Spanien: Streik bei MERCADONA in Sant Sadurní

FAU-INFO 17.04.2006 11:14 Themen: Antirassismus Globalisierung Soziale Kämpfe
Mercadona ist mit rund 1,000 Märkten und mehr als 10 Milliarden Euro Jahresumsatz eine der größten und agresiv wachsenden Konzerne im spanischen Lebensmittel-Einzelhandel. In den riesigen Logistikzentren der Firma arbeiten besonders viele MigrantInnen aus Schwarzafrika und Lateinamerika unter prekären Bedingungen. Seit dem 23. März befinden sich ArbeiterInnen des größten katalanischen Logistikzentrums in Sant Sadurní d'Anoia (bei Barcelona) im Streik gegen ständige Schikanen und Übergriffe und für die Wiedereinstellung von vier CNT-Gewerkschaftern. Fast täglich finden in ganz Spanien Demonstrationen, Kundgebungen und andere Aktionen zur Unterstützung der Streikenden statt. Zur finanziellen Unterstützung der Streikenden gibt es zwischenzeitlich einen international Spendenaufruf für die Widerstandskasse.
Mercadona ist mit rund 1.000 Filialen und mehr als 10 Milliarden Euro Jahresumsatz eine der größten spanischen Einzelhandelsketten. Der Konzern ist auf Expansionskurs; im Jahr 2005 stieg der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um satte 18 Prozent, für das laufende Jahr ist die Eröffnung von fast 100 neuen Filialen geplant. Die ArbeiterInnen sehen davon wenig. Nicht zuletzt deshalb, weil die Konzernleitung mit der Gewerkschaft UGT und der gelben Hausgewerkschaft Sindicato Independiente de Mercadona einen Tarifvertrag mit der ungewöhnlich langen Laufzeit von vier Jahren und einer damit verbundenen "Friedenspflicht" abgeschlossen hat, der die Belegschaften ruhig halten soll. In den letzten Jahren haben sich die Arbeitsbedingungen in der spanischen Einzelhandelsbranche immer weiter verschärft. Die Kosten des gnadenlosen Konkurrenzkampfes werden wie üblich auf die Beschäftigten abgewälzt; prekäre Arbeitsbedingungen und Zeitverträge haben sich rasant ausgeweitet. Gleichzeitig ist aber auch die Konfliktbereitschaft vieler ArbeiterInnen gestiegen. Ein Indiz hierfür ist, dass ArbeiterInnen in den letzten zwölf Monaten in verschiedenen Märkten und Logistikzentren von Mercadona Betriebsgruppen der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft CNT gegründet haben.

Eine Betriebsgruppe gründet sich

Anfang 2006 bat eine Gruppe von ArbeiterInnen aus dem Mercadona-Logistikzentrum Sant Sadurní die CNT in Barcelona um Unterstützung angesichts einer Vielzahl von Schikanen durch das Management. Sie berichteten von extremer Ausbeutung und von rassistischen Übergriffen. Ganz besonders betroffen von den fremdenfeindlichen Schikanen seien die im Logistikzentrum beschäftigten PackerInnen, von denen viele MigrantInnen aus Schwarzafrika und Lateinamerika sind. Die beiden bislang im Betrieb vertretenen Gewerkschaften unternehmen gegen die Mißstände nichts - kein Wunder, denn sie bestehen lediglich aus den Gewerkschaftsdelegierten selbst, die teilweise selbst Leitungsfunktionen in der Firma ausüben. Als im Zuge der Diskussionen den ArbeiterInnen klar wurde, dass sie nur organisiert etwas an ihrer Situation ändern können, traten viele von ihnen der CNT bei. Diese wurde auf diese Weise schnell zur größten Gewerkschaft im Zentrum und ist zwischenzeitlich in praktisch allen Schichten und Teilbetrieben des riesigen Komplexes von über 2.000 Beschäftigten vertreten.

Repression durch die Firmenleitung

Die Repression durch das Management ließ nicht lange auf sich warten. Zunächst setzte es alle Hebel in Bewegung um zu verhindern, dass sich weitere ArbeiterInnen der CNT anschlossen. Als das nichts nützte und sich abzeichnete, dass es in Kürze zu einer größeren Auseinandersetzung wegen der ständigen Übergriffe und der Schikanen kommen würde, änderte die Firmenleitung ihre Taktik. Unter einem Vorwand setzte sie die Lohnzahlung für den Sekretär der CNT-Betriebsgruppe um sieben Tage aus und kündigte gleich darauf vier Aktivisten der CNT.

Streik

Kurz darauf, Anfang März, schicken 57 ArbeiterInnen aus der Sektion für Be- und Entladungen ein von allen namentlich unterschriebenes Fax an die Firmenleitung, in der sie ankündigten, in den nächsten Tagen ausführliche und detaillierte Berichte über die Schikanen zu veröffentlichen. In dem Fax wurde außerdem von der Firmenleitung gefordert, dass diese unverzüglich in Verhandlungen über die vollständige Rücknahme der Kündigungen und Sanktionen eintreten solle. Als eine Reaktion ausbleibt, beschließt eine Versammlung von 400 ArbeiterInnen in den Streik zu treten. Gefordert wird besserer Arbeitsschutz und die Ausgabe von Arbeitsschutzgerät, ein sofortiges Ende der ständigen Übergriffe und Schikanen, die Wiedereinstellung der entlassenen Gewerkschafter und eine Lohnerhöhung. Als Streikbeginn wird der 23. März, beginnend mit der Frühschicht festgesetzt, außerdem wählt die Versammlung ein Streikkomitee, das sich aus CNT-Mitgliedern zusammensetzt. Der Streik soll zunächst auf 10 Tage befristet sein. Für den Fall, dass das Management den Forderungen bis dahin nicht nachkommt, beschließt die Versammlung einen zweiten, dann unbefristeten Streik.

Der Streik beginnt wie geplant und eskaliert sofort, weil ein größeres Kontigent Guardia Civil (Staatspolizei) in trauter Einigkeit mit dem privaten Wachschutz von Mercadona verhindern will, dass die Streikenden - was ihnen rechtlich eigentlich zusteht - ihre KollegInnen informieren können. Als die Polizei die Streikposten abzudrängen versucht, kommt es zu Rangeleien und einigen leichteren Verletzungen auf Seiten der ArbeiterInnen. In den nächsten Tagen versetzt die Konzernleitung Beschäftigte aus anderen Logistikzentren in Spanien nach Barcelona um sie als Streikbrecher einzusetzen. Da die Streikbrecher in Firmenbussen von Barcelona zum Logistikzentrum gekarrt und von der Polizei durchgeschleust werden, verteilen die Streikenden in den nächsten Tagen vor der Abfahrt der Busse in Barcelona Flugblätter. Gleichzeitig rollt die Welle der Unterstützungsaktionen an. Wie bei Kämpfen anarcho-syndikalistischer Gewerkschaften bewährt, wird der Konflikt schnellstmöglich ausgedehnt und durch eine Imageschädigungs-Kampagne ergänzt. Überall in Spanien finden derzeit Aktionen in Mercadona-Filialen statt, die über die miserablen Bedingungen im Logistikzentrum von Barcelona und bei Mercadona ganz allgemein informieren. Eine Boykott-Kampagne gegen Mercadona wurde zwischenzeitlich ebenfalls organisiert. Zur Unterstützung des Streiks finden inzwischen nahezu täglich Demonstrationen und Kundgebungen in der Innenstadt Barcelonas statt, bei denen auch schon einmal der Verkehr kurzfristig zum Stillstand kommt.

Unterstützt die Widerstandskasse!

Nachdem die Firmenleitung den Forderungen der Streikenden nicht nachgekommen ist, begann am 4. April der unbefristete Streik. Nun wird Solidarität noch aus einem anderen Grund wichtig. Wie die meisten anarcho-syndikalistischen Gewerkschaften unterhält auch die CNT keine permanenten Streikkassen. Wenn es darauf ankommt, können die Streikenden staatdessen mit der Solidarität ihrer GenossInnen rechnen. Aufgrund der großen Zahl der ArbeiterInnen und der Bedeutung des Streiks ruft die CNT zwischenzeitlich auch international zu Spendensammlungen für die Streikenden auf.

Die FAU hat zu diesem Zweck ein Konto eingerichtet, von dem aus wir wöchentlich die Spenden gesammelt an die Streikenden überweisen. Bitte überweist eure privaten Spenden, Überschüsse aus Konzerten, Veranstaltungen, Solidiscos oder was euch sonst noch einfällt an:

FAU
Konto 96152201
Postbank Hamburg
(BLZ 20010020)
Stichwort "Mercadona Streik"

Den Spendenstand werden wir auf www.fau.org dokumentieren. Wer nicht möchte, dass sein Namenskürzel dort veröffentlicht wird, schreibe bitte "N.N." mit in den Verwendungszweck der Überweisung. Auf unserer Website haben wir auch eine Sonderseite eingerichtet, auf der euch über den weiteren Verlauf des Streiks informieren werden.

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