Offener WLAN-Funk in Italien illegal, aber...

Mario Behling 04.04.2006 20:56 Themen: Freiräume Medien Netactivism Soziale Kämpfe Weltweit
Offener Freifunk in Italien illegal, doch sechs Jungs aus Rom wollen trotzdem ein freies WLAN-Netz aufbauen. Fabrizio, Nino, Claudio, Jonathan, Pierreluigi und Angelo haben einen Traum. Sie möchten ein freies drahtloses Funknetz aufbauen. Eigentlich kein Problem, denn dafür gibt es bereits hervorragende Lösungen. Doch die sechs Jungs leben in Italien, in der Hauptstadt Rom. Der Betrieb von offenen drahtlosen Netzwerken ist in Italien verboten. Also, was tun? Auf keinen lassen sich die Jungs von ihrer Idee abbringen.
Nino hatte die Idee für das freie Netz in Rom. Fabrizio kannte er bereits von der Universität. Um weitere Gleichgesinnte zu finden, postete er die Idee in Foren und stellte eine Website ins Internet. In ihren Wohnungen probierten sie schon bald verschiedene Möglichkeiten für den Aufbau von drahtlosen Netzwerken aus. Als Vorbild dienten Lösungen von Communities in Seattle und Berlin. Obwohl sich vor allem die technische Lösung von Freifunk bald als sehr viel versprechend herausstellte, blieb das Problem der Rechtsunsicherheit in Italien vorhanden. Eine Gelegenheit Tipps von Freifunkern aus ganz Europa zu erhalten, bot sich den Italienern beim Freifunk-Community-Weekend ( http://freifunk.net/wiki/WirelessCommunityWeekend), das vom 24.3. - 26.3.2005 in Berlin stattfand.

Kurz entschlossen buchten sie einen Flug nach Berlin, erzählt Fabrizio. "Das war leider nicht so billig, aber sprechen wir nicht darüber. Wichtig ist, dass wir erfahren, wie andere Freifunker in Europa solche Probleme, wir wie sie haben bereits gelöst haben."

Claudio: Jetzt sind wir hier und atmen die Luft in dieser riesigen und interessanten deutschen Stadt "Berlino".

Mario: Und was interessiert euch bei dem Treffen der Freifunker in Berlin?

Nino: Wir interessieren uns besonders dafür, wie das in Deutschland mit Freifunk und dem drahtlosen Community-Netzwerk funktioniert. Ist das hier offiziell erlaubt? Ich verstehe das nicht. Wir leben doch in Europa. Wenn es hier erlaubt ist, müsste es doch auch in Italien möglich sein!

Fabrizio: Ja, uns interessieren viele Sachen. Erstens natürlich wie es mit den Gesetzen und der Legalität von freien Netzen in anderen Teilen Europas aussieht, aber wir haben auch viele technische Fragen oder Fragen zur Organisation und Möglichkeiten der Finanzierung von Netzen.

Claudio: Außerdem sind wir gekommen um die Berliner Freifunk-Community auch einmal persönlich kennen zu lernen und unseren Horizont zu erweitern. Ihr habt in Berlin wirklich schon eine coole Sache aufgebaut und mit der C-Base einen tollen Ort, wo ihr euch treffen könnt! Wie ist es möglich so einen coolen Ort zu haben? Wir möchten auch gerne so einen Platz in Rom.

Fabrizio: Die Atmosphäre in der C-Base und mit der ganzen Community in Berlin ist toll. Wir fühlen uns hier wie zu Hause. Wir kommen zum Beispiel einfach so her, setzen uns irgendwo hin und pluggen unsere Computer ein. Magnifico! Ist echt relaxt hier, ziemlich informell.

Nino: Und überall Leute, die die gleiche Leidenschaft haben - freie Software, freie Netze - Ja und die Berliner sind offenbar gar nicht streng. Wir sind erst um eins angekommen und haben schon Angst gehabt, dass wir zu spät wären. Wir hatten eben dieses ein wenig stereotype Bild von den Deutschen und haben gedacht alle sind auch ganz korrekt und präzise in der Community. Aber als wir ankamen haben wir verstanden, wie es zugeht in "Berlino". Da gibt es offensichtlich einen sehr entspannten Umgang zwischen den Leuten... Super!

Claudio: Man kann ganz einfach mit Leuten sprechen. Sie sind alle sehr aufgeschlossen und helfen einem oder beantworten deine Fragen.

Fabrizio: Es ist so leicht Leute kennen zu lernen!

Mario: Ich freue mich, dass es euch hier gefällt! Und sagt mal, wie habt ihr euch eigentlich kennen gelernt?

Fabrizio: Wir haben uns in der Uni kennengelernt, aber Nino hat die ganze Sache angefangen.

Nino: Ich habe in dem Magazin "Jack" etwas über eine Wireless-LAN-Community in Seattle gelesen. Das fand ich super. Dann habe ich mich weiter informiert und von vielen interessanten Projekten erfahren. Um weitere Leute zu finden, die mitmachen wollen, habe ich eine Website mit der Idee des Projekts und Mailinglisten und so weiter ins Internet gestellt. Auf unserer Emailliste sind bereits um die 400 Leute. Das Projekt stößt auf großes Interesse, obwohl es noch gar kein Netz gibt. Dann sind wir jetzt nach Berlin gekommen. Wir wollten sowieso irgendwann einmal nach Berlin um uns die Stadt anzugucken, aber mit dem Freifunk-Treffen ist es perfekt - alles kommt zusammen. Ich war bereits im November in Berlin. Damals hatte mir Cven bereits die Antenne auf dem Dach der C-Base gezeigt. Ich war ziemlich beeindruckt. Sven Ola erklärte mir da auch die Software. Zurück in Rom haben wir sie alle zusammen ins Italienische übersetzt. Dann konnten wir einige Leute begeistern und uns mit ihnen zusammentun. Wir konnten bereits einige Testverbindungen herstellen.

Fabrizio: Das Problem ist aber, es gibt Gesetze in Italien, die es verbieten offene drahtlose Netze zu betreiben. Deshalb haben wir uns immer gefragt wie ihr das hier in Berlin macht. Wir haben gedacht die Gesetze sind überall in Europa gleich.

Claudio: "E stupido! Siamo tutti in Europa!"

Nino: Ich habe den Deutschen von unseren Problemen erzählt. Sie konnten das gar nicht glauben, aber die Leute aus Belgien hatten auch solche Gesetzte und verstanden das schon. Die Gesetze in Belgien wurden jedoch geändert. Ich hoffe das passiert auch in Italien.

Fabrizio: In den nächsten Tagen wollen wir erfahren, wie das in anderen Teilen Europas gehandhabt wird. Dann werden wir das auch in Italien propagieren. Na ja, wir suchen natürlich noch mehr Leute, die uns unterstützen.

Nino: Pedro, Fabrizio und Claudio haben bereits eine neue Website mit mehr Informationen gemacht: www.ninux.org. Wir müssen noch mehr Leute involvieren, um unser Anliegen in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und Unterstützer zu mobilisieren, damit die rechtlichen Probleme gelöst werden können. Wir müssen "un modo di farli", einen Weg finden das zu klären.

Claudio: Wir müssen einen Verein gründen oder eine Organisation initiieren, um Unterstützung zu bekommen, aber wir wollen uns nicht von irgendeiner politischen Organisation vereinnahmen lassen.

Nino: Ja, aber es gibt bereits Leute, die uns helfen, zum Beispiel wollen uns auch einige Professoren an der Universität Tor Vergata (Roma II) und an der Universität Roma Tre unterstützen. Diese Gesetze sind ein echtes Problem! Mit solchen Gesetzen bleiben wir in Italien immer hinterher und haben nicht die gleichen Chancen wie der Rest Europas. Das behindert nicht nur uns beim Aufbau einer größeren Community, sondern den Fortschritt allgemein. Was wir wollen ist ganz einfach - die gleichen Rechte wie der Rest Europas. Es darf nicht illegal sein freie Netze zu betreiben und Internet drahtlos zur Verfügung zu stellen!

Mario: Ich wünsche euch viel Erfolg!

Claudio, Fabrizio, Nino: Danke! Grazie!

Mario: Danke für das Interview!



Fotos vom Freifunk-Community-Weekend:
 http://www.flickr.com/photos/tags/freifunk/


Mehr zu Freifunk
Detaillierte Anleitungen zum Mitmachen gibt es auf den verschiedenen Websites der Freifunker. Einmal pro Woche trifft sich die Community zudem in der C-Base (www.c-base.org) in der Nähe der Jannowitzbrücke. Auch neue Mitstreiter und Interessierte sind dort immer willkommen.
„Jeden Mittwoch kann man in der c-base in der Rungestrasse 20 in Berlin alles lernen was man zur Teilnahme am olsrexperiment braucht - vom Antennenbau bis zur Accesspointkonfiguration.“ (olsrexperiment.de)
Freifunk Initiative,  http://www.freifunk.net
OLSR Experiment,  http://olsrexperiment.de
Freifunk-Software für Access Points:  http://sourceforge.net/projects/ff-firmware
Berliner Freifunk-Mailingliste:  https://www.olsrexperiment.de/cgi-bin/mailman/listinfo/berlin
IP-Verwaltung:  http://olsrexperiment.de/index.php?option=com_ipvergabe&Itemid=65

Berliner WLAN-Seiten
Wlanhain  http://www.wlanhain.de
RetroNet Berlin,  http://www.retroberlin.de
WLAN Hohenschönhausen & Weißensee,  http://www.wlanhsh.de
Kuhfunk in Berlin,  https://wiki.in-berlin.de/twiki/bin/view/Kuhfunk

Zum Thema
Telepolis: Freie drahtlose Bürgernetze, Teil 1,  http://www.heise.de/tp/r4/artikel/12/12554/1.html
Telepolis: Freie drahtlose Bürgernetze, Teil 2: Consume - der kollektive Verbrauch von Bandbreite Free,  http://www.heise.de/tp/r4/artikel/12/12633/1.html
Networks Community,  http://www.freenetworks.org

Wireless Network Community in Rom: www.ninux.org
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benny 04.04.2006 - 21:39
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Auszug von:  http://freifunk.net/wiki/ESSIDFreifunkNet

Verbote in Bananerepublik Italien?

Irgendwer 04.04.2006 - 21:53
Was ist der offizielle Grund für das Verbot in Italien?
In Italien, wo die Presse fast vollständig im Besitz von Berlusconi ist, tut sich glücklicherweise recht viel in Richtung freie Medien. Zweitweise gabs in Italien bis zu 100 Piraten-TV-Stationen. Im Netz gibts (auch auf deutsch) ein paar nette Videos über diese Szene.

danke

alex 04.04.2006 - 23:27
muss auch mal gesagt werden :)

zum thema:
"In Italien gilt seit einigen Wochen eine Registrierungspflicht in Internet-Cafés. Erstmals in einem EU-Staat müssen alle Besucher von öffentlichen Internet-Zugängen ihren Ausweis vorzeigen, bevor sie surfen dürfen.

Das Gesetz verpflichtet zudem die Besitzer der Internet-Cafés, die Dokumente zu kopieren und der örtlichen Polizei zur Verfügung zu stellen. Außerdem müssen sie protokollieren, welche Websites ihre Kunden ansurfen."

Kleine Korrektur zum Artikel

Seb 05.04.2006 - 00:04
Also direkt verboten ist Offener Freifunk wohl nicht. Das Problem ist eher, daß man ein Wlan-Netz anmelden muss, aber es wohl nicht ganz einfach ist, eine Erlaubnis zu erhalten. Eine entsprechende EU-Richtlinie (siehe die Bemerkung im Artikel "Ist das hier offiziell erlaubt? Ich verstehe das nicht. Wir leben doch in Europa. Wenn es hier erlaubt ist, müsste es doch auch in Italien möglich sein!") existiert eigentlich, wird aber in Italien scheinbar ignoriert, wäre also was für die Gerichte. Aber wer hat schon Lust, Jahre vor irgendwelchen Gerichten zu verbringen in einem Land, in dem sich rechtsstaatliche Strukturen in Auflösung befinden...

cb funk

figfyö 05.04.2006 - 02:41
es gab mal vor 10 jahren eine möglichkeit amigas über cbfunk zuvernetzen
cb ist glaube auch in italien legal

Freifunk ist schon verdammt cool...

Rene45 05.04.2006 - 17:05
...nur kein Stück verschlüsselt und da die Daten über die halbe Stadt gehen, können sie an einem beliebigen Ort mitgeschnitten werden(und bei den 100 000 möglichen Freifunk-Empfängern wird es wohl einen geben, der mitschneidet).
Wenn man also ein Mal vergessen hat, das s an das http anzuhängen, wenn man seine e-mails im web abgerufen hat, oder einmal versehentlich nicht ssl genommen hat beim pop Abruf(oder viel häufiger nicht beim smtp) und schon kann irgendwer die mails mitlesen, von online-banking ganz zu schweigen.
Zwar wird es Leute geben, die über Freifunk noch nie Tor ausgeschaltet hatten, ihre e-mails bisher immer Verschlüsselt abgerufen haben,... aber das wird die absolute Minderheit sein und die Vorstellung, dass wegen der fehlenden Verschlüsselung schon theoretisch 90% aller Freifunk Nutzer Passwörter und ähnliches publik gemacht haben ist doch sehr beunruhigend.
Dabei wäre es machbar, den Verkehr wenigstens bis zum Ziel zu verschlüsseln, dann könnte nur jemand mitlesen, der auch gerade der Endpunkt der Verbindung ist.

Fazit: Verdammt geniale Idee, nur leider sehr verantwortungslos umgesetzt.

Rene45 - Korrektur

Anm. 05.04.2006 - 18:05
Prinzipiel ist jede Internetverbindung - auch die über hekömmliche DSL-Leitungen abhörbar, nicht nur von den Behörden. Kann ich auch machen, wenn dich die IP desjenigen habe, der mich interessiert. Daß man verschlüsselte Mails verschickt und zusieht, daß die IP dynamisch ist, sollte generell eine Selbstverständlichkeit sein!

Korrektur der Korrektur

Rene45 05.04.2006 - 18:42
Du kannst nicht den Traffic einer beliebigen ip mitlesen. Du könntest höchstens, wenn du dich im selben Netzwerk befindest in der Hinsicht Chancen haben, aber nicht bei einem beliebigen Privat PC.
Und das ist der zentrale Unterschied, wärend die normale Internetverbindung sofort in die Dose geht und dann nur noch von privaten Leuten mit riesigem Aufwand und viel Fachwissen am entsprechenden Verteilerkasten abgefangen werden kann, fliegt die Freifunk-Netzwerk Verbindung über halb Berlin und kann auf diesem Weg von 100 000 mitgeschnitten werden.
Es reicht ja ein Psycho aus, der lässt mitscannen, filter alles was nach Passwort sieht raus und hat nach ein paar Wochen ohne Ende Daten.

Dass standardmäßig e-mails usw. verschlüsselt werden sollten ist klar, aber es reicht ein Mal aus, es nicht zu tun und schon ist das Passwort bekannt. Z.B. kann man ja beim Thunderbird "TLS, wenn möglich" einstellen: An 364 Tagen holt man die mails verschlüsselt und an einem Tag geht der Server nicht richtig und TLS steht nicht zur Verfügung, dann ist das Passwort weg.

Gerade die offene Schnittstelle, in die sich jedeR einklinken kann, sorgt dafür dass auch viele nicht sehr versierte das Nutzen, mit der Konsequenz, dass sie gar nicht wissen worauf sie sich einlassen und eventuell verherende Konsequenzen tragen müssen, nur weil die Leute sich nicht ein klein bißchen um eine angemessene Verschlüsselung kümmern können.

Vieleicht sollte einfach mal probeweise mitgescannt werden und die Daten einfach publik gemacht werden, dann halbiert sich zwar die Nutzerzahl, aber dafür sind die Leute gezwungen an der Stelle umzudenken.

TORhei schuetzt vor alter nicht ;)

yetzt 05.04.2006 - 21:31
siehe auch:  http://unixgu.ru/?go=tor

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