Erste revolutionäre 1. Mai-Demo in Potsdam

victor serge 01.05.2006 14:34 Themen: Soziale Kämpfe
Es begann auf der etwa 250-300 Menschen starken traditionellen Gewerkschftsdemo, wo sich 50-60 Leute hinter einem grünen Transparent mit Wildcat und dem Schriftzug: FRANZÖSISCH LERNEN - Nieder mit der Lohnarbeit - Kapitalismus abschaffen, versammelt hatten.
Der schwarz-rote Block (der mit der schwarzroten Regierung nichts - mit den schwarzroten Fahnen der anarchistischen Gewerkschaftsbewegung viel zu tun hat) lief am Ende der Demo, war aber zeitweise benahe so laut wie der Spielmannszug der vorneweg vor sich hintrommelte. Die Mitgleder der großen Zentralgewerkschaften die im hinteren Teil des Demozuges liefen, konnten sich Parolen wie "Alles für alle und zwar umsonst", "Stress, kaum Geld und keine Zeit -. Das ist freie Lohnarbeit" anhören; was sie teils irritiert, teils freundlich aufnahmen. Ungewöhnlich müssen sie es auch gefunden haben, da sie den ersten linksradikalen Block auf einer potsdamer ersten Mai – Demo gesehen haben, der jemals existierte.

Nach ein paar hundert Metern der sehr kurzen Demoroute, wedelte plötzlich eine schwarzrote Fahne aus einem leerstehenden Haus in der Charlottenstrasse - beim naherkommen konnte man auch Transparente und vermummte Gestalten entdecken.. Die leider nur symbolische Hausbesetzung löste großen Jubel und lautes Skandieren von Hausbesetzerslogans aus, die in der ehemaligen BesetzerInnenhochburg Potsdam durchaus noch geläufig sind. Vom Rest der offiziellen Demoroute zum Luisenplatz ist nichts wichtiges, zu sagen der Gedanke aufkam, einfach weiterzulaufen. Gesagt getan: Statt lange Reden gutbezahlter Funktionäre zu hören und dabei Würstchen zu kauen und Bier zu trinken, versuchten die schwarz/roten DemonstrantInnen zaghaft mit dem "Französisch lernen" zu beginnen und bogen unangemeldeterweise in den "Broadway", die zentrale potsdamer Flaniermeile ein. Die damit entstandene erste revolutionäre erste Mai Demo in Potsdam lief ungehindert ein ganzes Stückchen (die meisten potsdamer Bullen sind nach Berlin abkommmandiert) und löste sich schliesslich auf. In der Nähe der Scheinbesetzung auf.

Bilanz:

Festnahmen: keine
Aufsehen: relativ groß
Teilnehmerzahl: dafür dass ja noch die scheiss Naziaufmärsche ver/behindert werden müssen und es ein erster Versuch war recht gut
Stimmung: ein bisschen mehr power täte nicht schlecht, aber nun haben wir können ja bis zum nächsten jahr noch viel französisch üben

Alles in allem ganz gelungen.


Dokumentation des Aufrufs des LinkenBündnisPotsdam
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FRANZÖSISCH LERNEN

Während in Frankreich gerade eine fiese “Arbeitsmarktreform” durch
Massenproteste, durch Streiks und durch millitante Aktionen verhindert
wurde, herrscht Stillstand in Deutschland. Stillstand nicht bei
neoliberalen “Reformen”, sondern bei den Bewegungen dagegen. Zwar gibt es auch hierzulande Streiks, Demonstrationen gegen Studiengebühren und
ähnliches. Doch fehlt den Protesten noch die Dynamik mit der Staat und
Kapital ernsthaft unter Druck gesetzt werden könnten.

KLASSENKAMPF STATT SOZIALPARTNERSCHAFT

Anstatt auf (faule) Kompromisse zu hoffen sollten wir – Lohnabhängige, Erwerbslose, Ein-Euro-JobberInnen und Studierende - wieder lernen zu kämpfen!
Die Bewegung gegen die Abschaffung des Kündigungsschutzes von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Frankreich zeigt uns, dass wir gewinnen können. Und nicht das Betteln um einen netten Kompromiss bringt uns voran, sondern (Selbst)Organisierung für Streiks und Sabotage wie gemeinsam Krank feiern oder gemeinschaftlich die Bänder anhalten. Dass wir hierbei nicht auf die Funktionäre staatstragender Gewerkschaften vertrauen dürfen, liegt auf der Hand. Es liegt an niemandem anderen als an uns selbst, die Gesellschaft und die Welt zu verändern - und das betrifft die Abschaffung des Kapitalismus!

WARUM DIE BETEILIGUNG AN DER DGB-DEMONSTRATION?

Die “radikale Linke” hat sich lange in subkultureller Selbstisolierung;
oft gepaart mit weitgehender Ignoranz gegenüber sozialen Bewegungen geübt.
Wir denken, dass es an der Zeit ist, aus diesem Schneckenhaus
herauszukommen. Und halten die 1. Mai-Demo eine gute Gelegenheit unsere Ablehnung des Kapitalismus auszudrücken. Das gilt in jeder Stadt, also auch in Potsdam und weil wir hier leben, fangen wir hier damit an.

Nieder mit der Lohnarbeit!
Kapitalismus abschaffen!
Heraus zum 1. Mai – hinein in den schwarz-roten Block!

10:00 Platz der Einheit


Schlussbemerkung: Bei allem Demonstrieren sollte uns Klar sein, dass die Stärke einer sozialen Bewegung nicht ausschließlich in Demonstrationen liegt, sondern Demonstrationen nur Ausdruck einer Stärke sein können, die wir in unserem Alltag entwickeln müssen – Heraus zum 1. Mai, dann weiter in unseren Jobs und auf den Fluren der Armutsverwaltung...

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Dokumentation des Aufrufs der FAU
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Endlich in die Offensive!


Der Kapitalismus verändert sich. Kurzgefasst heisst das: Weniger
Zuckerbrot und mehr Peitsche. Was das für uns bedeutet liegt auf der Hand.
Jobs mit Tarifvertrag werden von Billigjobs verdrängt – in Brandenburg hat
Bezahlung nach Tarif mittlerweile Seltenheitswert.
Sozialversicherungspflichtige Stellen werden drastisch abgebaut
(bundesweit seit Anfang 2005 über 400000 stellen) und durch
Teilzeitstellen, sonstige prekäre Jobs und staatlich verordneten
Arbeitszwang ersetzt. Die Zahl arbeitender Armer nimmt ständig zu, während
Sozialleistungen gekürzt werden. Wir sollen mehr arbeiten und das für
weniger Lohn.

Als am 1. Mai 1886 in den USA über 400000 ArbeiterInnen in den Streik
traten, um ihre Forderung nach dem 8-Stunden-Tag durchzusetzen,
begründeten sie die Tradition des 1. Mai als Kampftag der Arbeiterklasse.
Nach 120 Jahren müssen wir feststellen, dass wir immer noch – oder schon
wieder! - für den 8-Stunden-Tag kämpfen – und das bei einer seit 1886
unendlich gesteigerten Produktivität. Es ist nur allzu deutlich: im
Kapitalismus wendet sich für die Lohnabhängigen nichts zum besseren.

Organisieren wir uns selbst und kämpfen!
Revolutionäre Gewerkschaften überall (auch in Potsdam)!
Für das Ende der Lohnarbeit!
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Ergänzungen

Titel etwa missverständlich

.. 01.05.2006 - 14:55
erstmal super das was in Potsdam läuft, aber ein revolutionärer Block auf einer Demo und eine eigene revolutionäre Demo sind doch zwei ganz unterschiedliche Sachen. Von daher ist der titel wohl etwas unglücklich und missverständlich.

Titel genau genommen zutreffend

aufmerksam lesend 01.05.2006 - 16:54
das was aus der DGB-demo ausscherte und sich ein stueck in die einkaufsmeile bewegte war ab dem zeitpunkt der physischen trennung von der angemeldeten DGB-demo eine eigene (spontan-)demo. ob dabei etwas umgestuerzt wurde (revolution=umwaelzung) oder ob das adjektiv als (symbol-)politische richtungsangabe aufzufassen ist, waere wieder ein anderes thema.

Na Na

Potsdamer 01.05.2006 - 22:52
Der "erste linksradikalen Block auf einer potsdamer ersten Mai der jemals existierte", ist ja wohl etwas übertrieben. Bereits anfang der Neunziger gab es in Potsdam sogar eine eigene Revolutionäre 1.Mai Demo mit ca 500 Leuten. Hat sich dann aber in den nächsten Jahren wegen der Nähe zu Berlin zerschlagen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Besetzung — Abrafax

'revolutionär'? — fragender