Dessau: 1000 bei Demo gegen Mord an Oury Jallow

schnackel 01.04.2006 21:23 Themen: Antifa Antirassismus Repression
Mehr als 1000 Menschen demonstrierten heute in Dessau für die Aufklärung des Todes von Oury Jallow im Polizeigewahrsam ANfang letzten Jahres. Die Demo war bunt, laut und lang.
Heute ab 13 Uhr trafen sich über 1000 Menschen aus ganz Norddeutschland am Dessauer Hauptbahnhof, um gegen den Mord an Oury Jallo und die Repression gegen Migranten in Dessau zu protestieren. Ungefähr um 15 Uhr ging es dann los, nach dem die Busse aus Hamburg und Bremen auch die letzten Polizeikontrollen überwunden hatten. Die Demo war schön laut und bunt, und bis auf ein paar Alkis waren auch alle besonnen genug und haben sich, wie von den Organisatoren gewünscht, nicht mit der Polizei angelegt, die ihrerseits eher sparsam vertreten war (aber wie blöde gefilmt hat, ohne besonderen Anlass). Leider waren die Ordner teilweise ziemlich autoritär, einer wollte sogar einen Typen schlagen, weil der nicht den Bürgersteig verlassen wollte. Und die Reden waren doch ziemlich lang und teilweise auch ziemlich schlecht. Es gab ein offenes Mikrofon, an dem einmal sogar der Tod von Oury Jallo mit dem Holocaust gleichgesetzt wurde.
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Ergänzungen

wer war oury jalloh?

tagmata 01.04.2006 - 22:33

Hintergründe

(muss ausgefüllt werden) 02.04.2006 - 02:20
Eine kurze Übersicht über den "Fall" Oury Jalloh gibts auf Wikipedia:  http://de.wikipedia.org/wiki/Oury_Jalloh

Bilder der Oury-Jalloh-Demonstration

lalalal 02.04.2006 - 03:17
Bilder der Oury-Jalloh-Demonstration gibt es online unter

 http://www.attac.de/halle/oury/images/ourydemo_2006

super!

but also critics! 02.04.2006 - 03:34
die demo war echt total super, viele menschen, sehr gute mischung, entschlossene stimmung
hier noch ein paar fragen und anregungen...
wenns eine bundesweite demo war, warum gibt es kein plakat und aufruf der in verschiedene städte geschickt wird? wäre einfach attraktiver gewesen, und hätte die lokal mobilisierenden gruppen entlastet. des weiteren eine internetseiten mit busabfahrtszeiten plus kontakt der jeweiligen städte...
dann einfach die frage nach lokalen bündnispartnern? gabs die? wo war zum beispiel die linkspartei, ohne jetzt irgendeine diskussion aufmachen zu wollen, aber um druck aufzubauen sind solche partner und darüber hinaus im aktuellen schlechten zustand der (radikalen)linken in deutschland nötig.
gute hätte ich gefunden wenn aus der demo raus an der polizeiwache ein Gedenkstein angebracht worden wäre, so als akt des zivilen ungehorsams

naja hinterher ist mensch immer schlauer, trotzdem voll geil dass so viele menschen am start waren...

was team green zur demo zu erzählen weiß

sagt einiges 02.04.2006 - 13:14
Dessau, den 1. April 2006


(DE) Demonstration verlief friedlich

Am 01.04.06 fand in Dessau in der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr eine Kundgebung mit anschließender Demonstration statt. Es gab ca. 500 Teilnehmer.
Die Veranstaltung verlief gewaltlos und friedlich.

Durch ein konsequentes Auftreten der Polizei sind Ausschreitungen verhindert worden.

Während des Einsatzes wurden durch die Polizei 18 Identitätsfeststellungen durchgeführt, 16 Personen durchsucht und 2 Strafanzeigen erstattet.

Am Einsatz waren insgesamt 500 Polizeibeamte beteiligt.


 http://www.asp.sachsen-anhalt.de/presseapp/data/pddes/2006/052_2006.htm

breite mobilisierung fand statt

hans 02.04.2006 - 18:39
Es hat Einen Aufruf der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh gegeben (siehe  http://thecaravan.org/files/caravan/demo_ouy-jalloh.pdf), der auf verschiedenen Websites und mailinglisten Publiziert wurde. Ausserdem gabe es in zahlrechen Städten Infoveranstaltungen zur Mobilisierung für die Demo. Leider ist Indymedia immer etwas allergisch auf Aufrufe zu Aktionen. Aber wie bereits angemerkt wurde: "naja hinterher ist mensch immer schlauer".

Die Vernetzung muss halt einfach noch verbessert werden.


Aufrufe, Dokumentation und weiteres der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh erscheinen auf den seiten:
 http://thecaravan.org -  http://www.thevoiceforum.org/ -  http://plataforma-berlin.de/

Ein Bericht der Initiative und Fotos folgen in Kürze.

Wenig Bullen?

xyz 02.04.2006 - 20:27
ich hatte den eindruck, dass relativ wenig Bullen da warn.
hab ich die andern nur nich gesehn? warum so wenig?

Tolle Demo

Frontline 02.04.2006 - 20:51
Sehr gelungene Demo! - trauriger Anlaß!
Aber jetzt hier rum zu heulen das ein paar Leute Bier getrunken haben...
So schlimm wars diesmal nich mit dem rumgesaufe!
Autoritäre Ordner sind mir nicht aufgefallen...
Die Reden waren nicht ohne Grund lang und haben alles gut Rüber gebracht und das ganze etwas persönlich und nachdenklich gemacht! - was ich gut finde...
Das nächste mal den Bullen drohen das die zerlegt werden wenn sie nicht aufhören grundlos zu filmen... wenn sie in Unterzahl sind wie diesen Samstag zumindest und wir die möglichkeit dazu haben!

ICH GLAUBE NICHT DAS EINER DER REDNER DEN HOLOCAUST REALTIVIEREN WOLLTEN!
Sie wollten bloß deutlich machen das diese Schweinerei auch sehr Schlimm ist aber das der Holocaus wo Millionen von Menschen umgekommen sind Millionen mal schlimmer ist kann sich jeder Linke glaube ich selbst denken!wenn man schlimm überhaupt sagen kann wenn Menschen ermordet werden
Mord bleibt Mord!

Dessau, Dortmund, Dachau!

war gut - was ist mit dessauern

bekannt 02.04.2006 - 22:11
ich fand die demo auch sehr gelungen, obwohl ich mich ueber den anlass kaum freuen kann. was mich die ganze zeit beschaeftigt ist, dass es scheinbar kaum leute aus dessau bei der demo gegeben hat. falls ich die zeitungsartikel richtig interpretiere, stoert sich die lokale initiative vor allem an der bezeichnung 'mord'. auch wenn ich das aus deren sicht - es gaebe bisher keine anhlatspunkte dafuer - verstehen kann, halte ich eine 'spaltung' in dieser angelegenheit fuer kontraproduktiv. selbst wenn mann davon ausgehen wuerde, das hier eine spontane selbstentzuendung stattgefunden haette, glaube ich, dass eine aufklaerung nur durch erheblichen und geschlossenen druck erreicht werden kann. und gerade das eigenartige verhalten der polizei und staatsanwaltschaft macht mich vorsichtig ausgedrueckt misstrauisch. irgendetwas kann da nicht stimmen. normalerweise ist die aufklaerungsquote bei toetungsdelikten sehr hoch. in dessau scheinbar nicht. auch aktionen wie die eltern des toten als nebenklaeger ausszuschliessen, scheinen mir ziemlich eindeutig darauf hinzuweisen, dass die justiz hier nicht wiklich handeln will ... wisst ihr alle. ich weiss. aber ich frage mich weiterhin, wie der druck zwecks aufklaerung erhoeht werden kann.

da faellt mir noch ein: kann man nicht einfach einen gentest machen um zu beweisen, dass die eltern die eltern sind? waere vielleicht ein anstatz. es gibt bestimmt noch mehr moeglichkeiten und ideen...

danke an alle beteiligten.

...

... 03.04.2006 - 00:19
...

...

... 03.04.2006 - 00:25
...

"Dessau, Dortmund, Dachau!".....? ...oha!

dessauer.., wenn dass von Relevanz ist 03.04.2006 - 00:28
...leider gab es wohl punktuell redebeiträge, die relativierende wendungen a la : "in deutschland wurden schon mal menschen verbrannt/mit gas ermordet..." die einen kontext zum grauenvollen tod oury jallohs herstellen sollten, was doch wohl schon eine relativierung (der singularität) der deutschen verbrechen während des nationalsozialismus darstellt, und aber auch bei jedweder trauer über den tod eines menschen, der vielleicht am ehesten auf rassistisch motivierte fahrlässigkeit und ignorranz zurückzuführen sein wird, würde ich dererlei vergleiche als nicht angebracht erachten...
trotzalledem empfand ich die demo selbst als teils turbulent aber sehr gelungen und kraftvoll, ...und es waren auch noch mehr "dessauer" anwesend (als ich) ....zahlen wie sie die pressemitteilung der polizei verkündeten (500!) ist wohl eher ein indiz dass das anliegen in der öffentlichen presse geschmählert werden soll...800-900 würde ich für realistisch halten .

gegen relativierung des holocaust, rassistisch motivierte (staats)-gewalt und für druck auf die behörden für eine lückenlose aufklärung der umstände des todes von Oury Jalloh!

...

.... 03.04.2006 - 00:29
....

...

... 03.04.2006 - 00:32
...

...

.... 03.04.2006 - 00:44
 http://no-racism.net/article/1620/

[ 02. Apr 2006 ]
Dessau: 1000 fordern Gerechtigkeit und Aufklärung des Mord an Oury Jalloh
Mehr als 1000 Menschen demonstrierten am 1. April 2006 in Dessau für die Aufklärung des Todes von Oury Jalloh, der am 7. Jänner 2005 im Polizeigewahrsam verbrannte. Doch die Vertuschung geht weiter...

Ab 13:00 Uhr trafen sich über 1000 Menschen am Dessauer Hauptbahnhof, um gegen rassistische Staatsgewalt, Vertuschung und Straflosigkeit zu protestieren. Ungefähr um 15:00 Uhr ging's los, nach dem die Busse aus Hamburg und Bremen auch die letzten Polizeikontrollen überwunden hatten. Die Demo war schön laut und bunt. Die Polizei war eher sparsam vertreten, hat aber viel gefilmt.

Im folgenden dokumentieren wir eine Aussendung der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh vom 31. März 2006:
Die neuesten Entwicklungen aus Dessau - Oury Jalloh: Die Vertuschung geht weiter

In den wenigen Tagen vor der bundesweiten Demonstration in Dessau für Aufklärung, Gerechtigkeit, Entschädigung im Mordfall von Oury Jalloh sind wir wiederholt mit der traurigen Wirklichkeit des institutionellen Rassismus und den Versuchen konfrontiert, dies zu vertuschen.

Zum einem haben wir gestern die Information von einer Journalistin und einem Menschen aus Dessau bestätigt bekommen, dass es jetzt entschieden worden ist: die Nebenklage der Eltern Oury Jallohs wurde abgelehnt. Nach wie vor bezweifeln sie, ob die Eltern tatsächlich die Eltern sind. Das, obwohl die verkohlte Leichnam von Oury Jalloh schon im März letztes Jahres zurück an die Eltern in Zusammenarbeit mit der Botschaft von Guinea geschickt worden ist.

Aber die Vertuschung des Mordes an Oury Jalloh geht viel, viel weiter als die koordinierten Versuche ein Gerichtsprozess zu verhindern und die Ausschließung der Familie und deren RechtsanwältInnen. Um die Vertuschung vollständig machen zu machen, müssen eben die Stimmen die sich dagegen aussprechen zum Schweigen gebracht werden. Dies ist der wahre Grund warum sie das Telecafé von Mouctar Bah geschlossen haben ? aus "öffentlichem Interesse". Obwohl sie behaupten, dass es um was anders geht, der Laden sei "stark frequentiert (Stadt Dessau)" von der Drogenszene und Mouctar habe nicht genug unternommen um Drogen von der Straße fernzuhalten. Da viele daran eine politisch-motivierte Bestrafung sehen, wurde eine "kleine Anfrage" beim Landstag gestellt, wo u.a. gefragt wurde: "Stellt die Polizei zwischen dem sich dort befindenden Callcenter [Mouctar Bah's Telecafé] und den Straftaten einen Zusammenhang her? Wenn ja, welchen? Wie wird das begründet?" Die Antwort von der Landesregierung, die gezwungen war ihre polizeilichen Kenntnisse offen zulegen lautete: "Der Landesregierung ist ein 'dort befindliches Callcenter' nicht bekannt." Das nennen wir Polizeiterror. Wir fordern Entschädigung für die Verfolgung von Mouctar Bah!

Letztens verurteilen wir die Versuche die Demonstration am kommende Samstag zu kriminalisieren und die Versuche uns davon abzuhalten, dass wir unsere Meinung in der Öffentlichkeit tragen: OURY JALLOH WURDE IN EINER POLIZEIZELLE ERMORDET.

Die Stadt Dessau und Polizei tun alles um Angst zu schüren, uns als "gewaltorientiert" zu bezeichnen und um unsere Stimme zum Schweigen zu bringen. Heftige Auflagen wurden uns aufgezwungen, u.a. dass wir das Wort Mord nicht benutzen dürfen. Die Widerspruch dagegen ist beim Verwaltungsgericht Dessau gescheitert. Die Ablehnung basiert sich zum Teil aus einem Urteil aus Frankfurt von... 1976 (!) Außerdem bestätigt das Gericht die extreme Gefahrenprognose der Polizei. Ihre Begründung: Zum Teil gelogene Einzelfälle von zwei vorherigen Demonstrationen in Dessau bezüglich des Mordes an Oury Jalloh, wobei sie jeweils zwei Beispiele benutzen, um die Forderungen nach Aufklärung, Gerechtigkeit und Entschädigung zu kriminalisieren. Unsere Beschwerde liegt zur Zeit beim OVG-Magdeburg.

Wir rufen alle solidarischen Menschen dazu auf, an der Demonstration teilzunehmen. Außerdem machen wir bekannt, dass wir eine friedliche Demonstration durchsetzen wollen und alle Provokationen und Eskalationen deutlich ablehnen. Wir fordern die Behörden dazu auf, unsere Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu respektieren und keine Gewalt auf einer Demonstration wo viele Flüchtlinge und MigrantInnen erwartet werden, ausüben!

AUFKLÄRUNG, GERECHTIGKEIT, ENTSCHÄDIGUNG
FÜR EINE FRIEDLICHE DEMO UND EINE SOFORTIGE ERÖFFNUNG EINES ÖFFENTLICHEN PROZESSES IM MORDFALL OURY JALLOH
SOFORTIGE ANERKENNUNG DER ELTERN OURY JALLOH´S
BESTRAFUNG UND ENTSCHÄDIGUNG FÜR DIE VERFOLGUNG VON MOUCTAR BAH!

Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, Berlin, 31.03.2006

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 http://www.asp.sachsen-anhalt.de/presseapp/data/pddes/2006/052_2006.htm

Polizeidirektion Dessau - Pressemitteilung Nr.: 052/06
Dessau, den 1. April 2006
(DE) Demonstration verlief friedlich
Am 01.04.06 fand in Dessau in der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr eine Kundgebung mit anschließender Demonstration statt. Es gab ca. 500 Teilnehmer.
Die Veranstaltung verlief gewaltlos und friedlich.
Durch ein konsequentes Auftreten der Polizei sind Ausschreitungen verhindert worden.

Während des Einsatzes wurden durch die Polizei 18 Identitätsfeststellungen durchgeführt, 16 Personen durchsucht und 2 Strafanzeigen erstattet.
Am Einsatz waren insgesamt 500 Polizeibeamte beteiligt.
Impressum:
Polizeidirektion Dessau
Pressestelle
Kühnauer Straße 161
06846 Dessau
Tel: 0340/ 6000-204
Fax: 0340/ 6000-210
Mail:  pressestelle@de.pol.lsa-net.de


Aufklärung wird gefordert

plataforma 03.04.2006 - 01:44
Aufklärung wird gefordert

500 bis 800 Teilnehmer einer Demonstration wollen «Das Schweigen brechen»

von Thomas Steinberg, 02.04.06, 18:34h, aktualisiert 02.04.06, 21:38h

Demo für Oury Jalloh
Mehrere hundert Demonstranten zogen am Sonnabendnachmittag durch die Straßen Dessaus und forderten eine rasche Aufklärung im Fall des verbrannten Oury Jalloh. (MZ-Foto: L. Sebastian)

Halle/MZ. Mehrere hundert Menschen haben am Sonnabend unter dem Motto "Break the silence" ("Das Schweigen brechen") für eine zügige Aufklärung im Falle Oury Jalloh demonstriert. Jalloh,

Asylbewerber aus Afrika, war im Januar 2005 unter bislang ungeklärten Umständen in einer Zelle des Dessauer Polizeireviers verbrannt. Man hatte Jalloh damals festgenommen, weil er betrunken eine Frau belästigt hatte. Bislang ist ein Verfahren nicht eröffnet worden, das Gericht hat von der Staatsanwaltschaft Dessau Nachermittlungen verlangt.

Die Polizei, mit mehreren hundert Beamten vor Ort, sprach nach Ende der friedlichen Demo von etwas mehr als 500 Teilnehmern, die Organisatoren der Demo, die Flüchtlingsinitiative Plataforma, schätzte deren Zahl auf ungefähr 800. Zum großen Teil kamen die Demonstranten, darunter viele Flüchtlinge und Migranten, aus dem gesamten Bundesgebiet nach Dessau.

Bei einer Pressekonferenz vorab erklärte Cornelius Yufanyi aus Kamerun, man stehe zur Verwendung des Wortes Mord im Falle Jalloh, so lange eine Aufklärung nicht erfolgt sei. Schließlich habe die Staatsanwaltschaft zunächst ihrerseits ohne nähere Klärung der Umstände von Selbstmord gesprochen. Erst am Vorabend der Demo hatte das Oberverwaltungsgericht Magdeburg entschieden, dass eine Auflage der Stadt Dessau, das Wort Mord auf der Demo nicht zu verwenden, eine unzulässige Beschneidung der Meinungsfreiheit darstelle.

Auf den von Demo-Teilnehmern mitgeführten Transparenten war dennoch von Mord nichts zu lesen, vielmehr wurde dort immer wieder der Vorwurf erhoben, die Staatsgewalt agiere rassistisch. In Sprechchören hieß es gelegentlich "Policia - Assassini" ("Polizei - Mörder"), eine Parole, die nach dem Mord an einem Demonstranten in Genua aufkam. Ein Redner verglich die Vorfälle in Dessau mit denen im Dritten Reich und beschuldigte den Staat, Ausländer auch physisch zu foltern.

Während der Demo waren sowohl Polizei als auch Organisatoren bemüht, das Konfliktpotential zu entschärfen. Die Polizei hielt sich zumeist im Hintergrund und zeigte nicht allzu auffällig Präsenz, zog sich auch einmal zügig zurück, als die Demonstranten einen anderen als den genehmigten Weg um das abgesperrte Gericht nahmen, während Ordner - vor allem Ausländer - verschiedentlich Linksautonome von Rangeleien mit der Polizei abhielten. "Wir trauern, wir sind nicht zum Spaß hier", ermahnte ein Sprecher allzu forsche Demonstranten. Selbst vorm Polizeirevier, wo die Demo ihren Abschluss fand, blieb es weitestgehend ruhig.

Hier betonte Cornelius Yufanyi, es sei ein großer Erfolg, so viele Migranten und Flüchtlinge auf die Straße bekommen zu haben. Er wiederholte auch die Mordthese und den Foltervorwurf: Jalloh hätte sterben müssen, weil er Afrikaner war. Er habe einen Alptraum, und der heiße Deutschland, wo Flüchtlingen Residenzpflicht auferlegt werde, ihnen Abschiebung und Tod drohe - Jallohs Fall sei kein Einzelfall. "Wir wissen nicht mehr, wem wir vertrauen können."

Starke Redebeiträge!

demoteilnehmerin 03.04.2006 - 12:21
Ich finde es kleinlich, in den Head-Beiträg zu schreiben, dass die Reden langweilig waren, ohne zu erwähnen, dass es unglaublich gute Reden gab. Großartig war die Rede von einem Caravane-Aktivisten aus Göttingen, die ich versuchen werde, schriftlich zu bekommen und hier zu posten. Ich möchte nur eine Stelle schonmal aus dem Kopf zitieren:

"Und ich habe keinen Traum wie Martin Luther King, nein! Ich habe einen Alptraum ... und der heißt Deutschland! Deutschland ist nicht nur rassistisch (...), DEUTSCHLAND MUSS AUCH VERÄNDERT WERDEN - VON UNS!"

Deutsche Linke müssen endlich anfangen, den Flüchtlingen und MigrantInnen zuzuhören, von ihnen zu lernen, ihre Eindrücke und Erfahrungen ernst zu nehmen und sie müssen aufhören, sie ständig belehren zu wollen ("also diesen Vergleich dürft ihr aber nicht machen, dudu!"). Das "Nie wieder!", hinter dem wir stehen (oder?), bedeutet, dass Unmenschlichkeiten NIE WIEDER, NICHT AN EINEM EINZIGEN MENSCHEN begangen werden sollen. Jeder Tote ist zu viel! Und wenn es dazu noch, wie in Deutschland, zu einem immer wiederkehrenden Vorfall wird (am 7. Januar starb noch ein Mensch bei einem Brechmitteleinsatz der Polizei in Hamburg!) und zusätzlich Vertuschung, Verschweigen und Gleichgültigkeit schon SYSTEM haben, dann darf man ruhig mit einem (zugegeben heftigen) Vergleich wachrütteln!

Ich schäme mich, wenn deutsche Linke den Flüchtlingen aus einem falsch verstandenen Gedenken heraus den Mund verbieten! Attackiert lieber solche selbstgefälligen Deutschen mit schmutzigen Westen und CDU-Parteibüchern, die auf ihren heuchlerischen Gedenkreden zu allen möglichen Jahrestagen das Wort Holocaust wirklich nicht in dem Mund nehmen dürften!

Knallt auf jeden Fall Eure Kritik nicht immer nur einfach so vor den Latz, sondern beginnt individuell eine ernsthafte Diskussion, wenn ihr findet, dass der Vergleich (der keine Gleichsetzung bedeuten muss!) unangbracht ist.


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Sehr gut war auch der Redebeitrag von der Antirassistische Initiative Berlin (ARI), den ich mit deren Erlaubnis hier poste:

Wie kann es sein, dass der Dessauer Pfarrer auf der Trauerfeier von Oury Jalloh wieder und wieder behauptet, Dessau sei nicht fremdenfeindlich, obwohl die offiziellen Zahlen eine andere Sprache sprechen? Ganz einfach: das Verhalten des Pfarrers ist ein Spiegelbild der deutschen Gesellschaft: es ist Ignorant, es verschweigt, es vertuscht, es vergisst, es verharmlost. Die Solidarität mit der eigenen TäterInnengemeinschaft ist nämlich wichtiger als die humanistischen Werte, die Deutschland so gern vor sich her trägt. Diese Gesellschaft will den rassistischen Alltag nicht anerkennen, weil das eigene Verhalten diesen rassistischen Alltag erst ermöglicht!

Die Polizeidirektion Dessau verzeichnete im Jahr 2005 einen Zuwachs von 70% an rechtsextremen Straftaten und gelangte so mit 238 Fällen im Jahr auf “Platz 1” in Sachsen-Anhalt.
Und was die Polizei anbelangt, die sich ja rühmen könnte, so viele Straftaten aufgedeckt zu haben: Es ist nicht das erste mal, dass in Zelle 5 jemand stirbt. 2002 kam dort Mario Bichtermann ums Leben. Aufsicht hatte derselbe Bulle wie bei Oury Jalloh, der Arzt war auch der selbe. Das Verfahren wurde irgendwann eingestellt.
Auch im Fall des Todes von Oury Jalloh soll das Verfahren eingestellt werden. Schließlich geht es diesmal nicht nur um Gewalt sondern auch um Rassismus in den eigenen staatlichen Institutionen – und der wird ohnehin konsequent verleugnet und verschwiegen.

Dies passt gut zum weit verbreiteten Phänomen in der bundesdeutschen Gesellschaft, jeder ernsthaften Auseinandersetzung mit Rassismus aus dem Weg zu gehen. Jedenfalls will sich kein Mensch mit seinem eigenen Rassismus auseinandersetzen – der wird lieber abgeschoben an die anderen: Rassismus wird als ”Randphänomen” dargestellt, als Problem des rechtsextremen Randes und höchstens noch als Problem der Jugend. Dass dieser Rassismus nur deshalb sich so austoben kann, weil er in der Mitte der Gesellschaft die Regeln dieser Gesellschaft bestimmt wird ignoriert.
Dass Rassismus nicht in seinem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang erkannt wird zeigt sich in der Selbstverständlichkeit mit der Gesetzen gegen AusländerInnen oder der Residenzpflicht gegen Flüchtlinge zugestimmt wird. Es bestätigt sich in der Schwerfälligkeit Deutschlands, ein wirklich effektives Antidiskriminierungsgesetz zu verabschieden!

Gerade in staatlichen Institutionen – und besonders bei der Polizei – sind rassistische Einstellungen und Verhaltensweisen weit verbreitet. Meistens reichen körperliche Merkmale – Schwarz- oder ”Of Color”-Sein – schon völlig aus, um rassistische Zuschreibungen wirksam werden zu lassen. Wie oft kam es schon vor, dass sogar bei rassistischen Übergriffen die herbeigerufene Polizei zuerst einmal die Opfer der rassistischen Gewalt festnahm! Ebenso häufig passiert es, dass Opfern rassistischer Gewalt von der Polizei kein Glauben geschenkt wird. Ganz zu schweigen von den alltäglichen rassistischen Sprüchen bei Ausweiskontrollen und Festnahmen.
Es ist auch nichts neues, dass Gewaltanwendung durch Polizeibeamte oft von KollegInnen gedeckt wird, so dass es nahezu unmöglich ist, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen! Im Fall Oury Jalloh bestätigt sich das einmal mehr.

Aber nicht nur einzelne Polizeibeamte, sondern auch die zuständigen Richter und die gesamte Bevölkerung, die den Tod Oury Jallohs in ihrer große Mehrheit einfach schweigend hinnimmt, ist verantwortlich dafür, die rassistische Polizeigewalt ungestraft zu lassen und auch weiterhin zu ermöglichen.

Das Schweigen, Wegschauen, Vertuschen, Verharmlosen und Vergessen gehört zur Grundausstattung unserer Gesellschaft. Dadurch wird es doch erst möglich, dass rassistische Handlungen an der Tagesordnung stehen und fast schon als selbstverständlich gelten! Diese Haltung, diese Solidarität mit den TäterInnen, führt tagtäglich dazu, dass Menschen hier in diesem Land Angst um ihr Leben haben müssen. Dessau ist immer wieder der Beweis dafür, wenn auch nicht der einzige, dass diese Angst berechtigt ist.

Wir fordern die Prozesseröffnung!
Wir fordern Aufklärung und Gerechtigkeit!

Weitere Fotos vom 1.April2006 Dessau

Sieben 03.04.2006 - 20:00
Weitere Fotos, einen Bericht und Sachverhalte zum Fall Oury Jalloh stehen auf  http://www.antifa-wolfen.de.vu zur Verfügung.

Nein, Nein, Nein

tirza 04.04.2006 - 22:40
Verdammt, Bergen-Belsen ist nicht mit den von Neonazis ermodeten Menschen in Berlin (dort gibt es ja leider inzwischen einige von Neonazis ermodete) oder Bad Breisig und Dachau nicht mit Dortmund und Dessau.

 http://www.shoa.de/content/view/234/46/ zu Dachau

 http://www.shoa.de/images/stories/Holocaust/kz_dachau_02.jpg

Die Bezugnahme auf die Shoa sowie die planmäßige, sadistische Ermordung von Kommunist(inn)en, "Asozialen", Roma und Sinti, Schwulen/Lesben macht eine furchtbare Sache (wie die Ermordung von Migrant(inn), Punx, Obdachlosen, Linken, Bunten usw. durch Neonazis/Rechtsextremisten nicht noch schlimmer als sie ist. Um diese Verbrechen als Verbrechen zu brandmarken bedarf es keinen Bezug auf das perfide System der ns-deutschen Konzentrations- und/oder Vernichtungslager. Relativierungen sind Tür und Tor geöffnet, wenn Dachau mit Dessau in einem Atemzug genannt wird. Als nächstes dann wohl Anstadt und Ahlbeck in einer Reihe mit Auschwitz. Nein danke.

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Dachau??? — io