Tschernobyl-Jahrestag in Lüneburg

LIgA 27.04.2006 18:11 Themen: Atom Repression Ökologie
In Lüneburg haben zahlreiche Aktionen zum Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe statt gefunden – wie in vielen anderen Städten auch : Mahnwache, Lesungen, Infostände, Straßentheater , Podiumsdiskussion,Vorträge. Der Staat hat an diesem Tag auch Zeichen gesetzt: 4 AktivistInnen mußten sich wegen Sitzblockade bei einem Castortransport vor Gericht verantworten.
Die Stadt ist bekanntlich die Einsatzzentrale der Polizei bei Castortransporten. Die Fleißige Behörde ermittelt das ganze Jahr über gegen Castorgegner. Sie hat hierfür vor Jahren eine Sonderkomission, die Ermittlungsgruppe CASTOR eingerichtet. Jede Ordnungswidrigkeit wird verfolgt, egal ob es um eine Sitzblockade oder das Erklettern von einem Baum geht. Repression gegen AtomkraftgegnerInnen muss sein.
Zahlreiche politische Verfahren finden in Folge dessen vorm lüneburger Amtsgericht statt. Am 26. April ging es um die Sitzblockade in Langendorf beim Castortransport 2004.
Die Richterin verdoppelte -wie in allen ähnlichen Verfahren auch- die Geldbuße. Die AktivistInnen gaben selbsverständlich zu, sich an die Sitzblockade beteiligt zu haben und erläuterten ausführlich ihre Bewegsgründe.
Aber die Justiz ist eine Art Kaspertheater , die Repressionsorgane haben ihre Rolle gespielt, es wurde verurteilt. Bürger sollen anscheinen für die Wahrnehmung ihrer Rechte bestraft werden, indem die Geldbuße erhöht werden. Richterin und Staatsanwalt betrachten die AktivistInnen nicht als Menschen, sondern nur als Betroffene. Sie zogen sich hinter unzählige Gesetzartikel zurück. Eine Schweigeminute für die Opfer der Tschernobyl-Katastrophe wurde nicht geduldet. Im Saal waren zwei Vertreter der Polizeidirektion anwesend. Sie spielen im Verfahren keine Rolle, dürfen aber der Verhandlung beiwohnen. Als ein Aktivist die übliche Polizeigewalt bei Castortransporten beschrieb fühlten sich die beiden Polizisten belästigt und versuchten ihre Behörde miserabel zu verteidigen. Im Raum wurde gelacht, so dass Zuschauer aus dem Saal ausgewiesen wurden. Eine Zuschauerin ließ sich aus dem Raum wegtragen. Eine kleine Vorführung für die Richterin, damit sie sehen kann wie Mensch sich bei Sitzblockaden wegtragen lässt ? Es wurde jedoch nicht geprügelt -großer Unterschied!

Schon im Vorfeld von Aktionen und Demonstrationen macht die Stadt es den AtomkraftgegnerInnen so schwer wie möglich, ihren Protest zu Ausdruck zu bringen. Es werden immer wieder wahnsinnige Auflagen erteilt (5 seitig für eine einfache Lesung!), Verbote werden ausgesprochen (Zeltaufbau verboten wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit un Ordnung... ).

Zahlreiche Veranstaltungen haben trotzt dessen stattgefunden. Am frühen morgen vom 26. wurden Absperrungen rund um Spielplätze in der Stadt festgestellt. Schilder mit dem Hinweis auf Radioaktivität wurden an den Absperrungen aufgehängt – wie vor 20 Jahren.

Am Nachmittag wurden Jodtabletten mit einem Aufklärungsblatt verteilt. Wir dokumentieren hierzu den Inhalt dieses Schreibens:

von: Stadt Lüneburg, Jahr 1000 Stark und demnächst verstrahlt

An sämtliche Haushalte der Landkreis Lüneburg


Katastrophenschutz-Maßnahmen in der Umgebung des Kraftwerks Krümmel,
Ausgabe von Jodtabletten



Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,


Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat durch Langzeitstudien wichtige Erkenntnisse über die Auswirkungen des Reaktorunfalls in Tschernobyl gewinnen können. Diese Erkenntnisse betreffen auch Erkrankungen der Schilddrüse. Daher werden die Jodtabletten an die Bevölkerung vorsorglich ausgegeben.

Warum und wann sollen Jodtabletten eingenommen werden?
Jodtabletten sollen im Fall des Austritts von Radioaktivität die Anreicherung des radioaktiven Jods in der Schilddrüse verhindern und damit Gesundheitsschäden vermeiden. Deshalb sollen Jodtabletten nach einem kerntechnischen Unfall, bevor eine radioaktive Wolke in einer bestimmten Größenordnung austritt, von der Betroffenen eingenommen werden. Jodtabletten sollen nur nach Aufforderung der Katastrophenschutzbehörde eingenommen werden. Desweiteren sollen Personen über 45 Jahre keine Jodtabletten einnehmen, weil es bei ihnen aus betriebswirtschaftlichen Gründen keinen Sinn mehr machen würde.

Verhaltensregeln bei einem Zwischenfall
Was haben wir aus Tschernobyl gelernt? Ein Super-GAU ist auch in Deutschland jederzeit möglich. 20 Jahre nach dem Reaktorunfall, haben wir beschlossen, die Bevölkerung über die wichtigsten Verhaltensregeln bei einem absolut Unwahrscheinlichen Zwischenfall am KKW Krümmel aufzuklären.
Sollte sich einmal trotz der extrem hohen Sicherheitsvorkehrungen beim KKW Krümmel oder bei einem Atommülltransport etwas Unvorhergesehenes und möglicherweise Gefährliches ereignen, beachten Sie bitte folgendes:
1. Ruhe bewahren
2. Jodtabletten vor Austritt der radioaktiven Wolke einnehmen
3. Den Raum abdichten
4. Anweisungen abwarten
5. Abgrenzung des Unfallsgebietes: Verlassen Sie auf keinen Fall ohne ausdrückliche Genehmigung von Sicherheitsbehörden das abgegrenzte Gebiet. Sollten verstrahlte Personen, Gegenstände oder Kleidungsstücke das unmittelbare Gebiet verlassen, so wird dadurch nur die radioaktive Verseuchung ausgedehnt. Es wäre nach einem solchen Unfall auch sinnlos, dies zu versuchen, da das als Unfallort definierte Gebiet von Sicherheitskräften abgeriegelt werden würde. Sie machen im Notfall, von der Schußwaffe Gebrauch, so wie es die regionalen Katastrophenschutzpläne vorschreiben.

Risiko lohnt sich: Kernkraft bedeutet Wachstum zum Wohl der Nation
Der Betrieb von Atomanlagen trägt bekanntlich zum Wohl der Energieversorger und somit der Nation bei. Wir Stromanbieter versorgen Haushalte reichlich mit Werbung und verhindern erfolgreiche Energiesparmaßnahmen, die nur den Umsatz gefährden würden. Denn mehr Umsatz, führt zu mehr Wachstum. Die Vorräte an Uran reichen noch gut zehn Jahre aus.
Die Betreiber bemühen sich selbstverständlich um die Sicherheit von Atomanlagen. Aber wir wollen und können einen möglichen Schadenfall leider nicht mehr ausschließen.

Eine Reaktorkatastrophe wie in Tschernobyl würde in unsere Region jedoch nicht nur Nachteile mit sich bringen. Arbeitsplätze im Kernkraftgeschäft blieben gesichert. Hunderttausende von so genannten Liquidatoren – wie in Tschernobyl – würden in den ersten Monate zur Abmilderung der Auswirkungen der Katastrophe zum Einsatz kommen. Desweiteren arbeiten heute noch 3000 Menschen an der Sicherheit der Ruine vom Kernkraftwerk Tschernobyl. Für die deutsche Volkswirtschaft wäre dies von Vorteil, denn das sozialverträgliche Frühableben der Katastrophenhelfer würde die Sozialkassen massiv entlasten.

Info-Hotline: 04152-150

Kernkraftwerk Krümmel GmbH & Co.oHG
Elbuferstr. 82 21502 Geesthacht

Betreiber: Hamburgische Electricitätswerke AG
und: E.ON Kernkraft GmbH
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Ergänzungen