Interview zur Perspektive im Baskenland

Asier Arraiz (Batasuna) 28.03.2006 03:32
Zur neuen Situation im Baskenland und den Perspektiven für die baskische Linke nach der Verkündung der Waffenruhe durch die ETA erschien in der linken italienischen Tageszeitung "il manifesto" am 23.3.2006 das folgende Interview mit dem Führungsmitglied von Batasuna, Asier Arraiz.
"Jetzt ist der Dialog eröffnet"

Es spricht Asier Arraiz (von der nationalen Leitung Batasunas)
Wendepunkt: Für die von Aznar verbotene Partei beginnt eine neue Ära, in der über die Zukunft des Baskenlandes diskutiert wird. Es sollen auch Entscheidungen über das Schicksal der 700 Gefangenen getroffen werden.

ALBERTO D´ARGENZIO

Asier Arraiz ist Mitglied der nationalen Leitung von Batasuna, dem von ((dem konservativen Ex-Ministerpräsidenten der PP)) Aznar verbotenen politischen Arm der ETA. Gestern war für ihn und die Anderen aus der Partei ein Tag "de locura" (des Wahnsinns).

Was bedeutet das Kommunique der ETA?

"Der ETA-Text schafft neue Bedingungen für einen Friedensprozess im Baskenland, um einen Dialog zu beginnen, der eine Lösung des Konflikts ermöglicht, so wie sie von der baskischen Gesellschaft gefordert wird."

Welches Ziel verfolgt das Kommunique?

"Ausgangspunkt ist der vor 1 ½ Jahren von Anoeta vorgelegte und von Batasuna unterstützte Vorschlag. Es handelt sich um einen auf zwei Dialogen beruhenden einfachen Prozess. Der erste zwischen ETA und den Regierungen Spaniens und Frankreichs über den militärischen Teil und der zweite in Form von politischen Verhandlungen, an denen alle Parteien und die Sensibilitäten des Baskenlandes (verstanden als die drei Provinzen, die die Region bilden, d.h. Alava, Biskaya und Guipozkoa plus Navarra und den drei französischen Provinzen Unteres Navarra, Labort und Sola; Anm.d.Red.) teilnehmen. Aufgabe dieser Verhandlungen wird es sein, ein Projekt auszuarbeiten, das der gesamten baskischen Gesellschaft innerhalb einer demokratischen Dynamik vorzulegen ist. Die Sozialistische Partei hat bereits gesagt, dass sie sich daran beteiligen wird."

Wie beurteilt Ihr dagegen die Reaktion der Vertreter der Volkspartei (PP)?

"Als die, die man von einer neo-francistischen Partei erwarten kann, die vor allem Angst bekommt, was nach Demokratie für das baskische Volk aussieht."

Wird Batasuna an diesen Verhandlungen teilnehmen?

"Ja, genau wie die übrigen Parteien."

Im Augenblick steht Ihr auf der Schwarzen Liste der EU…

"Diese Frage liegt in der Hand der spanischen Regierung. Wenn die Bedingung für einen Dialog die Abwesenheit von Gewalt ist, dann fordern wir, dass die Gewalt auf allen Seiten unterbleibt. Auch aufseiten des Staates."

Verurteilt Ihr Eurerseits die Gewalt der ETA?

"Nein. Das haben wir in 25 Jahren Geschichte nicht getan und werden es auch nicht tun. Deshalb wurden wir verboten."

Gestern gab es eine Gerichtsverhandlung gegen Alvarez, morgen diejenige gegen Otegi wegen der Demonstration am 9.März. Der Oberstaatsanwalt Conde Rumpido behauptet, dass dieser Prozess im Lichte des Waffenstillstandes nun überdacht wird. Ist das ein erster Schritt?

"Es ist der Augenblick des Kompromisses gekommen. Die ETA hat gezeigt, dass sie auf der Höhe der Zeit ist. Jetzt ist es an den anderen Parteien, damit zu beginnen Schritte in diese Richtung zu unternehmen. Und zu den anderen Parteien zählen wir auch Conde Pumpido und die juristische Macht, die ein Element sein muss, dass den Dialog nicht behindert."

Wird das Thema der Gefangenen bei diesen Verhandlungen zentral sein?

"Es ist wichtig, aber wir beteiligen uns nicht an diesem Prozess, um sie zu befreien. Es ist ein politischer Prozess, der in der Weise vorangebracht werden muss, dass das Volk über seine Zukunft entscheidet. Es müssen Entscheidungen über das Schicksal der 700 politischen Gefangenen getroffen werden, aber das ist Sache der Verhandlungen zwischen der ETA und den spanischen und französischen Regierungen."

Seid Ihr optimistisch?

"Wir sind aus einem einfachen Grund optimistisch: Nach 30 Jahren Kampf ist es uns gelungen, neue politische Koordinaten zu setzen. Der Dialog über die territoriale Reform des Staates hat begonnen und in diese Reform wollen wir die Variante der Selbstbestimmung des baskischen Volkes einbringen. Egal ob die Verhandlungen zu einem guten Ende gelangen oder ob sie scheitern."

Wenn sie nicht zu einem guten Ende gelangen, kehrt man dann zu den Waffen zurück?

"Das hängt von der ETA und von dem Punkt ab, an dem der Dialog abgebrochen wird."


((Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in doppelten Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover))
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Ergänzungen

Ibarretxe-Plan

Skeptiker 28.03.2006 - 20:02
So sehr ich allen BaskInnen (wie allen Menschen) ein Leben in Würde und Freiheit, ohne Gewalt, wünsche, bin ich etwas skeptisch, ob der Waffenstillstand wirklich den Durchbruch bringt.
Vor ca einem Jahr gab es den Plan des bürgerlichen baskischen Nationalisten Ibarretxe, das Autonomiestatut innerhalb Spaniens (also nur von 3 der baskischen Provinzen) zu erneuern , wenn im Gegenzug der span. Staat die baskInnen als Nation mit prinzipiellem Selbstbestimmungsrecht akzeptiert.
Dieser Plan ist nicht an ETA/Batasuna gescheitert, die dagegen waren, weil nicht das ganze Baskenland einbezogen werden sollte, sondern an der PP und letztlich auch der PSOE. Die PP wollte Ibrarretxe, der immer gegen die ETA war, sogar wegen Separatismus verhaften lassen!
Wenn schon diese milden Reformen am spanischen Zentralismus scheiterten, ist dann die neue Situation erfolgsversprechender?
Sicherlich ist ein Faktor, daß jetzt alle BaskInnen an einem Strang ziehen können, weil der Dissenz über die ETA- Militanz nicht mehr aktuell ist.
Andererseits verlieren die radikalen BaskInnen ein Druckmittel, bzw. setzen es jetzt gerade zum letzten Mal ein.
Das Karfreitagsabkommen in Nordirland hat zwar einen Friedensprozeß eingeleitet, aber die probritischen Loyalisten legen auch nach IRA- Selbstentwaffnung immer neue Forderungen nach, da sie ihre Privilegien nicht aufgeben möchten. Ich befürchte gewisse Parallelitäten.

trotzdem alle Solidarität nach Euskal Herria !

Schau mal

Paul 29.03.2006 - 18:30
Kann euch das lange Interview von Ralf Streck mit Joseba Alvarez nur empfehlen  http://www.euskadinfo.net/wp-content/uploads/2006/03/InterviewJosebaAlvarez , weil man darüber mal etwas genauer mitkriegt, wie die baskische Linke denkt, auch über die Unabhängigkeit und in welchem Rahmen sie das sieht. Siehe auch:  http://de.indymedia.org/2006/03/142521.shtml zu Neuigkeiten

Muss woh nun bei

Paul 30.03.2006 - 13:39
Euskadiinfo gucken. Da steht schon was zu Otegi:  http://www.euskadinfo.net/

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najajaja — egal