Letzter Prozesstag gegen BVG Kontrolleure

Kurt Hocker 07.04.2006 19:43 Themen: Repression
Am 6. April wurde Okan Cakmak von der Firma Wachschutz GmbH zu 15 Monaten
Haft auf Bewährung verurteilt. Das Amtsgericht Tiergarten befand ihn der
gefärlichen Körperverletzung an Fahrgästen für schuldig. Bei Urteilsverkündung war er der letzte von ursprünglich neun zivilen Kontrolleuren.
Das Ergebniss des Verfahrens ist ernüchternd. Die Konsequenzen für die Täter gering, für die BVG und ihre Söldnerfirma gleich null:
Okan Cakmak, wegen Raub vorbestraft, 15 Monate
Skinhead Thomas Harnau, vorbestraft, Freispruch
Cahit Sahan, Freispruch
Mehmet Yesilyurt, wegen Körperverletzung an Fahrgast mit 7 Monaten vorbestraft, Eingestellt
Dennis Brömmse, vorbestraft, ist nicht erschienen
Ugur Keskin, 1200 Euro Geldstrafe
Fabio Zaloso, 900 Euro Geldstrafe
Emil Kamel, vorbestraft, ist nicht erschienen
Goekhan Guerkhan, wegen Körperverletzung an Fargast mit 6 Monaten vorbestraft, ist nicht erschienen. Gegen ihn wurde am Vortag ein anderer
Prozess eröffnet:
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Berliner Zeitung vom 6.April 2006
BVG-Kontrolleure sollen Fahrgäste geschlagen haben
Mitarbeiter von privater Sicherheitsfirma vor Gericht
Erneut muss sich ein Kontrolleur wegen Körperverletzung und Nötigung vor dem Berliner Amtsgericht verantworten. Dem 28-jährigen Gökhan G., der im Auftrag der BVG für die private Sicherheitsfirma Wachschutz Fahrkarten kontrollierte, wirft die Staatsanwaltschaft vor, im Mai, Juli und Oktober 2004 drei Fahrgäste bei Fahrkartenkontrollen zum Teil brutal geschlagen zu haben. Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe. Er sagt, er habe nur verhindern wollen, dass Schwarzfahrer flüchten.
Eine Zeugin stützte diese Aussage. Sie berichtete, bei dem Fall im Juli 2004 am U-Bahnhof Frankfurter Tor habe Gökhan G. versucht, einen Schwarzfahrer an der Flucht zu hindern. Er habe sich ihm lediglich in den Weg gestellt, wohingegen der Fahrgast den Kontrolleur geschlagen habe. Der Fahrgast sei dann zu Boden gegangen, Gökhan G. habe ihn festgehalten, damit er nicht wegläuft. Als Passanten fragten, was los sei, habe der Fahrgast geschrien, er habe Schmerzen und seine Stirn am Boden aufgekratzt, bis eine Wunde entstanden sei. Dann sei die Polizei eingetroffen. Ein anderer Zeuge arabischer Herkunft sagte dagegen aus, er sei im Mai trotz gültiger Fahrkarte von dem Kontrolleur durch einen Schlag zu Boden geboxt worden. Dann habe sich der Angeklagte auf ihn gesetzt und ihn ins Gesicht geschlagen. Außerdem sei er wegen seiner Nationalität beschimpft worden.

Gökhan G. wurde wegen des gleichen Deliktes bereits verurteilt und ist in einem weiteren Prozess angeklagt, bei dem es um die Misshandlung von Fahrgästen bei Fahrkartenkontrollen geht. Dieser Prozess begann im März und wird heute fortgesetzt. Insgesamt werden neun Kontrolleure der Firma Wachschutz beschuldigt, in zehn Fällen Fahrgäste geschlagen zu haben. Gökhan G. und ein Zeuge berichteten am Rande des Prozesses, in der Firma habe es einen großen Druck auf die Kontrolleure gegeben. Wer nicht genügend Schwarzfahrer erwischt hätte, sei vor Schichtende nach Hause geschickt worden und habe damit Gehaltseinbußen in Kauf nehmen müssen. "Bevor ich da gearbeitet habe, hatte ich eine völlig saubere Weste", sagt Gökhan G. Er hat mittlerweile gekündigt und sich mit einem Kiosk selbstständig gemacht.
"Wir standen unter großem Druck." Gökhan G., Angeklagter
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Das Gericht bewertete die Schuld der Kontrolleure nach dem sozialen Status
der Opfer, Gewalt gegen notorische Schwarzfahrer wurde überhaupt nicht
bestraft.
Die Motivation der Täter kam nicht zur Sprache, allesamt nach bürgerlichen
Maßstäben Kleinkriminelle die nun mit der Polizei zusammenarbeiten um
"parasitäres Verhalten" strafrechtlich zu verfolgen. Was treibt jemand dazu als Berufsdenunziant gegen seine eigene soziale Klasse zu arbeiten?
Bestimmt nicht nur das Geld denn alle Angeklagten beschwerten sich über geringen Lohn, schlechte Arbeitsbedingungen und wollten trotzdem nicht richtig gegen ihren Arbeitgeber aussagen. Von Staatsanwaltschaft und Gericht bestand kein Aufklärungsinteresse warum eine Firma aus vorbestraften Schlägern die Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr erhöhen soll. Kein Wunder, die gleiche Firma arbeitet bei Hausdurchsuchungen als Türöffner für die Polizei und wird wohl auch bei der WM die Sicherheit mitgarantieren.

Fragen zur Prügelpolitik beantwortet:
 http://www.wachschutz.de/

mehr infos zum Prozess aus der taz:
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Blauprügeln teurer als Schwarzfahren
Fahrkartenkontrolleur wird wegen mehrfacher schwerer Körperverletzung zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Zu Beginn des Prozesses hatten sechs ehemalige Wachschützer auf der Anklagebank gesessen
Wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen und Körperverletzung in einem Fall ist gestern der ehemalige Fahrscheinkontrolleur Okan C. zu insgesamt 15 Monaten Haft verurteilt worden. Die Strafe wurde auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Das Verfahren gegen einen weiteren Beschuldigten wurde gegen Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 900 Euro eingestellt. Damit endete nach fünf Verhandlungstagen der bislang größte Prozess gegen U-Bahn-Kontrolleure. Sie waren Mitarbeiter einer privaten Wachschutz-GmbH, die Fahrgäste im Auftrag der BVG kontrolliert.

Im Laufe des Prozesses war die Zahl der Beschuldigten stetig gesunken. Am 9. März, dem ersten Verhandlungstag, waren noch sechs Wachschützer wegen insgesamt zehn verschiedener Vorfälle angeklagt. Ihnen wurde schwere Körperverletzung vorgeworfen, die sie zum Teil gemeinschaftlich ausgeführt haben sollen.

Gleich zu Beginn war jedoch das Verfahren gegen den Angeklagten Dennis B. abgetrennt worden. Laut Zeugenaussagen war er zwar an den meisten Fällen, für die C. nun verurteilt wurde, beteiligt. Weil er sich aber als Soldat auf Auslandseinsatz befand, war er nur schwer vorzuladen. Bei zwei weiteren Angeklagten wurde das Verfahren eingestellt, weil sie in ähnlichen Fällen schon verurteilt waren. Ein dritter wurde freigesprochen, weil sich nicht mehr einwandfrei nachweisen ließ, ob er bei der Tat auf dem Oberkörper des Opfers oder den Beinen gekniet hat. Der Großteil der Übergriffe hatte sich bereits zwischen Dezember 2002 und August 2003 ereignet. Entsprechend groß waren die Gedächtnislücken einiger ZeugInnen.

Der Geschädigte Christian S. trat im Prozess als Nebenkläger auf. Er war nach eigenen Angaben von zwei der Beschuldigten in der U-Bahn zunächst aggressiv aufgefordert worden, seinen Fahrschein und anschließend seinen Ausweis zu zeigen. Da der Kontrolleur sich nicht als solcher zu erkennen gegeben habe, habe er ihn nicht weiter beachtet, berichtet Christian S. Beim Aussteigen habe ihn dann ein Kontrolleur sofort angesprungen und ihm den Arm verdreht. Als er zum BVG-Dienstraum auf dem Bahnsteig abgeführt worden sei, habe ihm einer der Männer von hinten ins Haar gegriffen und ihm den Kopf an den Türrahmen geschlagen.

Rachegefühle hegt Christian S. dennoch nicht. Es gehe ihm nicht darum, die Beschuldigten hinter Gitter zu bringen, sondern um die Praktiken der BVG und der privaten Sicherheitsfirma Wachschutz, sagte der Geschädigte.

Lüko Becker, der Anwalt der Nebenklage, zeigte sich weitgehend zufrieden mit dem Urteil. Die Vorwürfe hätten sich im Großen und Ganzen bestätigt, meinte er am Rande des Prozesses. Zudem habe sich gezeigt, dass es sinnvoll sei, wenn Betroffene die Vorfälle zur Anzeige bringen. Er äußerte jedoch auch frei nach Bert Brecht Kritik: Man sehe nur die im Lichte. Und die, die im Dunkeln geblieben sind, seien die BVG und die Wachschutzfirma. Es sei für das Strafmaß entscheidend, ob der Befehl von oben kam oder ob die Kontrolleure aus eigenem Antrieb gehandelt hätten, so Becker.

Auch der Verurteilte Okan C. verwies in einem Teilgeständnis auf die Arbeitsbedingungen und entschuldigte sich für seine Vergehen. Er habe bei der Wachschutzfirma bald nach den Vorfällen gekündigt, weil er den psychischen Stress nicht mehr ausgehalten habe.

Amtsrichter Eberhard Lenz meinte denn auch in der Urteilsbegründung, dass die Kontrolleure unzureichend geschult und nicht auf psychische Ausnahmesituationen vorbereitet gewesen seien. Das rechtfertige jedoch nicht die teils brutale Gewalt, mit der vorgegangen worden sei. "In unseren Verkehrsmitteln dürfen schließlich keine Zustände herrschen wie im Wilden Westen", so Lenz. JÖRG MEYER

taz Berlin lokal vom 7.4.2006, S. 21, 132 Z. (TAZ-Bericht), JÖRG MEYER
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Statistisch gesehen gibt es in Berliner Bahnen fast genauso viele Übergriffe durch Kontrolleure wie durch Nazis. Die erste Generation der
zivilen Kräfte der Firma Wachschutz die 2002 zum Einsatz kam ist inzwischen komplett durch Gerichtsverfahren ausgefallen.
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Ergänzungen

Polizei offizieller Partner von Prügel-Kontro

Eberhard Schön 08.04.2006 - 01:28
Die Berliner Ermittlungsbehörde ist kürzlich eine Kooperation mit den Arbeitgebern (GSE Protect & Wachschutz, beide BDWS-Unternehmen) der Prügel-Kontros eingegangen. Die Berliner Polizei sorgt also künftig höchst persönlich dafür, dass keine Anzeigen mehr gegen private "Arge"-Kontros bei der Staatsanwaltschaft durchkommen.

Herzlichen Glückwunsch, Herr Bock-Petzold

 http://www.de.indymedia.org/2005/10/130813.shtml

Ausstiegskontrolle

unbekannt 08.04.2006 - 12:31
Zu den Praktiken der Kontrolleure:
Immer wieder gab es Diskussionen um die sogenannte Ausstiegskontrolle, d.h. Kontrolleure stehen auf dem Bahnhof und "erwarten" die aussteigenden Fahrgäste, zu dieser Methode gab es immer wieder Kritik, wie soll kontrolliert werden, wer im Zug saß, wer nur Freunde zur Bahn begleitet hat ? ... auf jeden Fall wird diese Ausstiegskontrolle immer noch durchgeführt und wohl auch von der BVG gefordert !

Kleinkriminelle beim Sicherheitsdienst

Ichweisswas 08.04.2006 - 21:15
Sicherheitsfirmen müssen bevor sie jemanden einstellen, dessen Personalien an das zuständige Ordnungsamt schicken. Dort wird mittels des "großen Führungszeugnisses" und anderer Quellen geprüft ob diese Person für diesen Beruf geeignet ist. Nur enn innerhalb von 2 Wochen vom Ordnungsamt kein negativer Bescheid kommt darf das Arbeitsverhältniss beginnen.