Antifa-Demo "Seek and delete" in Pirmasens

gizmo 20.03.2006 00:41 Themen: Antifa
Über 400 Menschen folgten gestern dem Aufruf antifaschistischer Gruppen aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland, in Pirmasens gegen die dortige NPD - Landeszentrale unter dem Motto „NPD-Strukturen aufdecken und entsorgen“ zu demonstrieren. Bereits im Vorfeld der Demonstration kam es zu massiven
Einschüchterungsversuchen durch die Polizei und zu schikanösen Vorkontrollen.
Die Polizei, deren Einsatzleiter Achim Becker bereits im Vorfeld der Demonstration ein Deeskalationskonzept mit dem Polizeiknüppel angekündigt hatte, hatte an diesem sonnigen Samstag, dem 18.März 2006, beachtliche Kräfte in das rheinland-pfälzische Provinzkaff Pirmasens geschickt. Schon bei der Ankunft am Pirmasenser Bahnhof war schnell klar, dass das Konzept des Tages wohl "Wanderkessel" und die angekündigte "Null Toleranz" Linie des Einsatzleiters, der sich ganz offensichtlich als „Hardliner“ profilieren wollte, heißen sollte. Auf der Anreise zur Demonstration stoppte die Polizei einen Bus mit AntifaschistInnen. Sie wurden zur Personalienkontrolle festgehalten und mussten sich von der Polizei abfilmen lassen. Einzelne Personen mussten sich in der Kälte ausziehen und einer Leibesvisitation unterziehen. Bahnanreisende wurden zwischen Zweibrücken und Pirmasens ebenfalls schikanösen Vorkontrollen unterzogen. Am Auftaktsort selbst griff die Polizei ebenfalls einzelne Menschen ab und führte Durchsuchungen durch.

So startete die Demonstration erst mit einer guten Stunde Verspätung, die vor allem den langwierigen Vorkontrollen am bereits erwähnten Bus geschuldet ist. Am Bahnhof stellte eine Vertreterin des AK Antifa Mainz die "Seek-and-delete" Kampagne vor und ging auf die Gründe, warum an diesem Tag in Pirmasens demonstriert wurde, ein. Als die Demo danach loszog, hatten sich gut 400 Menschen gesammelt, die unter dem Motto "Seek and delete - NPD-Strukturen aufdecken und entsorgen!" lautstark mit Musik und Parolen in Richtung Pirmasenser Innenstadt starteten. Von Beginn bis zum Schluss die Demonstration in einem polizeilichen Wanderkessel geführt, so dass die Transparente für Außenstehende kaum zu sehen und lesen waren.

Auf der ersten Zwischenkundgebung am Pirmasenser Schlossplatz verwies der Redner der Antifa Koblenz auf die Bedeutung der Stadt Pirmasens und die besondere Brisanz seit dem Zuzug der Landeszentrale der NPD Rheinland-Pfalz. Der NPD-Wahlkampfleiter Sascha Wagner, seit Jahren Berufsnazi, lebt nun in Pirmasens. Er organisiert von hier aus nicht nur Propagandaaktionen in der Region, sondern vernetzt auch landesweit Aktionen von Nazis. Die rechtskonservativ-rassistische Partei "Die Republikaner" erfreut sich seit Jahren einiger Beliebtheit bei den PirmasenserInnen. Aktuell sitzen fünf RepublikanerInnen im Pirmasenser Stadtrat.

Durch die Fußgängerzone zog die Demonstration anschließend weiter, wobei es zu einem ersten kleinen Sprint der Demo kam, der nach wenigen Metern an einer Kette wutschnaubender und prügelnder PolizistInnen wieder zum Halten gezwungen wurde. Als sich die adrenalingesäuerten Staatsdiener langsam wieder abgeregt hatten, ging es weiter bis zum Exerzierplatz, wo die zweite Zwischenkundgebung stattfand. Hier wurde einem haarlosen Mann, der sich anschickte, die Demo-TeilnehmerInnen zu fotografieren, nachdrücklich geraten, sich zu entfernen.

Mit guter Musik und heiterer Stimmung begab man sich anschließend auf den letzten Teil der Route, wo die Polizei ihre Kooperationsbereitschaft durch Bremsen und Schubsen der vorderen Reihen erneut unter Beweis stellte. Nach gut 2 Stunden Demonstration erreichte der Wanderkessel dann wieder den Ausgangspunkt, den Pirmasenser Bahnhof. Auf der dortigen Abschlusskundgebung verwies die Antifa Saar / Projekt AK in ihrem Redebeitrag auf die Gefahr durch den islamischen Antisemitismus und dessen Verbindungen zu europäischen Holocaust-Leugnern sowie auf den "Extremismus der Mitte" und dessen tödliche Konsequenzen. Nach Abschluss der letzten Kundgebung wurde Demo vom Veranstalter offiziell aufgelöst, was die Polizei nicht daran hinderte, weitere Personen zu kontrollieren und sogar Anzeigen, u.a. wegen Vermummung durch zu hoch gehaltetenes Transparent, zu stellen. Insgesamt nahm die Polizei an diesem Tag im Verlauf der Demo 9 Menschen in Gewarhsam.

Die VeranstalterInnen werten die Demonstration als Erfolg, da die TeilnehmerInnenzahl doppelt so hoch war wie erwartet und man einiges an Staub in Pirmasens aufgewirbelt hat.

Die Demonstration und die vorhergehende Kampagne wurden organisiert von:

Anitfa Koblenz :  http://koblenz.antifa.net
AK Antifa Mainz :  http://www.ak-antifa-mainz.de.vu
Antifa Landau :  http://www.antifalandau.de.vu
Antifa Saar / Projekt AK :  http://www.antifa-saar.de.vu

Kampagnen-Seite:  http://www.seek-and-delete.tk
Antifa Südwest:  http://www.antifa-sw.de.vu


Weitere Fotos werden im Laufe der nächsten Tage u.a. auf  http://www.antifa-saar.de.vu zu sehen sein.
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Ergänzungen

350 bis 400

antifa 20.03.2006 - 14:00
teilnehmerinnenzahl: durchgezählte 350 bis 400 (es gab fluktuationen). perspektive der bilder ist tatsächlich nicht optimal, weil der hintere teil so gut wie garnicht zu sehen ist.

Pirmasenser Zeitung vom 20.03.06: Artikeltext

Autonom@ntifA 20.03.2006 - 19:30
Gewaltlose Antifa-Demo gegen NPD in Pirmasens

Massive Polizeipräsenz begleitete Demonstrationszug durch Stadt

Von PZ-Mitarbeiter Markus Fuhser

Knapp 300 meist jugendliche Demonstranten hatten sich am Samstag gegen 13 Uhr vor dem Bahnhof Pirmasens versammelt, um mit einem Demonstrationszug durch Pirmasens gegen ultrarechte politische Aktivitäten in Pirmasens und der Region zu demonstrieren. Sie standen einer gut gleich großen Streitmacht aus Polizisten gegenüber, die die Demonstration fast lückenlos umschlossen durch die Stadt eskortierten. Bis auf wenige Festnahmen verlief die Demonstration problemfrei und gewaltlos.

Zu einer "antifaschistischen Demonstration" in Pirmasens hatten politische Gruppierungen aufgerufen, die unter dem Namen "Antifa" bundesweit gegen politisch rechts stehende Gruppierungen und Parteien agieren. Grund für die Demo in Pirmasens, die von "Antifa"-Gruppen aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland organisiert wurde, ist der Vorwurf, dass Pirmasens sich in den letzten Monaten zu einer Heimstatt für Nazis entwickelt habe. Der bekannte NPD-Funktionär Sascha Wagner soll auf der Ruhbank ein Haus bezogen haben, das der NPD als Landesgeschäftsstelle in Rheinland-Pfalz dienen soll. Nach Informationen der PZ handelt es sich dabei um das Haus in der Schulstraße 14.

Demonstranten beim Marsch durch Innenstadt

Unter dem Motto "Seek & Delete – NPD-Strukturen aufdecken und entsorgen!" zog die Demo mit Transparenten und Fahnen vom Bahnhof zum Schloßplatz und durch Fußgängerzone, Bergstraße und Alleestraße zum Exerzierplatz. Von dort aus ging es zum Bahnhof zurück. Bunt war die Mischung der Demonstranten. Rund 50 davon waren leicht als professionelle Demonstranten auszumachen. Dazu kamen junge Menschen aus dem Umkreis und auch aus Pirmasens, denen das Flagge zeigen gegen Rechts ein Anliegen war und einige, die die Veranstaltung einfach auch als Party sahen.

"Das hier ist ja fast langweilig", sagte ein Einsatzleiter der Polizei über die Aktion beim Telefonieren übers Mobiltelefon. Er leitete die "Vorhut" der Polizeikräfte, die in einer Zweierreihe, teilweise rückwärts laufend, die Front der Demo den ganzen Weg über im Auge behielt. Kurz darauf war die Langweile für eine kurze Zeit zu Ende, als in Höhe der Deutschen Bank die Transparente tragende Demospitze plötzlich in ein paar Schritte Dauerlauf verfiel und die Polizeikette sofort mit Körpereinsatz abblockte. Fast als Höhepunkt der Demo konnte man jenen Stopp ansehen, den die Demonstranten einlegten, um unter einem Pfeifkonzert einem am offenen Fenster stehenden republikanischen Pirmasenser Stadtrat den Mittelfinger zu zeigen.

Axel Ebelshäuser am Fenster

Eine harte Linie der Polizei hatte Achim Becker, Leiter der Pirmasenser Inspektion und somit Einsatzleiter der Polizeikräfte, in einem Gespräch mit einem "Antifa"-Verantwortlichen für die Demonstration angekündigt. Jeder Verstoß gegen die Vorschriften werde geahndet, die entsprechenden Demonstranten herausgegriffen und zumindest bis zum Ende der Demo festgesetzt. Verboten waren das Unkenntlichmachen von Gesichtern, aktive und passive Bewaffnung und auch das Ummanteln von Teilen der Demo mit Transparenten, das den Zugriff der Polizei auf Demonstranten erschwert hätte. Noch vor dem Beginn der eigentlichen Demo griff die Polizei einen der Demonstranten heraus und untersuchten ihn ziemlich rüde. Die die Züge der Bundesbahn begleitende Bundespolizei hatte die Bereitschaftspolizisten auf den jungen Mann aufmerksam gemacht. Die Demo-Leitung in dem die Demonstration begleitenden Lautsprecherwagen warf der Polizei deshalb vor, einen Eskalationskurs zu fahren.

Während des Zuges durch die Stadt wurde die Demonstration lückenlos rechts und links von Polizeikräften eingefasst. Von der Bereitschaftspolizei bei der Funkkommunikation als "kritische Stellen" bezeichnete Gebäude, wie das von der rechten Szene gern besuchte Lokal "Am Amtsgericht", wurden problemlos passiert. Auch die palettenweise vorhandenen Pflastersteine an den dort reichlich vorhandenen Baustellen blieben, wo sie waren.

Bei einer kurzen Kundgebung auf dem Schloßplatz schauten örtliche Größen der rechten Szene von den Schloßtreppen aus der Kundgebung zu. Der vom NPD-Landesvorsitzenden Peter Marx zum Wahlkampfleiter ernannte Sascha Wagner wolle von Pirmasens aus mit 25 000 Plakaten und zwei Millionen Flugblättern den Wählern die "braune Ideologie" näher bringen, hieß es bei der Kundgebung. Damit gewinne Pirmasens landesweite Bedeutung für die NPD. Auch den etablierten Parteien wurde vorgeworfen, häufig die Stimmung zu schaffen, die der NPD ihre Wähler beschert: "Sie sind Teil des Problems".

In der Alleestraße kontrollierten gleichzeitig Polizisten einige kahl geschorene Jugendliche, die Pullis die Sweatshirts mit der Aufschrift "Deutsche Kolonien – Heia Safari" trugen. Sonst war von rechten Gegendemonstranten kaum etwas zu sehen.

Mit Slogans wie "Ob Ost, ob West, nieder mit der Nazi-Pest" und "Aufruhr, Widerstand, es gibt kein ruhiges Hinterland" zog der Zug durch die Fußgängerzone und die obere Hauptstraße. Vom "harten Kern" vorgegebene Losungen wie "Nieder mit Deutschland, es lebe der Kommunismus" wurden jedoch kaum von den Demonstranten aufgenommen.

Obwohl die Demo-Leitung wieder am Bahnhof angekommen per Lautsprecher etwas dramatisierte ("bleibt zusammen, lasst euch nicht von der Polizei abgreifen"), löste sich die Demo problemlos auf, nachdem die Polizei ihre massive Präsenz reduziert hatte. Pirmasenser Bürger hatten das für die Stadt seltene Ereignis weitgehend ignoriert oder waren aus Vorsicht zuhause geblieben.

Pirmasenser Zeitung vom 20.03.06:Artikelfoto1

Autonom@ntifA 20.03.2006 - 19:30
Bei ihrem Marsch durch die Innenstadt wurde der Demonstrationszug der Antifa von vielen Polizisten eskortiert. (Foto: Fuhser)

Pirmasenser Zeitung vom 20.03.06:Artikelfoto2

Autonom@ntifA 20.03.2006 - 19:31
Die Demonstranten machten in der Fußgängerzone Halt vor dem Haus, in dem Republikaner-Ratsmitglied Axel Ebelshäuser (am Fenster rechts) wohnt. Sie „begrüßten“ ihn mit einem Pfeifkonzert und dem „Stinkefinger“. (Foto: Fuhser)

Pirmasenser Zeitung vom 20.03.06: Kommentar

Autonom@ntifA 20.03.2006 - 19:31
Rechte sind das Problem

Meinung von Markus Fuhser

Knapp 300 jungendliche Demonstranten schafften es am Samstag, ein massives Heer von Polizisten nach Pirmasens zu ziehen. Fast hatte es den Anschein, die Demo werde von der Polizei durch Pirmasens gelotst. Dicht von gut gepolsterten Sicherheitskräften umschlossen bewegte sich der Zug durch die Stadt, den Abschluss bildeten 13 (!) Transportwagen der Polizei. Zig Dokumentationstrupps der Polizei mit Kameras filmten das gesamte Geschehen. Die von der Einsatzleitung angekündigte "harte Linie" setzte die Polizei Gott sei Dank nicht durch. Die Veranstaltung verlief von beiden Seiten her gesehen recht friedlich.

Ein Grund für die riesige Polizeiübermacht – auf der Husterhöhe standen noch Polizeikräfte in Reserve – war im Grunde nicht erkennbar. Denn auch mit massiven Übergriffen rechter Schläger rechnete die Einsatzleitung laut eigener Aussage nicht. Mögen die Parolen und die politische Herkunft der Demo-Organisatoren auch krude und provokativ sein: Die Kernaussagen, dass die rechte und ultrarechte Szene auch in Pirmasens immer fester Fuß fasst, sind nachzuvollziehen. Und das ist für Stadt und Region das eigentliche Problem – und nicht eine Demo der Antifa gegen diese Entwicklung.

Quelle:  http://www.pirmasenser-zeitung.de/artikel/06/pirmasens/2006-03-20/2/index.php

ergänzung

verlinker 20.03.2006 - 19:42
detailierter artikel und wohlwollender lommentar aus der pirmasenser zeitung:

 http://www.pirmasenser-zeitung.de/artikel/06/pirmasens/2006-03-20/2/index.php

laufkommando

long dong 20.03.2006 - 22:31
"wie ich gehört habe" wurden 4 faschos noch am rande der Abschlusskundgebung zu "diskussionsrunden" aufgefordert.Gruß an die die das getan haben!
Am 8.4 in Mannheim den Naziaufmarsch abschlachten!
Mannheim bleibt Rot!

mehr Fotos

antifasaar 25.03.2006 - 15:50
mehr fotos auf
www.antifasaar.de.vu

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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aha — ...

und am nächsten wochenende... — hinterland.tk

@aha — Saarländer

Am nächsten Wochen alle .. — (muss ausgefüllt werden)

Nazi-Fotograf — Neugierig

zahlenspiel — afa

@long dong — queeer

Vielen Dank — derwodaso