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Aufruf zur Antifademo in Dortmund

antifa 26.03.2006 15:49
AUFRUF ZUR ANTIFADEMO IN DORTMUND
ZUM TODESTAG VON THOMAS SCHULZ

Aufrufende Gruppen: A2K2-Westliches Ruhrgebiet; Antifa [X] Recklinghausen;
Kommunistische Initiative Dortmund; Antifa Essen Z

Am Ostermontag 2005 wurde der Punk Thomas "Schmuddel" Schulz in
Dortmund von dem 17 jährigen Nazi Sven Kahlin an der U-Bahn-Station
Kampstrasse niedergestochen und verstarb kurze Zeit später. Trotz ihrer politischen Marginalität in Dortmund und dem Ruhrgebiet können Nazis jederzeit zur mörderischen Gefahr werden. Anlässlich des Mordes an Thomas "Schmuddel" Schulz demonstrierten nur kurze Zeit später 4000 Menschen in Dortmund gegen Neonazis. Dazu hatte ein breites Bündnis antifaschistischer Gruppen aufgerufen. Der Mord bewirkte zwar kurzzeitig eine mediale Skandalisierung. Gegenüber dem im Jahr 2000 praktizierten 'Aufstand der Anständigen' blieb hier eine breite zivilgesellschaftliche Teilnahme an der Empörung aber weitgehend aus und es wurde nicht einmal mehr geschafft, die Bedeutung des Rechtsextremismus auf lokaler Ebene zu thematisieren. Die Tat wurde allein zum Konflikt zwischen linken und rechten Jugendbanden erklärt und schlussendlich durch das richterliche Urteil vollends entpolitisiert.
Uns geht es erstens darum, zu zeigen, wie die Gewalt von Nazis wie dem Mörder von Thomas Schulz in vielen Aspekten der alltäglichen Gewalt ähnelt aber dennoch vollständig anders zu behandeln ist. Und zweitens, warum die Öffentlichkeit als Bündnispartner für antifaschistische Ziele unter den Tisch fällt.
Von nationalsozialistischen Jugendbanden..

Der Täter Sven Kahlin gehörte bereits vor der Tat zum politisierten Umfeld der Dortmunder Nazis, war jedoch keineswegs ein Protagonist der organisierten Naziszene. Nach seiner Tat genoss er die volle Solidarität und wurde vor Gericht von einem Rechtsanwalt aus der Dortmunder Naziszene verteidigt. Täter/Opferkonstellation (Nazi/Punker), Motiv (Auseinandersetzung um rechte Parolen) und die offene Solidarisierung kennzeichnen den politischen Charakter der Tat. Tatsächlich bewegen sich Taten wie der Mord an Thomas Schulz, ebenso wie viele Nazimorde der letzten Jahre, aber auch in einer nebulösen Grauzone aus alltäglicher Gewalt und nationalsozialistischer Ideologie. Der Lifestyle von 'Assihools' und 'Nazikindern' wie Sven Kahlin, die den bei weiten größten und gewalttätigsten Teil der rechten Subkultur im Ruhrgebiet stellen, ist nicht das Resultat kontinuierlicher Politisierung durch organisierte Nationalsozialisten. Das Nazilabel, mit dem im Ruhrgebiet viele ihren Underdogstyle zelebrieren, ist dabei ebenso beliebig wie spezifisch deutsch, und damit nicht als unpolitisch zu verharmlosen. Es ermöglicht die spezifisch deutsche Verlaufsform innergesellschaftlicher Gewaltverhältnisse, Antisemitismus und Rassismus: der Verachtung des Individuums, die sich vor allem auf der sozialen Verliererseite artikuliert und dabei die Wesenzüge der kapitalistischen Gesellschaft grausam (nach) zeichnet. Der Kapitalismus bedient die Gewalt als Verkehrsform und verbannt sie gleichzeitig aus seinem Antlitz, der demokratischen Gesellschaft, in der Rechtsform des Warenbesitzes. Diese wird abgesichert durch das Gewaltmonopol des Staates. So garantiert der Staat die Gewalt der Verdinglichung des Menschen in der Konkurrenz des Verwertungsprozesses und durch nationale Segmentierung.
Die Erniedrigung der Einzelnen, die qua Überflüssigkeit aus dem Verwertungsprozess ausscheiden, eröffnet die Option zur autoritären Identifikation mit Staat und Familie, um scheinbar der Vereinzelung zu entfliehen. Diese innere Natur der Gesellschaft, keineswegs ein Gesetz der Kausalität, mündet darin, den eigenen 'Opferstatus' an anderen zu reproduzieren. So hat das Wort 'Opfer' im zeitgenössischen Jugendslang die Bedeutung dessen, wofür vormals 'Schwul' 'Jude' oder 'Zecke' standen. Der Akt der Beleidigung und Erniedrigung des Opfers ist in Verhältnissen, in denen die Unmündigkeit nicht mit dem Verlassen eines gewissen Alters abgelegt wird, das wahre Spektakel und schließt die zum 'Opfer' Degradierten symbolisch aus der eigenen sozialen Gemeinschaft aus. Der Täter erschafft seine Identität und seinen Status durch Vollzug von Grausamkeit. Hierbei ähneln sich die unpolitische ziellose Gewalt 'auf Pausenhöfen', der Mord an Ilan Halimi in Paris, der an Marinus in Potzlow und der subkulturell kodierte, jedoch gleichzeitig zutiefst politische Mord an Thomas Schulz. Die Rolle des Täters als Nazi darf keinesfalls hinter dem physischen Aspekt der Gewalt verschwinden, da sonst der Mord tatsächlich auf der Ebene von Messerstechereien rivalisierender Jugendgangs und dem animalischen, vermeintlich 'natürlichen' Kampf um Überlegenheit und Vorteilsnahme krimineller Gewalt stehen würde. Aber er unterscheidet sich auch in der ihm fehlenden antisemitischen Dimension der Morde in Potzlow und Paris, wo das Opfer als "Jude" zu Tode gefoltert wurde. So ist der Hintergrund der Tat zwar nur scheinbar einfacher zu verstehen, aber der Charakter als ein gesellschaftlich vermittelter deutlich.

Bekennende Nationalsozialisten sind keineswegs eine relevante politische Kraft in Deutschland. So banal dieser Satz klingt, so oft muss er Teilen der Linken und antifaschistischen Szene vorgesagt werden. Den Neonazismus der Nazibewegung von NPD bis zu Comedytruppen wie dem AB West, trotz seiner teilweise mörderischen Gefahrenpotenziale, zur Projektionsfläche eines gesellschaftskritisch verstandenen Antifaschismus zu machen ist problematisch. Denn die Verteidigung gegen neonazistische Verfassungsgegner und die Aufrechterhaltung des Gewaltmonopols sind Bedingung und Interesse des bürgerlichen Staats. Die Notwendigkeit von praktischem autonomen Antifaschismus misst sich lediglich am konkreten Gefahrenpotential durch Nazis. Jedoch sind dabei die regionalen Unterschiede nicht nur zwischen West- und Ostdeutschland gravierend. Auch zwischen den größeren NRW Städten finden sich deutliche Unterschiede in Größe und Organisierungsgrad der Naziszenen und damit in der Notwendigkeit praktischer Interventionen. Zu konstatieren ist auch, dass das übliche Argument des 'Bedrohungspotentials' im Ruhrgebiet fast ausschließlich auf unorganisierte Nazis anzuwenden ist. Traditionelle Vorgehensweisen gegen Nazistrukturen bedienen sich des Mittels der Skandalisierung. Dies ist jedoch selbst zum Erreichen des primären Ziels, dem Zurückdrängen von Nazis, nicht unbedingt geeignet. Krass zeigen dies Verhältnisse wie in der Sächsischen Schweiz, aber auch, wenngleich in begrenzter Form, in etlichen westdeutschen Städten, in denen eine antinazistische Öffentlichkeit nicht vorhanden ist. Auch die reflexhafte Fixierung auf die inflationären Naziaufmärsche steht einer progressiven antifaschistischen Praxis entgegen, die Nazipositionen im Zusammenhang mit der Gesellschaft der BRD einzuordnen versteht. Als konkrete Erfolge werden Ver- oder Behinderungen von Naziaufmärschen gefeiert, welche allerdings oft nur ansatzweise auf Aktionen organisierter Antifaschisten zurückzuführen sind und in ihrer Relevanz allenfalls symbolischen Charakter haben können. Vor allem in größeren Städten konkurrieren mittlerweile Antifas mit Polizeipräsidenten und Bürgerbündnissen um die kreativste Verhinderung des Aufmarschs oder, schlimmer noch, verfallen zurück in Formen von Bündnispolitik der 90er Jahre: Die Hoffnung auf Aufmerksamkeit einer sensibilisierten Öffentlichkeit. Doch wer ist dieser potentielle Ansprechpartner?


..zur zivilisierten deutschen Öffentlichkeit

Auf der Seite zivilgesellschaftlicher Bündnispartner funktioniert Antifaschismus als Argument zu nationaler Selbstvergewisserung. 'Zivilgesellschaftliche Mobilisierung' ist das Schlagwort unter dem die Formen eines 'Aufstand der Anständigen' des Jahres 2000, formerly known as Lichterketten, gegen den Irakkrieg 2002 oder Anno 2003 gegen Hartz IV zu fassen sind. Alle in ihrem gemeinsamen Nenner Formierungen des zivilgesellschaftlichen, nationalen Kollektivs, wahlweise gegen 'Nazis', 'US-Hegemonie' oder 'Sozialräuber'. Und alles Aktionsfelder, auf denen linke Gruppen aktiv sind oder bündnisfähig agieren wollen.
Der Begriff Zivilgesellschaft taugt allein aber nur teilweise, um diese politischen Mobilisierungen in Deutschland zu erklären:
Während die Hartz IV Proteste sich weniger gegen den Staat als gegen einzelne Protagonisten von Arbeitsmarktreformen richteten und, wenn auch nur kurzzeitig, von rechts bis links Zulauf 'von der Straße' hatten, war beispielsweise die Demonstration gegen den NPD Aufmarsch am 8. Mai 2005 in Berlin eher eine staatliche Inszenierung, die allein bei einer linksbürgerlichen Öffentlichkeit auf aktive Resonanz stieß. Während vor allem in Ostdeutschland auf den Montagsdemonstrationen Nazis die Demospitze bildeten, hätten jene 'Anständigen' diese dort am liebsten entfernt.
Das zivilgesellschaftliche Modell markiert die Aussöhnung der Linken mit Staat und Nation. Für die moralische Integrität Deutschlands wurde dem Kosovofeldzug zugestimmt und der Irakkrieg abgelehnt. Als anscheinend bürgerlich-aufgeklärtes Modell funktioniert 'Zivilgesellschaft' in Deutschland nur von links und von oben, und ist deswegen nicht nur nach außen sondern auch von innen her brüchig: Denn eine bürgerliche Revolution hat es in Deutschland so nicht gegeben und so auch nicht eine geschichtsträchtige Popularisierung des Gedanken an allgemein menschliche Emanzipation: die Bedingung einer breiten aufgeklärten, bürgerlichen Öffentlichkeit. Zum Adressat politischer Öffentlichkeit wird in Deutschland weniger eine kritische Öffentlichkeit, als der Staat. Den Zustand der existierenden politischen Öffentlichkeit verdeutlicht auch das Auftreten der ersten bundesrepublikanischen Bürgerbewegungen von '68, auf die der heutige Antizionismus und Antiamerikanismus zurückgeht, und von '89, die gegen den vergangenen DDR-Staat das BRD Glücksversprechen und den nationalen Taumel in Stellung brachte. Derzeit versucht sich ein bundesrepublikanisches Bürgertum eher autoritär unter der Zugehörigkeit zu einer vermeintlichen 'Wissenselite' und Leistungsideologie zu sammeln.
In Konkurrenz und Ergänzung dazu, lässt sich von volksgemeinschaftlich orientierter Mobilisierung sprechen. Gemeint ist hiermit die ideologische Aussöhnung von Kapital und Arbeit, wie es zum Beispiel Ziel des Großteils der Montagsdemonstrationen und deren staatlichen Pendant dem 'Bündnis für Arbeit' war. Auch die Studentenproteste liefen größtenteils mit dem Grundtenor der Sorge um den 'Wissenschaftsstandort Deutschland' ab. Mit volksgemeinschaftlicher Mobilisierung ist nicht die Kontinuität eines originär völkischen Kollektivs gemeint, sondern die Einschwörung zur autoritären Schicksalsgemeinschaft, die sich letztlich zum Himmelsfahrtskommando für das Individuum gestaltet. Arbeitslosigkeit wird nicht zum Anlass zivilgesellschaftlicher Elendsverwaltung und oder zur Forderung nach einem guten Leben ohne Arbeit: Sie motiviert dazu, nun erst Recht Arbeit zu fordern und zum Hass wahlweise auf 'Faule' oder 'Profiteure', die scheinbar nicht dem selben Zwang unterworfen sind. Auch hier fungieren weite Teile der Linken als unkritische Stichwortgeber.

Beide Modelle sind in der gegenwärtigen politischen Öffentlichkeit in Deutschland nicht realisiert und keine kohärenten Ideologien, wie beispielsweise die völkische Ideologie des NS. Sie stellen aber dennoch die wesentlichen Momente gesellschaftlicher Hegemonie dar. Solange diese aber nur fragmentarisch bleibt, solange Volk und Staat, nicht zusammentreten hat der Nationalsozialismus keine Chance. Und, auch dies klingt eigentlich banal, so lange verbietet es sich auch, die Berliner Republik mit dem Nationalsozialismus durcheinander zu würfeln, wenngleich dies doch nichts über die Möglichkeit einer volksgemeinschaftlichen Mobilisierung sagt. Dass diese nicht Bahn bricht, dafür sorgt die Sicherheit einer globalisierten Welt nur teilweise ("Elite spricht Englisch- Mob spricht Deutsch").
Notwendig wäre eine antifaschistische Kritik volksgemeinschaftlicher Manifestationen.
Gegen die zivilgesellschaftliche Mobilisierung muss antifaschistische Kritik so angebracht werden, dass diese nicht zur Alternative zum völkischen Mob und Nazis erscheinen kann.
In Anbetracht dessen verbietet es sich ebenso, auf die deutsche Öffentlichkeit als Bündnispartner im Kampf gegen marodierende Nationalsozialisten zu setzen, wie Friedensbewegung und Antiglobalisierungsbewegung zu Protagonisten emanzipatorischer Gesellschaftskritik zu verklären. Eher wird eine ernstzunehmende kommunistische Linke sich der aufklärerischen und unnachgiebigen Kritik der Dialektik von Gemeinschaft und Vereinzelung, der Überwindung der Verdinglichung des Menschen widmen.




KEIN VERGESSEN DEN OPFERN NAZISTISCHER GEWALT!
SCHEISS NAZIKIDS UND DIE GANZE DEUTSCHE SCHEISSE!
FÜR EIN ENDE DER GEWALT!

Kommt zur Antifademo: 1.April, 13.00, Dortmund Hbf (Vorderausgang)
>>> 28.03.2006 // Gedenkkundgebung // 18:00 Uhr // Dortmund //
U-Bf Kampstraße

Aktuelle Infos immer auf www.no-nazis.de

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