehmer verlasen einen Text über das Massaker von Sant'Anna und spielten italienische Musik über Lautsprecher ab. Eine kleine Anzahl rechtsextremer Gegendemonstranten versuchte mehrfach, die Veranstaltung zu stören, wurde jedoch von Polizisten abgedrängt. Es sieht nicht so aus, als kehrte in dem kleinen Dorf am Rande der A2 bald wieder Ruhe ein.

Quelle:  http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/07.05.2006/2516347.asp

Ein weiterer Artikel zu Wollin (Brandenburg)

AA 07.05.2006 - 07:19
Mühsame Suche nach Schuld

Karl Gropler wurde in Italien als Mörder verurteilt - die deutsche Justiz ermittelt noch immer

HENNING HEINE

STEPHAN BREIDING

WOLLIN/POTSDAM Wollin erstrahlt am Mittwochmittag in gleißendem Sonnenlicht. Eine friedliche Idylle. Gleichwohl liegt ein Schatten über der 1000-Seelen-Gemeinde im Kreis Potsdam-Mittelmark. Ein Mann aus dem Dorf, Spross einer alteingesessenen Wolliner Familie, heute 82 Jahre alt, soll an einem kaltblütigen Massenmord beteiligt gewesen sein - einem Massaker an italienischen Zivilisten im August 1944.

Bereits vergangenen Juni verurteilte ein Militärgericht in La Spezia den früheren SS-Mann Karl Gropler zu lebenslanger Haft. Die Richter befanden ihn zusammen mit neun weiteren Angeklagten des gemeinschaftlichen Mordes an 560 Männern, Frauen und Kindern in dem toskanischen Dorf Sant' Anna di Stazzema für schuldig. In Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen Mordes gegen ihn, ebenso wie gegen 14 weitere Beschuldigte.

Karl Gropler gehörte zur 16. SS-Panzergrenadier-Division "Reichsführer SS". Rund 300 Angehörige der Einheit fielen am Morgen des 12. August 1944 über die Bewohner von Sant' Anna her. Was Überlebende von jenem Tag berichten, lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. "Sie nahmen Luciana an den Füßchen und schlugen sie wiederholt gegen die Hauswand, bis ihr Schädel zertrümmert war", hat Enrico Pieri, damals zehn, über den Tod seiner fünf Jahre jüngeren Schwester zu Papier gebracht. Der Junge verlor zudem seine Mutter, seinen Vater, eine weitere Schwester, seine Großeltern - insgesamt 27 Angehörige. Enrico selbst konnte sich in einen Hohlraum unter einer Treppe vor den SS-Schergen in Sicherheit bringen. Sie metzelten und brandschatzten vier Stunden lang in Sant' Anna.

Mit dabei, so ist zumindest die italienische Justiz überzeugt, Unterscharführer Karl Gropler. Das schlossen die italienischen Richter aus den Aussagen von rangniederen SS-Soldaten und seinen eigenen Einlassungen. Der Wolliner war 2003 von Ermittlern als Zeuge verhört worden, bevor er 2004 selbst auf der Anklagebank landete. Laut Urteil war der Unterscharführer für die Artillerie in seiner Truppe verantwortlich. Groplers Schar sei nachweislich in Sant' Anna gewesen, heißt es dort. Laut italienischer Justiz gehörte Gropler der SS seit März 1942 an. Nach Einsätzen in Holland und Südfrankreich wurde er Mitglied der berüchtigten Totenkopf-Verbände. Er erlitt eine Kopfverletzung und wurde nach Polen, später nach Ungarn und 1944 schließlich nach Italien versetzt.

Sonst ist wenig bekannt über Gropler. LPG-Traktorist war er zu DDR-Zeiten, zudem in der Feuerwehr. Im Ort wird der 82-Jährige nur "Gropler III" genannt. Kurioserweise gab es in Wollin bis vor kurzem noch zwei weitere Männer desselben Namens. Ein Namensvetter ist gestorben, ein weiterer lebt ein paar Häuser weiter.

Die Wolliner wollen sich zu dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher in ihrer Nachbarschaft nicht äußern. Der Ortsbürgermeister schweigt, die Pfarrerin sagt ebenso wenig etwas wie der Chef des LPG-Nachfolgebetriebs. Gesprächiger sind die Leute, wenn es um die Verurteilung geht. "Warum lässt man den alten Mann nicht in Ruhe, nach so langer Zeit", fragt die junge Verkäuferin im Lebensmittelmarkt. Wenn Gropler nicht getötet hätte, hätte es ein anderer getan. Dass ein Schlussstrich gezogen werden müsse unter jene Zeit, ist mehrfach zu hören. "Verbrochen haben sie doch alle was, die Amerikaner, die Russen und unsere", sagt ein 45-jähriger Wolliner. Gropler selbst ist nicht zu sprechen. Er geht nicht ans Telefon und öffnet nicht die Tür. Auch von seinem Anwalt gibt es keine Stellungnahme.

Laut Stuttgarter Staatsanwaltschaft leben noch rund 100 Angehörige der SS-Division. Sie müssten erst alle befragt werden, bevor die Ermittlungen abgeschlossen werden könnten, so Oberstaatsanwalt Burkhard Häussler. Das werde mindestens noch bis Jahresende dauern. Das brutale Massaker in Sant' Anna di Stazzema war kein Einzelfall. Experten schätzen, dass zwischen September 1943 und Mai 1945 bei Vergeltungsaktionen von Wehrmacht und Waffen-SS mindestens 15 000 italienische Zivilisten ermordet wurden. Allein auf das Konto der 16. SS-Panzergrenadier-Division "Reichsführer SS", die bei ihren Einsätzen im Partisanenkampf eine Schneise der Verwüstung und des Mordens durch Mittelitalien zog, gehen mehr als 2000 tote Zivilisten. Obwohl diese Taten mehr als 60 Jahre zurückliegen, wurden die meisten erst in den vergangenen Jahren verfolgt. Das lange Schweigen hatte politische Gründe. Italien wollte zu Zeiten des Kalten Krieges keine akribische Verfolgung von Nazi-Verbrechen, die zu einer Belastung des deutsch-italienischen Verhältnisses geführt hätte. Viele der belastenden Akten wurden im so genannten Schrank der Schande versteckt, versiegelt und vergessen in einer italienischen Staatsanwaltschaft. Sein brisanter Inhalt: knapp 700 Aktenbündel, die detaillierte Informationen über Massaker der deutschen Truppen enthielten. Erst ab Mitte der 90er Jahre wurden die Unterlagen systematisch ausgewertet und mutmaßliche Kriegsverbrecher angeklagt.

Möglicherweise zu spät. Der Berliner Historiker Wolfgang Wippermann verweist darauf, dass der Straftatbestand des Totschlags für Gräueltaten während des Krieges seit Anfang der 60er Jahre verjährt sei - "und es war politisch nicht gewollt, das zu ändern". Seitdem könne man Kriegsverbrecher nur noch wegen Mordes anklagen, so Wippermann. Dort gilt keine Verjährungsfrist. Allerdings sind die Hürden hoch: Dem Beschuldigten muss nachgewiesen werden, dass er mit besonderer Grausamkeit oder aus niederen Beweggründen gehandelt hat.

Die Hamburger Anwältin Gabriele Heinecke beklagt die Verschleppungstaktik der seit 2002 ermittelnden Staatsanwälte in Stuttgart. Sie vertritt die Opfer des Massakers von Sant' Anna di Stazzema, darunter auch Enrico Pieri. Doch auf Akteneinsicht wartet sie bislang vergebens

Das Urteil aus Italien müssen weder Karl Gropler noch seine neun Kameraden fürchten. Deutschland liefert seine Staatsbürger generell nicht an andere Länder aus. Es spricht viel dafür, dass Karl Gropler seinen Lebensabend in seinem Heimatort Wollin beschließen kann. Die überlebenden Opfer des Massakers können das nicht. Sant' Anna di Stazzema wurde nach der Zerstörung nie wieder aufgebaut.

Quelle:  http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10699963/62249/

Noch ein Artikel zu Wollin (Brandenburg)

AA 08.05.2006 - 01:13
08.05.2006 / Brandenburg/Havel
Sie wollen wiederkommen

40 Antifa-Leute demonstrieren in Wollin / Unterschiedliche Reaktionen

HENNING HEINE

WOLLIN Raschelnd wiegen sich die blauen Papierbögen im Wind. Die Demo-Reden sind gehalten, die Protestierer auf dem Heimweg. Die Blätter aber bleiben in Wollin zurück. Sie hängen auf einer Wäscheleine zwischen zwei Bäumen am Rand der Hauptstraße. 434 Namen stehen darauf, von Adorni bis Zanetti. Das Baby Anna Pardini ist aufgelistet, das bei seinem gewaltsamen Tod gerade 20 Tage alt war, und der Greis Cesare Marchetti. Er musste mit 87 Jahren sterben. Es sind die namentlich bekannten Opfer von Sant' Anna di Stazzema in Italien. Im August 1944 schlachteten deutsche SS-Leute insgesamt etwa 560 Männer, Frauen und Kinder in dem Bergdorf ab, vorgeblich als Vergeltung für Partisanenangriffe. Bei der Bluttat dabei gewesen sein soll der Wolliner Karl Gropler.

Seinetwegen sind am Sonnabend 40 linke Aktivisten aus Berlin und Brandenburg in Wollin. Sie wollen, dass der 82-Jährige in Deutschland so schnell wie möglich vor Gericht gestellt wird. "Keine Ruhe für NS-Täter", steht auf einem Transparent. Die Staatsanwaltschaft in Stuttgart ermittelt zwar seit 2002, ist bislang aber noch nicht zu einem Abschluss gekommen. In Italien dagegen wurde Gropler im Juni 2005 zusammen mit neun weiteren früheren SS-Offizieren zu lebenslanger Haft verurteilt. Derzeit läuft noch das Revisionsverfahren, ins Gefängnis muss Gropler aber auf keinen Fall. Deutschland liefert seine Staatsangehörigen nicht aus. Die Protestierer wollen sich damit nicht abfinden. Es sei höchste Zeit für einen Prozess, einen ruhigen Lebensabend dürfe es für Gropler nicht geben, sagt ein Aktivist.

Gut zwei Dutzend Wolliner haben sich an der Kreuzung von Post- und Hauptstraße versammelt. Ein Mann beschimpft die Demonstranten auf das Übelste. Abhauen sollen sie, anstatt das schöne Dorf in Aufruhr zu versetzen. Lasst doch den alten Mann in Ruhe, alles lange her - das ist die vorherrschende Ansicht. Kurz nach Kundgebungsbeginn rücken acht Rechtsextreme an, einige aus Ziesar, und starten eine Gegendemo. Die Polizei, mit 36 Beamten vor Ort, kassiert ihre Transparente und schickt die Faschos fort.

Nicht alle Wolliner wollen mit dem Protest nichts zu tun haben oder wiegeln ab. In der Hauptstraße stehen und sitzen die Anwohner auf der Treppe vor ihrem Haus, lesen sich die Flugblätter durch und hören der Kundgebung zu. Pfarrerin Jana Büttner sagt: "Es ist wichtig, dass das Verbrechen bekannt gemacht wird." Einen Schlussstrich dürfe es nicht geben. In einem Gespräch mit ihr habe der 82-Jährige allerdings erklärt, sich nicht erinnern zu können, an einem grausamen Verbrechen beteiligt gewesen zu sein.

Karl Gropler selbst kommt nicht vor die Tür. Vielleicht ist er gar nicht zu Hause. Sein Anwalt spricht von einem falschen Richterspruch in Italien. Sein Mandant sei gar nicht in Sant' Anna gewesen. Für die Demonstranten ist das eine Ausflucht. Sie wollen wieder nach Wollin kommen - bis ein Verfahren in Deutschland gegen Gropler läuft.

Quelle vergessen

AA 08.05.2006 - 01:16

Die junge Welt gibt einen Überblick

AA 08.05.2006 - 01:18
Tageszeitung junge Welt

08.05.2006 / Inland / Seite 4

Hausbesuch bei Kriegsverbrechern

Antifaschistische Gruppen fordern Anklageerhebung gegen Beteiligte an dem SS-Massaker vom 12. August 1944 im italienischen Sant’Anna di Stazzema
jW-Bericht

Am Samstag führten antifaschistische Initiativen in verschiedenen Städten der Bundesrepublik einen Aktionstag vor den Wohnhäusern von sieben ehemaligen SS-Angehörigen durch. Die bislang unbehelligt in Deutschland Lebenden waren am 12. August 1944 an einem Massaker im italienischen Dorf Sant’Anna di Stazzema beteiligt, bei dem mehr als 500 Bewohner ermordet wurden. Im Juni 2005 waren die sieben ehemaligen SS-Männer von einem italienischen Militärgericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die deutsche Staatsanwaltschaft liefert sie aber nicht aus. Die zuständige Stelle in Stuttgart ermittelt zwar seit 2002 gegen die sieben und weitere mutmaßliche Kriegsverbrecher, hat aber bislang keine Anklage erhoben. Mit den Aktionen am Sonnabend sollte den Forderungen der Überlebenden von Sant’Anna di Stazzema nach sofortiger Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart Nachdruck verliehen werden.

Im Rahmen des Aktionstages fand bereits am Freitag in Lißberg/Ortenberg bei Frankfurt eine Demonstration statt, an der etwa 80 Personen teilnahmen. Sie führte zu der Wohnung von Heinrich Schendel. Am Samstag demonstrierten 50 Personen im brandenburgischen Wollin in Sichtweite des Wohnhauses von Karl Gropler. Etwa 20 Neofaschisten versuchten erfolglos die Aktion zu behindern. In Krefeld wurden 2500 Flugblätter im Wohnviertel von Horst Richter verteilt. Danach fand auf dem Marktplatz eine Kundgebung statt, an der etwa 50 Personen teilnahmen. Im sächsischen Freiberg, wo der ehemalige SS-Angehörige Alfred Concina lebt, wurden 132 Unterschriften für die sofortige Anklageerhebung gesammelt, die der Bürgermeisterin am heutigen Montag übergeben werden sollen. In Düsseldorf beteiligten sich etwa 80 Antifaschisten an der Aktion, um auf Alfred Schöneberg aufmerksam zu machen, und in Hamburg-Volksdorf demonstrierten 70 Personen vor dem Seniorenheim, in dem Gerhard Sommer lebt. Sie sammelten Unterschriften und stellten eine Gedenktafel mit den Namen der Opfer vor Sommers Alterswohnsitz auf. Eine vergleichbare Aktion gab es ebenfalls in Rümmingen bei Freiburg, wo Georg Rauch wohnt. Den Abschluß der Aktivitäten bildet eine Kundgebung vor der Staatsanwaltschaft in Stuttgart (Neckarstraße 145), die am heutigen Montag um 17 Uhr stattfinden wird.

Quelle:  http://www.jungewelt.de/2006/05-08/029.php

Auch die taz berichtete

AA 08.05.2006 - 01:19
Prozess gegen SS-Männer gefordert

HAMBURG taz "Anklageerhebung sofort" forderten am Samstag in mehreren deutschen Orten Initiativen, weil die Staatsanwaltschaft Stuttgart bisher keine Anklage gegen die SS-Kriegsverbrecher des Massakers in St' Anna di Stazzema erhoben hat. Seit 2002 ermittelt sie gegen 15 Verdächtige. Das Militärtribunal La Spezia verurteilte bereits 2005 10 frühere SS-Männer wegen des "schlimmsten Massakers an Zivilisten während des Zweiten Weltkriegs in Italien" zu lebenslanger Haft - in Abwesenheit. Bis zu 80 Demonstranten kamen zu den Altenheimen der Verdächtigen, wie in Hamburg und Freiburg, oder zu den Wohnorten, wie in Düsseldorf und Ortenberg. Damit, erklärte ein Sprecher der Initiativen, sollte auch vor Ort daran erinnert werden, dass die 16. Panzergrenadier-Division "Reichsführer SS" 560 alte Männer, Frauen und Kinder in St' Anna am 12. August 1944 ermordeten. Die deutschen Initiativen befürchten, dass nach dem Tod eines der SS-Männer vor kurzer Zeit noch weitere vor dem Prozess versterben könnten. Dies bestätigte auch Enio Mancini vom italienischen "Verein der Märtyrer von St' Anna" per Grußwort. "Ein Ermittlungsende ist nicht abzusehen", sagte Tomke Beddies, Sprecherin der Staatsanwaltschaft der taz. "Im Einzelfall müssen die Mordmerkmale nachgewiesen werden." Heute Nachmittag wird bei der Staatsanwaltschaft in Stuttgart protestiert.

ANDREAS SPEIT

Quelle:  http://www.taz.de/pt/2006/05/08/a0114.1/text

Noch ein weiterer Artikel zu Wollin

AA 08.05.2006 - 11:49
Märkische Allgemeine - Brandenburg - 08.05.2006

Demonstranten fordern Prozess gegen Ex-SS-Mann

Proteste vor dem Haus von Karl Gropler in Wollin / Kirchenkreis: Beschuldiger soll sich seiner Verantwortung stellen

HENNING HEINE

WOLLIN Einen Steinwurf von Karl Groplers Haus entfernt stoppt der Lautsprecherwagen. Näher heran dürfen die rund 40 Antifa-Aktivisten aus Berlin und Brandenburg am Sonnabendnachmittag in Wollin (Potsdam-Mittelmark) nicht. Müssen sie auch gar nicht. Verstärkt von 1000 Watt hallt ihre Forderung durchs ganze Dorf: Der 82-Jährige gehöre so schnell wie möglich vor ein deutsches Gericht.

Karl Gropler ist Kriegsverbrecher, davon sind die Demonstranten überzeugt. Sie berufen sich auf ein Urteil eines italienischen Militärgerichts vom Juni 2005. Danach war der frühere SS-Mann an einer der schlimmsten Bluttaten der Nazis in Italien beteiligt, dem Massaker an den Einwohnern des toskanischen Dorfes Sant'Anna di Stazzema. Vorgeblich als Vergeltung für Partisanenangriffe metzelten Angehörige der 16. Panzergrenadier-Division "Reichsführer SS" am 12. August 1944 an die 560 Frauen, Männern und Kinder dahin.

Gropler war Unterscharführer im 35. Regiment, II. Bataillon, Kompanie 8 - und nach Überzeugung der italienischen Richter bei dem Massaker dabei. Zusammen mit neun weiteren deutschen SS-Leuten verurteilten sie den Wolliner in Abwesenheit zu lebenslanger Haft. Bandenmäßige Verabredung zum Mord, so lautete der Vorwurf. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, ein Revisionsverfahren läuft. In Deutschland indes ermittelt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wegen Mordes gegen Gropler.

Keine Ruhe für NS-Täter, lautet das Motto der Demonstranten in Wollin. "Verschweigen und Verdrängen geht nicht mehr", donnert die Stimme einer Aktivistin aus den Boxen den Anwohnern entgegen. Vom Tonband werden italienische Musik und die Erinnnerungen von Überlebenden des Massakers eingespielt. Zudem hagelt es heftige Kritik an der deutschen Justiz. Zu träge seien die Ermittler, so der Vorwurf. Sie verschleppten das Verfahren, bis die Täter verhandlungsunfähig oder tot seien, kritisiert Dagi Knellessen von der Berliner Initiative "Gegen den Schlussstrich".

Kurz vor der Kundgebung unternehmen acht Rechtsextreme einen Störversuch. Sie werden aber von der Polizei abgedrängt. Karl Gropler selbst lässt sich nicht blicken. Erstmals äußert sich sein Anwalt Hartmut Meyer öffentlich zu den Vorwürfen. Gropler sei bei dem Massaker nicht dabei gewesen, so der Jurist: "Er war nicht in Sant' Anna". Das sehen die Demonstranten ganz anders. Solange das Verfahren gegen Karl Gropler nicht eröffnet sei, werde in Wollin keine Ruhe einkehren, kündigen sie an. Die klare Ansage: "Wir kommen wieder."

Gegen einen Schlussstrich unter die Nazi-Verbrechen hat sich auch der zuständige Kirchenkreis Elbe-Fläming ausgesprochen. Wie Superintendent Wolfgang Schmidt erklärte, bestehe seine Aufgabe als Pfarrer darin, Gropler "seelsorgerisch zu begleiten" und ihn zugleich immer wieder aufzufordern, sich den Vorwürfen zu stellen. Die Gerichte rief Schmidt auf, die konkrete Schuldfrage zügig zu klären.

Quelle:  http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10702044/62249/

ora e sempre resistenza

AA 09.05.2006 - 17:45
* Zu Gast bei Mördern *
Links zum bundesweiten Aktionstag am 6. Mai 2006
 http://www.antifa-freiburg.de/spip/antifa.php3?id_breve=2040&design=3

* Auf dem rechten Auge blind *
Links zur Kundgebung in Stuttgart am 8. Mai 2006
 http://www.antifa-freiburg.de/spip/antifa.php3?id_breve=2050&design=3

SS aktuell

ein Überblick 09.05.2006 - 17:57


13. MAI MARIENFELS SS VERHERRLICHUNG
JÄHRLICHE (NEO) NAZI DEMO AM SS DENKMAL
 http://de.indymedia.org/2006/05/145776.shtml

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27.+ 28.MAI MITTENWALD
JÄHRLICHES GEBIRGSJÄGER/KRIEGSVERBRECHER TREFFEN
 http://www.nadir.org/nadir/kampagnen/mittenwald/
 http://www.nadir.org/nadir/kampagnen/mittenwald/termine.html  http://nadir.org/nadir/kampagnen/mittenwald/aufruf2006.html

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HH-Volksdorf: Demo gegen SS-Mörder
 http://de.indymedia.org/2006/05/146238.shtml

Stuttgart
"Klagt endlich die Nazi Mörder an!"
 http://de.indymedia.org/2006/05/146235.shtml

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DER BLOG ZUM THEMENKOMPLEX SS
 http://myblog.de/spaetegerechtigkeit

RBB-Beitrag

AA 19.05.2006 - 16:10
KLARTEXT vom 17.05.2006
Erschreckend: Wolliner Bürger verteidigen mutmaßlichen Kriegsverbrecher

Karl Gropler aus Wollin soll 1944 als Angehöriger des 2. Bataillons des 35. Regiments der 16. SS-Panzergrenadierdivision "RF–SS" am Massaker von Sant Anna di Stazzema beteiligt gewesen sein. In Italien wurde Gropler deshalb in erster Instanz von einem Militärgericht in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. In Wollin stehen alle hinter dem heute 82jährigen. Es sei ja Krieg gewesen. Eine Reportage.

Auf dem Dorf zu leben, das hat so seine eigenen Gesetze. Man kennt sich seit Generationen, es gibt Familienbande und Nachbarschaften und eine lange gemeinsame Geschichte. Das schweißt zusammen. Wollin im westlichen Brandenburg ist ein typisch deutsches Dorf: Viele Großväter waren im Krieg, in der NSDAP, oder in der SS. So wie Karl Gropler, aufgewachsen in Wollin. Er war bei den Pimpfen, bei der Hitlerjugend und später dann bei der SS. Von der italienischen Justiz wurde Gropler rechtskräftig verurteilt wegen der Beteiligung an einem Kriegsverbrechen. Jetzt ermittelt auch in Deutschland die Staatsanwaltschaft – und die Wolliner sind empört, allerdings nicht über die damaligen Verbrechen. Sascha Adamek auf den Spuren einer bis heute verdrängten Geschichte.

Dorfbewohner
"Der Mann ist 82 Jahre und nach 62 Jahre brauch man mit so watt nich mehr anfangen. Also wir halten hier im Dorf auch alle zusammen. Und dass man…"
Dorfbewohnerin
"Der hat uns doch nichts getan."
Dorfbewohner
"…dass man nach so einer Zeit mit so einem Fax noch anfängt, das tut mir echt leid."
KLARTEXT
"Was sagen Sie denn zu den Verbrechen, die ihm vorgeworfen werden?"
Dorfbewohner
"Was soll ich dazu sagen. Es war Krieg."
Dorfbewohnerin
"Ach, das sagen wir nichts zu."
Dorfbewohner
"Da sagen wir gar nichts mehr weiter zu. Es war Krieg."
KLARTEXT
"Es wurden unschuldige Zivilisten, Frauen und Kinder hingerichtet."
Dorfbewohner
"Was hat denn der Russe gemacht, was macht denn der Ami heute?"

Enio Mancini, Überlebender des Massakers von Sant'Anna
"In diesem Haus hinter mir ist es zu einem grauenvollen Ereignis gekommen. Die Soldaten hatten etwa 70 Menschen, Frauen, Kinder, alte Leute in die Ställe im untersten Stock gepfercht. Kaum waren sie drinnen, warfen die Nazi-Soldaten Handgranaten rein und dann zündeten sie das ganze Haus an. Fünf Kinder aber entkamen."

Wollin, ein ganz normales Dorf in Brandenburg. Hier wohnt ein 82jähriger ehemaliger SS-Mann – seit über 60 Jahren unbehelligt. Karl Gropler, hier vor dem Haus seiner Familie, scheut die Öffentlichkeit.

Im Juni letzten Jahres hat ein italienisches Militärgericht Gropler verurteilt. Gropler soll im Jahre 1944 an einem Massaker beteiligt gewesen sein, bei dem 560 Zivilisten ermordet wurden.

Sant'Anna in der Toskana. Am Morgen des 12. August 1944 stürmten SS-Einheiten das Dorf. Sie waren auf der Suche nach Partisanen, doch im Dorf treffen sie nur Frauen, Kinder und einige alte Männer. Karl Gropler war damals Unteroffizier der Waffen-SS. Die italienischen Militärrichter sind überzeugt, dass Gropler an jenem Tag an dem Massaker beteiligt war. Er wurde angeklagt wegen
Zitat:
"fortgesetzter gemeinschaftlicher Gewaltanwendung gegen Zivilpersonen mit Todesfolge"
und
"Verurteilt zu lebenslanger Freiheitsstrafe…"

Der ehemalige Unteroffizier der Waffen-SS kehrte nach dem Krieg zurück nach Wollin.

Dorfbewohner
"Also ich kenne ihn als korrekten Kollegen."
Dorfbewohner
"War ein einwandfreier Kollege, ehrlich, aufrichtig, fleißig."
Dorfbewohnerin
"Eigentlich ist er ein ruhiger Beamter, so wie ich ihn kenne."

Wir erfahren: Gropler war in der Freiwilligen Feuerwehr. Und er arbeitete hier in der ehemaligen LPG. Doch was denken die Menschen im Dorf über seine Verurteilung als Kriegsverbrecher? Allein die Frage empört die meisten:

Dorfbewohner
"Da bin ich eben der Meinung. In den Medien ist er als 'Mörder von Wollin', als 'Kriegsverbrecher von Wollin' dargestellt worden, und in Deutschland ist er nicht rechtskräftig verurteilt. Also ist das nicht so gerechtfertigt. Das ist meine Meinung dazu."
Dorfbewohner
"Das war so früher."
KLARTEXT
"Was war so früher?"
Dorfbewohner
"Das war so. Hab ich mich noch nicht mit beschäftigt."
Dorfbewohner
"Es gab ja hier mehrere im Betrieb, die in der SS waren, ob freiwillig, oder gezogen, gab es ja nachher auch, die konnten gar nichts dafür."
KLARTEXT
"Also, Sie wussten, dass er bei der SS war."
Dorfbewohner
"Ja."
KLARTEXT
"Sie müssen doch eine Meinung dazu haben, wenn jemand solcher schwerer Verbrechen beschuldigt wird."
Dorfbewohner
"Nein, dazu will ich mich nicht äußern."

Wen wir auch fragen, niemanden scheint das Kriegsverbrechen in Italien betroffen zu machen.

Karl Gropler ist mit seinen 82 Jahren noch gut zu Fuß. Als er allerdings die Kamera entdeckt, klammert er sich an die Stalltür. An das Massaker kann er sich angeblich nicht mehr erinnern. Wohl aber an eine Kirche in einem italienischen Ort:

KLARTEXT
"Haben Sie denn gesehen, was mit den Zivilisten passiert ist?"
Karl Gropler, ehemaliger SS-Mann
"Ich habe gar nichts gesehen, ich war in der Kirche, weil ich wahrscheinlich zu doof war, weiß ich nicht."

Das ist nach Meinung der italienischen Militärrichter die Kirche, von der Gropler spricht. Hier soll Gropler dabei gewesen sein, als dutzende Dorfbewohner zusammengetrieben und danach erschossen wurden. Um die Spuren ihrer Mordtaten zu verwischen, schleppten die SS-Männer anschließend die Kirchbänke heraus, türmten sie über die Leichenberge und setzten alles in Brand.

KLARTEXT
"Dort wurden ja alle Menschen, die zusammengetrieben waren, umgebracht…"
Karl Gropler, ehemaliger SS-Mann
"…da habe ich nichts von gesehen, von so was, dass die da... Deswegen bin ich ja so erstaunt, dass ich hier… So einen Massenmord habe ich nicht gesehen."

In einer Vernehmung im Jahr 2003 gestand Gropler allerdings ein, Zivilisten in einem Dorf mit zusammengetrieben zu haben. Auf Befehl habe er sie auch bedroht:
Zitat:
"Eine Person der Gruppe wollte nach rechts gehen, obwohl sie nach links gehen sollte…Dann habe ich zu der Person 'si nistra' gesagt. Hierbei habe ich meine Pistole auf ihn gerichtet. Er ist dann auch nach links gegangen und ich meine Pistole wieder einstecken."

In Wollin können viele nicht verstehen, dass die Gerichte noch heutzutage gegen einen Kriegsverbrecher vorgehen.

Dorfbewohnerin
"Aber das jetzt gerade wieder aufzurollen und dann so einen alten Mann, das ist mir alles nicht begreiflich."
Dorfbewohnerin
"Und was so früher war. Weiß ich, was mein Großvater gemacht hat. Kein Ahnung. Oder was er machen musste. Das weiß doch kein Mensch."
Dorfbewohner
"Ich sage bloß: Den Mann sollte man in Ruhe lassen. Es waren mehrere gewesen."

Karl Gropler selbst spricht nicht über das, was er damals im Einzelnen tat. Er verweist auf Befehle, denen er sich angeblich nicht widersetzen konnte.

Karl Gropler, ehemaliger SS-Mann
"Was hatte man denn da zu sagen: gehorchen oder an der Wand stehen, eines hat es doch früher bloß gegeben bei dem Verein."

Doch es ging damals auch anders: Einige zum Beispiel überlebten nur, weil ein SS-Offizier eine befohlene Erschießung einfach absetzte:

Enio Mancini, Überlebender des Massakers von Sant'Anna
"Direkt vor uns, auf einem Gestell hatten sie ein Maschinengewehr aufgebaut. Und das luden sie mit Munitionsbändern. Wir mussten aufstehen und warten. Es vergingen zehn, fünfzehn Minuten, die uns wie eine Ewigkeit vorkamen. Weil wir schon begriffen hatten, dass sie nun auf uns schießen würden. Wir warteten und wussten nicht, warum wir noch warten mussten. Dann kam ein Soldat, ein Vorgesetzter, wahrscheinlich der Offizier, der die Gruppe anführte. Er sah uns und fing an Befehle auf deutsch zu brüllen, er rief immer 'Raus! Schnell! Raus! Schnell!'."

Befehlsverweigerung, die Leben rettete. Historiker wie Wolfgang Wippermann haben jahrzehntelang keinen Fall gefunden, in dem ein SS-Mann bei Befehlsverweigerung umgebracht wurde:

Prof. Wolfgang Wippermann, Historiker FU Berlin
"Befehlsnotstand bedeutet, wenn ich verweigere, Verbrechen zu begehen, werde ich selber getötet oder hart bestraft. Das hat es einfach nicht gegeben. Das war dann eine Schutzbehauptung nachträglich in den Prozessen, die in allen Fällen nicht belegt werden konnte."

Solche historischen Tatsachen sind in Wollin kaum bekannt. Statt dessen verteidigen die Dorfbewohner ihren Nachbarn.

Übrigens: Laut Wehrmachtsbericht waren die Toten von Sant'Anna angeblich Banditen und Bandenhelfer. 150 Kinder wurden hier ermordet, das jüngste war zehn Wochen alt.

Beitrag von Sascha Adamek

Video:  http://www.rbb-online.de/_/fernsehen/magazine/beitrag_jsp/key=rbb_beitrag_4241026.html

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