Russ. Medienzensur bei Protest gegen Pipeline

Natalia Podkovyrova 25.04.2006 22:58 Themen: Medien Weltweit Ökologie
Bei den Protesten gegen die geplante Ölpipeline am Baikalsee schweigen sich die russischen Medien aus. Putin setzt das UNESCO Weltkulturerbe aufs Spiel.
Schreiben Sie einen Brief an Präsident Putin.
„Baikal, wir schützen dich!“


Seit Wochen demonstrieren die Bürger im sibirischen Irkutsk und in der gesamten Region um den Baikalsee gegen die geplante, mit 4200 Kilometern weltweit bisher längste Öl - Pipeline von Zentralsibirien bis zum Japanischen Meer. Ein Teilstück dieser Pipeline, welche im Auftrag von Transneft gebaut wird, soll mit einem Abstand von nur 800 Meter am Nordufer des Baikalsees entlang führen. Außerdem würde die Öltrasse 130 Flüsse und Bäche, darunter große Zuflüsse des Baikals, überqueren. Würden an diesen Stellen Unfälle passieren, wäre eine schnelle Verbreitung des Öls im See wohl kaum zu verhindern.

Der Baikalsee, welcher seit 1996 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört, ist das größte Trinkwasserreservoir der Welt und enthält 20% des gesamten Trinkwasservorrats der Erde. Das Ökosystem des Sees könnte durch diese Pipeline vollkommen zerstört werden. Weiterhin würde sie auch eine große Gefahr für Flora und Fauna darstellen. Viele Tier- und Pflanzenarten im und um den Baikalsee herum sind epidemisch.

Zweimal ist der Bau in einer Abstimmung des Expertengremiums von Rostechnadzor (Umweltaufsichtsbehörde der Russischen Regierung) abgelehnt worden, da die Gefährdung des Baikalsees zu groß wäre. Die Leitung von Rostechnadzor unter Konstantin Kulikowski lehnte allerdings die Entscheidung des eigenen Fachgremiums ab und ernannte 34 weitere, neue zuständige Experten, die sich in drei Gruppen mit einzelnen Abschnitten beschäftigen sollten. 2/3 der Experten wurde auf diese Art und Weise von einer intensiven Beschäftigung über den kritischen Abschnitt am Nordbaikal ausgeschlossen bzw. teilweise gar nicht zur entscheidenden Sitzung eingeladen. Auch die Beteiligung der Öffentlichkeit wurde stark beschränkt. So sprachen sich am 01.März 2006 37 der 60 Experten für das Projekt aus, 26 der Experten waren nicht anwesend! Auch wenn das Projekt weiterhin stark umstritten blieb genehmigte somit Rostechnadzor die baikalnahe Trassenführung.

In den vergangenen Wochen kam es zu einer großen Protestbewegung: es wurden Briefe an Präsident Putin geschrieben, Demonstrationen organisiert, auf welchen Unterschriften gegen den Bau der Pipeline gesammelt. Auch im Internet gibt es unter  http://www.baikalwave.eu.org/Eng/BDN/BDN_letter.htm die Möglichkeit, seine Unterschrift abzugeben. Bisher sind 60 000 Unterschriften zusammen gekommen.
Jedoch scheint die Regierung bisher nicht merklich auf die Proteste der Bevölkerung einzugehen.
Bislang schwiegen die Russischen Medien um die Problematik der Pipeline und auf die Warnungen von Wissenschaftlern gibt es, wie es zu diesem Zeitpunkt scheint, von offizieller Seite her keine Reaktion. Auch wenn das Gebiet im Norden des Baikalsees sehr erdbebengefährdet ist und durch diese Umstände noch leichter Unfälle passieren können, wird von der Regierung aus technologischen und finanziellen Gründen auf die kürzere Strecke entlang des Baikalsees beharrt.

Bisher hat auch die Drohung von UNESCO, den Baikalsee von der Liste der Weltkulturerben zu streichen, sollte der Bau der Pipeline zustande kommen, noch keine Wirkung gezeigt. Auch wenn dies ein großer Prestigeverlust für Russland wäre unternimmt die Regierung nichts, um das Projekt zu stoppen.

Es fanden bereits drei Demonstrationen unter dem Motto „Baikal, wir schützen dich!“ in Irkutsk statt, die 3. am vergangenen Samstag, den 22. April 2006. Für diesen Tag waren auch Demonstrationen in Moskau, Ulan-Ude und weiteren Städten um den Baikalsee angesetzt. Viele der Demonstranten drücken mit ihren Parolen und Plakate ihren Unmut gegen die Moskauer Politik aus. So ist auf den Plakaten immer wieder zu lesen: „Der Baikal ist teurer als Öl“ und „Verschmutzt doch die Umwelt in Moskau und lasst Sibirien sauber“. Organisiert werden die Demonstrationen und Aufklärung der Bevölkerung hauptsächlich von regionalen Umweltschutzorganisationen wie der „Baikalwave“ und der „Baikalbewegung“ in Zusammenarbeit mit Greenpeace Russland.

Bereits im Juni soll mit dem Bau der Pipeline begonnen werden, so ist also schnelles Handeln gefordert. In der Zwischenzeit ist es den Umweltschutzorganisationen gelungen, eine gewisse Verbreitung an Informationen durchzusetzen. In lokalen Zeitungen sind einige Berichte über die Pipeline erschienen, doch die staatlich gelenkten Medien schweigen noch immer zu dem Thema. Wichtige Persönlichkeiten Sibiriens wie der Autor Valentin Rasputin und sogar der von Putin eingesetzte Gouverneur der Irkutsker Region, Alexander Taschanin, sprachen sich vehement gegen das geplante Projekt aus.
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Ergänzungen

Flash Mob in Tjumen

avtonom.org 26.04.2006 - 00:06
Am 22. April fand in Tjumen ein Flash-Mob zur Rettung des Baikal, gegen die Pläne von „Transneft“ eine Ölpipline im Baikalumkreis zubauen, statt. An der Aktion nahmen Aktivisten der „Autonomen Aktion“ Tjumen, der Organisation „Memorial“ und andere gleichgesinnte teil.

Am Eingang des Unternehmens „Sibneftprovod“ (Tochterfirma von „Transneft“) trafen sich circa ein duzend Leute.Sie schütteten in eine farbloses Glas sauberes, durchsichtiges Wasser. Dan warfen sie Geld hinein und füllten das Glas mit schwarzer und blauer Tinte auf. Der Sicherheitsservice der Ölfirma kam aus dem Firmengebäude und hielt mindestens drei Aktivisten fest und verbrachte sie in das Innere des Firmengebäudes. Die Sicherheitsbeamten waren mit de Situation völlig überfordert. Die herbeigerufene Miliz könnte ebenfalls keine vernünftige Strategie gegen diese Art irrationale Rebellion aufbringen und gab auf.

Der Flash-Mob wurde beendet.

Der Bau der Leitung hat schon begonnen

pravda-info 26.04.2006 - 00:28
Nach Informationen des „Kommersant“ haben die Vorbereitungen zum Bau der Pipeline längst begonnen. Obwohl die ganze Region dumpf devot an den Präsidenten appelliert, tut jener nichts. Der Maßstab des Widerstands verändert sich permanent und radikalisiert sich. Es werden auch Streiks und ein Referendum angedacht.

Wie der Gouverneur der Irkutsker Region Alexandr Tuschanin mitteilt, haben die Vorebereitung zum Bau der Pipeline Ostsibirien-Stiller Ozean längst begonnen. In der Rgion sind bereits 1.600 Wagons mit Rohren für die Pipeline angekommen. Die Bereitstellung der Rohre wird auf den Stationen Tajschet, Tschuna und Vichorevka vollzogen. In der Nähe des Baikal gibt es zur Zeit keine Vorbereitungen, sagte Tuschanin.

Ende April werden die ersten Arbeit an der Pipeline von Taischet aus beginnen, bestätigt der Präsident von Transneft Semen Bajschtok. Die Bauarbeiten werden von zwei Seiten durchgeführt, „von Skovorodina im Westen und von Taijschet im Osten“. Im Sommer 2008 soll die Pipeline beendet werden.

Insbesondere die Irkutsker Region ist betroffen, denn dort werden die größten und komplexesten Teile der Pipeline realisiert werden. So müssen die grossen Flüsse Angara, Ilim, Lena und der See Baikal überwunden werden.

mehr infos

ana 26.04.2006 - 12:46
mehr gibts im russischen indymedia:

Нет нефтепроводу – защитим Байкал!
 http://russia.indymedia.org/

noch mehr Repression - wer ÜBERSETZT?

ana 26.04.2006 - 13:16
Am Donnerstag dieser Woche findet in Tomsk (Sibirien) das deutsch-russische Gipfeltreffen (Merkel-Putin) statt.

Lokale AktivistInnen vor allem aus der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CKT ("Sibirische Konföderation der Arbeit") planen Proteste dagegen.

In der letzten Zeit gab es deshalb einige Repression gegen Aktive.

 http://ru.indymedia.org/newswire/display/14706/index.php
 http://ru.indymedia.org/newswire/display/14702/index.php
 http://ru.indymedia.org/newswire/display/14663/index.php

Kann jemensch fix überblicksweise die neusten Meldungen übersetzen?

Das Ganze ist ja auch deshalb so wichtig, weil damit ja quasi der 'reibungslose Ablauf' des Empfangs von Angela Merkel gesichert wird.

Bürgerproteste stoppen Baikal-Pipeline!

Vlad Putin 28.04.2006 - 00:06
"27.04.2006. ... Gestern zog Kreml-Chef Wladimir Putin unerwartet die Notbremse. ... Völlig überraschend forderte Präsident Putin ... die Route deutlich weiter nördlich der Küstenberge des Baikal zu verlegen. Die Bauarbeiten werden jetzt wie geplant an den beiden Endpunkten der Pipeline beginnen, während die Trasse im Baikalraum neu projektiert wird."

 http://www.aktuell.ru/russland/politik/buergerproteste_und_putin_stoppen_baikal_pipeline_3100.html