Berlin: Walpurgisnacht, MayDay & more

2006 haben wir zum zweiten Mal die Walpurgisnacht am Boxhagener Platz in Berlin – Friedrichshain organisiert; in diesem Jahr unter dem Motto “ An anticapitalist meeting in Berlin.“ Beim letzten Gig waren 5-6000 Leute direkt auf dem Platz, weitere 2-3000 in den Seitenstraßen außerhalb der Bullencheckpoints außerhalb der Bullensperren. (Stahlkappen).
Inhaltliche Schwerpunkte waren unter anderem Protest und Widerstand gegen Abschiebung und Residenzpflicht sowie (Neo-)Kolonialeinsätze deutscher und europäischer Truppen in Afrika. Diesen Redebeitrag hielt Flaubert von der Flüchtlingsini Brandenburg (FIB) auf französisch, unsere Moderatorin machte die deutsche Übersetzung.
Es waren mehrere Flüchtlinge da; sie hatten auch ein Transparent der FIB dabei, mit der Aufschrift „ STOPP die Ausbeutung der Dritten Welt“.
Außerdem ging es um den erneuten Aufstand in Türkisch-Kurdistan sowie die gemeinsamen Gegenreaktionen der reaktionären Regimes in Ankara und Teheran.
Natürlich lehnen wir einen Nato-Krieg gegen den Iran ab, aber wir haben keinerlei Solidarität mit dem extrem antisemitischen und frauenfeindlichen Regime in Teheran.
Ein weiterer Part war die bundesweite Antifamobilisierung nach Wernigerode am 27. Mai, antikapitalistische und antifaschistische Aktivitäten am 1. Mai ( Euromayday, Rostock), sowie unser Verhältnis zur Kreuzberger Biermeile und unser Boykottaufruf dagegen.

Einige Highlights aus dem Kulturteil:
Die anarchistischen Liedermacher Teds n Grog fordern das Publikum auf, die Polizei mal kräftig auszulachen, als diese spontan ein Verbot von Plastikflaschen größer als einem halben Liter Inhalt verhängen will; im Anschluss bringen sie das „Knocking on Heaven`s Door“ – Cover „Klopf-Klopf-Klopf- an die Zellentür´“; eine Geschichte über einen unfreiwilligen Aufenthalt auf der Polizeiwache im Zusammenhang mit dem Konsum von Haschisch.
Die Wedding-Punks von Holla die Waldfee spielen mit großem Erfolg den „Polizisten“, was schon wie im vergangenen Jahr zu langen Gesichtern bei den Angesprochenen führt.
Dead Kaspar Hausers dissen das Stahlkappenverbot von der Bühne, als etliche Jugendliche mit genau diesem Schuhwerk zum Hardcore abpogen.
Auch bei A.C.K. rockt der Pogo richtig, u.a. bei dem Slime-Cover „Polizei, SA,SS“.
Tiefenrausch bringen nicht nur jeden Saal zum Kochen, sondern an Walpurgisnacht auch den ganzen Boxi, und spielen noch zwei Songs nach 22 Uhr, was zu langen Gesichtern bei den Verbingungsbeamten führt...

Das Polizeiaufgebot war massiv; u.a. standen Wasserwerfer und Räumpanzer am Frankfurter Tor und an der Frankurter Allee. Es gab einige Spannungen, u.a., als eine Hundertschaft Behelmter (die Kreuzberger E-Schicht) durch die zu diesem Zeitpunkt dicht gedrängt stehenden Menschen durchrockte.
Einmal brach eine Gruppe stahlkappentragender Jugendlicher durch eine Polizeikette, was bei den Cops nicht gerade Freude auslöste.
Alles in allem hielt Team Green sich erstaunlich zurück, so dass wie die Veranstaltung gegen 22 Uhr 15 plangemäß beendeten.

Einige Stunden später lösten die Cops dann laut Medien eine „Versammlung von 1000 Leuten auf“, die noch auf dem Platz geblieben waren. Dabei gab es 72 Festnahmen, meistens wegen angeblichen Besitzes von Dope oder „Waffenbesitzes“, womit wahrscheinlich Stahlkappenstiefel gemeint waren.

Auffällig war der Einsatz mehrerer Provokateure, die u.a. während des Gigs von Tiefenrausch sechs Eier in Richtung Bühne warfen. Eines davon traf den Gitarristen der Band, die kurzzeitig überlegte aufzuhören. Eine entschlossene Durchsage der Moderatorin gegen diese Schweine und ein kurzes Bandplenum konnten die Situation aber klären und der Gig ging weiter. Andere Provokateure versuchten, Jugendantifas Steine in die Hand zu drücken, worauf diese jedoch nicht eingingen.

Auf der Walpurgis haben wir dazu aufgerufen, das Kreuzberger Myfest komplett zu boykottieren, so dass der Charakter einer Biermeile nicht durch die Anwesenheit linker Gruppen verfälscht wird. Unsere Parties- selbstorganisiert, nicht staatskonform, sind ohnehin viel besser. Das hat Walpurgis auch gezeigt.
Wir halten es auch für sinnlos, an einem x-Berg-Mythos festzuhalten, der so einfach keine Grundlage mehr hat.
Das zeigt die Vielzahl der Kneipen, Imbisse und Läden, die die Biermeile unterstützen. Die finanziellen Anreize sind da offensichtlich doch stärker gewesen als die „revolutionäre Solidarität“. („WC-Benutzung 50 Cent, Sterni 1 Euro 50“). So etwas hätte es in den Jahren vor dem Myfest nicht gegeben.

Den Aufruf zu einer unangemeldeten Demonstration um 18 Uhr vom O-Platz haben wir nicht unterstützt. Auch hatten wir haben wir massive Probleme mit Parolen wie „Solidarität mit Iran“ aus dem 18-Uhr.Aufruf (s.o.)

Trotz martialischer Ankündigung der Bullen im Vorfeld, man würde eine unangemeldete Autonomen-Demo durch das Myfest sofort unterbinden, entschied sich die Polizeiführung für eine komplett andere Taktik.: In Anlehnung an das linke Konzept Spaßguerrilla führte man die „illegale Demo“ ad absurdum, indem man sowohl den Polizeipräsidenten Glietsch als auch die Berliner VS-Chefin als TeilnehmerInnen auf die Demo entsandte. Dass beide nicht erkannt und rausgeworfen wurden, ist allerdings ein Hammer und soll die OrganisatorInnen dieser Demo (das „autonome 1.Mai.Plenum“) der absoluten Lächerlichkeit preisgeben, was auch der Fall ist...

Im Gegensatz dazu haben wir uns über die unerwartet hohe TeilnehmerInnenzahl bei der ersten Euro Mayday in Berlin gefreut. Als UnterstützerInnen hatten wir ja auch dazu aufgerufen, u.a. während Walpurgis live in der Abendschau. Eine gelungene Mischung aus Redebeiträgen und Musik, mit netten Aktionen gegen „Prekäre Zonen“; sprich Supermarktketten mit absolut schweinischen Arbeitsbedingungen für die dort Beschäftigten, sowie ein gutes Konzi am Hermannplatz. Gegen 19 Uhr – als die 18 Uhr O – Platz Demo wirkungslos verpufft war – bekamen wir als Gruppe ungebetene Begleiter von der Berliner Zivibulleneinheit PMS („politisch motivierte Straßengewalt“). Am Herrmannplatz waren sogar deren Chefs ca. 1 h damit beschäftigt, uns zu observieren. Später übernahmen das wieder deren Untergebene. Offensichtlich hatten sie uns anderswo erwartet, aber autonome Linke tun nicht das, was staatlicherseits von ihnen erwartet wird.