Otegi: "Am Beginn eines langen Prozesses"

Ralf Streck 03.04.2006 07:18
Letzte Woche wurde Arnaldo Otegi als Sprecher der baskischen Partei Batasuna (Einheit) bestätigt. Das Interview wurde mit ihm schriftlich geführt, als er am Mittwoch auf dem Weg zum spanischen Nationalen Gerichtshof war, wo er inhaftiert wurde. Über eine Kaution von 250.000 kann er wieder frei kommen. Anbei ein Auszug aus dem Interview. Das empfehle gesamte Interview, mehr als doppelt so lang, findet ihr bei:
 http://www.euskadinfo.net
Man will sie inhaftieren, weil sie zum Streik aufriefen und sie sogar für Anschläge der ETA an dem Tag haftbar machen. Andere wurden dafür inhaftiert, obwohl das nicht einmal der Staatsanwalt forderte. Gehen Sie in den Knast, obwohl die ETA letzte Woche mit einer permanenten Waffenruhe den Friedensprozesses startete?

Wegen unserer Erfahrung mit der Repression, halten wir alles für möglich. Die linke Unabhängigkeitsbewegung ist ihr von Frankreich und Spanien permanent ausgesetzt: Politische Ausgrenzung, polizeiliche Verfolgung, Inhaftierung, etc. Die Waffenruhe der ETA, hat an der „Roadmap” des Herrn Rodríguez Zapatero nichts geändert, die vor allem aus Repression in diversen Formen besteht.

Doch der spanische Ministerpräsident hat sich bewegt.

Als größten Schritt hat sich Zapatero die Erlaubnis vom Parlament zum Dialog mit der ETA geholt. Dieses neue Szenario wurde von denen geschaffen, die mit uns im „Nationalen Debattenforum“ arbeiten, die Rechte der Gefangenen verteidigen und den Aufbau des Landes vorantreiben. Die sozialistische Regierung verharrt autistisch vor der Forderung der Basken, ein Szenario für einen stabilen Frieden zu fördern. Die Repression muss aufhören, sonst ist klar, dass wir ihn nicht aufbauen können.

Was würde ihre Inhaftierung bedeuten?

Wir haben immer kollektiv gearbeitet und haben genug Leute, um das Niveau der Vermittlung zu halten. Eine Debatte über meine Person möchte ich nicht. Ich vertrete ja nicht Arnaldo Otegi, sondern einen breiten kämpfenden Sektor der Gesellschaft. Die Sozialisten müssen nicht mich als Vermittler billigen, sondern die patriotische Linke. Ohne Batasuna, mit allen Rechten versehen, kann es keinen Prozess geben. Angriffe auf uns sind Attacken auf den Friedensprozess.
Meine Inhaftierung wäre ein schwerer Entschluss, der zeigte, dass es noch keine demokratische Situation für den Beginn des Prozesses gäbe. Ich vertraue darauf, dass der spanische Staat begreift, dass diese Dynamik den Glauben in den Prozess untergräbt.

Sie wurden von einem Richter geladen, der der rechten Volkspartei (PP) nahe steht und sie schon letztes Jahr nur auf Kaution von 400.000 Euro laufen ließ. Nun fordert sogar das Ministerium für Staatsanwaltschaft ihre Haft?

Das macht der Richter nicht auf eigene Faust. Kein Staat begibt sich in einen Vorgang dieser Tragweite, ohne die Staatsapparate homogenisiert zu haben.

Ist mit weiteren Provokationen zu rechnen?

Dazu kann es in Friedensprozessen stets kommen. Es gibt Sektoren, die große Angst vor einem demokratischen Szenario haben. Führer der extremen spanischen Rechten stimmen ihre Leute auf eine harte Phase ein.

Wie werden sie damit umgehen?

Ich möchte an ein Konzept von Tomás Borge für die Revolution in Nicaragua erinnern: Die ungeduldige Geduld. Wir müssen geduldig sein, weil sich nicht alles über Nacht ändern lässt. Wir müssen ungeduldig sein, damit sich die Lage so schnell wie möglich ändert. Wir haben das Nationale Debattenforum, ein Abkommen mit der Basis und wir gehen vereint auf die Demonstration am Samstag in Bilbao. Die ETA hat ihren Beitrag zur kollektiven Bemühung geleistet. Aber, die die Gefangenen sind noch im Knast, die Angehörigen machen Besuche weiter in bis zu 1000 Kilometer entfernten Knästen und die bewaffneten Besatzer sind noch im Land. Wir befinden uns am Beginn eines langen Prozesses.

Die Frage der Zerstreuung der mehr als 700 Gefangenen über Spanien und Frankreich sorgt stets für großes Leid.

Mit der Frage müssen wir vorsichtig sein, denn es gibt ein Interesse, einen Prozess „Frieden für Gefangene“ zu schaffen, wie in den 80ern in Algerien. Wir wollen „Frieden in Demokratie und Gerechtigkeit“ im gesamten Baskenland. Die Repression gegen das Kollektiv der Gefangenen muss aufhören, ihre Würde respektiert und es muss aktiv beteiligt werden.

Der irische Priester Alec Reid hat bestätigt, dass Mitglieder von Sinn Fein und der IRA für ihn als Vermittler tätig waren und hat Sie für ihren Einsatz gelobt. Steht Irland Pate?

Der Prozess in Irland ist ein klarer Bezugspunkt für einen Friedensprozess unter demokratischen Vorzeichen. Wir haben dort viel gelernt und unsere Beziehungen sind eng und flüssig. Wir befinden aber in der Phase, wo Diskretion zur Vorsicht angebracht ist.

Wo liegt der Unterschied zum Friedensplan 1998?

Wir haben viel gelernt und erreicht, dass fast alle unsere Vorstellung teilen, sich an einen Tisch zu setzen und die neue politische Basis für unser Land auszuarbeiten, worüber die Bevölkerung zu entscheiden hat. Das Ergebnis muss Paris, Madrid und die EU respektieren. Niemand wird uns etwas schenken, deshalb müssen wir weiter kämpfen. Unsere Ansichten müssen im sozialen, politischen und gewerkschaftlichen Leben ihren Ausdruck haben. Das ist die beste Garantie dafür, dass ein Friedensprozess mit Erfolg abgeschlossen wird.

Was sind die konkreten Ziele?

Die ETA hat mit dem mutigen Schritt den Raum geöffnet, damit der politische Konflikt gelöst werden kann. Das Ziel ist nun, das Selbstbestimmungsrecht zu erreichen.

Gibt Batasuna die Unabhängigkeit und Sozialismus auf?

Natürlich nicht. Das historische Ziel, ein unabhängiges und sozialistisches Baskenland aufzubauen, besteht. Wir arbeiten auch weiter an einer sozialistischen Alternative für Europa, für die wir über eine Politik in den Massen und Institutionen eine Mehrheit erreichen müssen. Wir setzen dabei auf alle, die uns bisher unterstützt haben, bei denen wir uns herzlich bedanken.

© Ralf Streck den 31.03.2006
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