1. Mai Rostock - Nichts als die Wahrheit...

Einer von Vielen 02.05.2006 21:14 Themen: Antifa
Eigenlob stinkt und ist unproduktiv! Die Proteste waren teils unorganisiert! Die Polizei war meist überorganisiert! Berichte vom Demo-Verlauf.
Hiermit möchte ich meinen Unmut über des folgenden Zitates äußern und dessen Aussage anhand meiner eigenen Eindrücke widerlegen.

"Unsere Demonstration war ein voller Erfolg", teilt Lea Große, Pressesprecherin des Antifaschistischen Aktionsbündnis 1. Mai, mit. "[…] Die Eskalationsstrategie der Polizei dagegen haben wir ins Leere laufen lassen."

Eigenlob stinkt! Ich möchte - auch in heißer Erwartung an den G8’07 - darauf hinweisen, dass man der Polizei zweimal mitten in die Falle gelaufen ist! Das war sicherlich kein Erfolg. Ich bitte diese vermeindlichen Verfassungsschützer nicht zu unterschätzen. Diese Leute werden dafür bezahlt sich Sachen auszudenken, die uns stoppen sollen – und sie haben leider, im Gegensatz zu uns, die Mittel und die Befugnis dazu!
Wir sind uns einig, dass wir das richtige tun, über die Zweckmäßikkeit lässt sich streiten, was es nicht weniger nötig macht. Ich wünsche mir lediglich mehr Organisation und Koordination innerhalb der Gegenbewegung, sowie eine Szenen-übergreifende Solidarität!

Nachdem die Demo auf der 'Langen Straße', auf Höhe des 'Uni-Platzes', zum Stillstand kam, wurde nach einem freien Weg in Richtung 'Steintor' gesucht. Nachdem anfängliche Versuche, über Seitenstraßen dorthin zu gelangen, mit massiver Rohheit auf Seiten der Polizei verhindert wurden, drängten einige Grüppchen durch andere Nebenstraßen, gehetzt von plötzlich auftauchenden Greif-Trupps, bis zur 'Buchbinder-Straße' vor. Nachdem ein Versuch sich dort zu sammeln scheiterte, bewegte sich der Großteil durch die 'Johannisstraße', da es inzwischen der einzig freie Weg war, von der Umkehr mal abgesehen.
In der 'Johannisstraße', praktisch mitten im Weg, empfing uns ein fetter Haufen Pflaster-Steine. Ob sich daran bedient wurde, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, was in folgendem Zusammenhang aber auch irrelevant erscheint. Denn ist es nicht verwunderlich, dass Polizeikräfte fähig sind, über die Hälfte der Gegendemonstranten am demonstrieren zu hindern, die halbe Stadt zur roten Zone zu erklären, 8 Wasserwerfer und anderes Gerät aufzufahren, … aber scheinbar unfähig sind, potentielle Gefahrenquellen wie einen Haufen Pflastersteine, ein paar hundert Metern vor der Nazi-Route deponiert, zu beseitigen!? Spekulation sind erlaubt!
Jedenfalls bewegte sich der übrige Rest durch einen Tunnel am Ende der 'Johannisstraße' auf die Steinstraße, wo man sich in einer Gasse aus Bauzäunen wiederfand, hinter denen sich zur Linken die Reste der Jobparade lautstark bemerkbar machten! Die Zäune wurden zur Rechten kurzer Hand aus dem Weg geräumt um sich weiter ins Ungewisse zu bewegen.
Das war der Moment, auf den die Polizei scheinbar gewartet hatte. Man ließ gezielt nur diesen einen Weg frei, um den erwähnten ersten Kessel zu schließen. Relativ panisch, da der Rest der Meute nicht bis auf die Steinstraße folgte, rannten ein Dutzend Leute, die 'Steinstraße' abwärts, während ihnen von Vorne zwei Dutzend Riot-Cops entgegenkamen. Diejenigen die beim Anblick eines anstürmenden menschlichen Panzers nicht stehen blieben und sich nicht haben umrennen lassen, schlugen Haken und versuchten über den 'Beginenberg' zu flüchten, der jedoch durch eine grüne Wand versperrt wurde. Gerade hatte ich die die klare Anweisung an diese Cyborgs vernommen; „Auf die Beine! Auf die Beine!“ da hatte ich auch schon den Stiefel eines übermotivierten Beamten an meinem Schienbein kleben. Ungewiss darüber was für Verletzungen mich bei einem Sturz erwartet hätten, stolperte ich mit anderen in einen Asia-Imbiss, um sich mit den letzten Flüchtlingen 'Hinter die Mauer' zu retten. Bei dieser Hetzjagd kamen mindestens zwei Personen zu Fall.

Ab hier bin ich nicht weiter Augenzeuge und beziehe mich auf Aussagen eines Festgenommenen. Der Rest, der inzwischen auf der Steinstraße-Ecke-Johannisstraße eingekesselt wurde, durfte dann bekanntermaßen einige Stunden dicht gedrängt darauf warten, einzeln abgeführt zu werden um die Tortur im BGS-Bus fortzusetzen! Eine weibliche Person ist infolge der erzwungenen Enge im Kessel zusammengebrochen. Der Abtransport folgte u.a. in die Gesa Waldeck, worüber die Insassen erst weit im Nachhinein informiert wurden.
Nach der üblichen Prozedur, die unüblich radikal vollzogen wurde, sodass beispielsweise die Leibesvisitation nicht immer bei der Unterwäsche endete, wurde man in Rostocks einzige Turnhalle mit Parkett-Fussboden gesteckt, um dort bis nach 1 Uhr Nachts festgehalten zu werden - als Vorwand wurde das andauernde Bunt-statt-Braun-Fest herangezogen. Die Insassen wurden mit Kabelbindern/Strapsen gefesselt, wobei einer ebenso seine Notdurft zu verrichten hatte. Teilweise saßen die Fesseln so fest, dass die Hände blau anliefen und zitterten. Dennoch wurden sie erst nach mehrmaligen Bitten und durch Rückhalt von Sanitätern gelockert. Man musste bis zu 10 Stunden auf seinen rechtmäßigen Anruf warten. Essen gab es keines und Trinken wurde ausnahmslos unzureichend gewährt. Die Insassen sahen sich überdies den üblichen Beleidigungen und sogar diversen Drohungen ausgesetzt! Nach Berichten kehrte ein Insasse mit Nasenbluten in die Halle zurück, nachdem er einen Beamten als Faschisten diffamierte – Spekulation sind erlaubt.
Die Anschuldigung gegen die Insassen lautet „schwerer Landfriedensbruch“ und beinhaltet das Errichten von Barrikaden und das Werfen von Steinen. Zudem wird ihnen zur Last gelegt ebenso Polizisten angegriffen oder es vorgehabt zu haben!
All diese Vorwürfe scheinen absurd, wenn man alleine den Zeitraum betrachtet, indem niemand Zeit gehabt hätte Barrikaden zu errichten. Die einzigen Barrikaden waren die Bauzäune vor Ort, die allerdings von der Polizei errichtet wurden und von denen, die des Errichtens beschuldigt werden, demontiert wurden, um dem nachrückenden Menschenstrom Platz zu machen! Der Vorwurf des Steine-Werfens kann gerechtfertigt sein, stellt aber in jedem Fall eine bewusste Provokation dar, da die vermeindlichen Wurfobjekte geradezu bereitgestellt wurden! Dass in dieser Situation, Polizisten von todesmutigen Demonstranten angegriffen worden sein sollen, ist schlicht eine Anmaßung. Die Leute sind wohl eher um ihr eigenes Leben gerannt.

Für den Teil der Demonstranten, der noch auf freiem Fuß war, hatte die Polizei inzwischen einen zweiten Kessel in der Erst-Barlach-Straße geplant. Das selbe Spiel - wieder war nur ein Weg möglich, näher an die Nazi-Route vorzudringen. In gewissen Zeitabständen füllte sich die Straße mit Gegnern. Am Horizont glänzten schon die ersten Glatzen, da formiert sich die Polizei hinter der Absperrung und bringt zwei der Wasserwerfer in Position, die von nun an bedrohlich in die ersten Reihen zielten. Zeitgleich wird die andere Seite der Straße von einem grün-weißen Auto-Korso dicht gemacht. Mit der Androhung, die Wasserwerfer würden losgehen, sobald der erste Stein fliegt, war die Eskalation vorprogrammiert.
Steine flogen, ob sie trafen, kann ich nicht beurteilen - Barrikaden fielen - Polizisten stürmten in die Reihen, die plötzlich keine mehr waren - inzwischen sind die Wasserwerfer nachgerückt - eine lächerliche 3-reihige Front hat sich vor den Werfern platziert und versuchte eine halbe Stunde lang Boden zu gewinnen - die Werfer setzen zwischendurch einen Meter zurück und wieder zwei Meter vor - Löscher mit Pfefferspray werden auf die Front gerichtet, wodurch diese zusammenbricht.
Was folgt, ist eine 2-stündige Hinhalte-Taktik mit anschließendem Spießrutenlauf durch eine Gasse aus Polizisten, an deren Ende in eine Kamera gelächelt werden durfte. Versuche, genug Masse für einen Durchbruch zu mobilisieren, scheiterten, obwohl das Potential und die Möglichkeiten bestanden.

Das war Rostock am 1. Mai 2006 - eine Niederlage? Nein, denn die Masse war da, doch eine noch größere wurde gehindert, sich anzuschließen.
Aber ein Erfolg? Nein, denn die vorhandene Masse hätte ausgereicht mehr zu bewegen, wäre sie von Anfang an geschlossener aufgetreten. Es liefen einige Aktionen, die allerdings genau in die Kalkulationen der Polizei passten! Es gibt also keine Lorbeeren, auf denen wir uns ausruhen könnten!
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Ergänzungen

Bestätigung

Autonomer 02.05.2006 - 22:14
Moinsen, deinen Bericht bezüglich Gesa können wir bestätigen, unsere Leutz wurden so ca. 0:30h entlassen. 7 Stunden im GEFA teilweise zu 3 oder 4 Leutz wo sonst nur einer is...
Ein großes LOB aber an den Rostocker EA welcher von Morgens bis spät in den nächsten Morgen hienein viel versuchte um den Leuten zu helfen, auch die Pennplatzvergabe soll so wie es mir berichtet wurde echt Super gewesen sein, also wie gehabt dafür noch ma ein großes LOB an den EA-Rostock!!!

Das wichtigste wurde vergessen

A 02.05.2006 - 22:52
Der Polizeiensatz diente der Vorbereitung auf den G8. Gegen 5000 Polizisten, eine abgeriegelte Innenstadt (Test für Gelbe und Rote Zone) konnte wohl nichts gemacht werden. Kaum jemand kam durch. Diejenigen, die durchkamen waren zuwenige. Wenn die Antifagruppen eine Schuld trifft, dann daß sie die Polizeistrategie nicht berücksichtigt hatten.

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@xxxxxxx — Kein Rostocker