CPE in Deutschland

arbeiter von wien 18.03.2006 21:05 Themen: Soziale Kämpfe
Was die letzten Wochen in Bezug auf den CPE in Frankreich passiert, wird im deutssprachigen Raum von den alternativen Medien mit Aufmerksamkeit beobachtet. Was dabei allerdings nicht beachtet zu werden scheint, ist daß die deutsche Bundesregierung in Ihrem Koalitionsübereinkommen eine ähnliche Vorgangsweise fixiert hat.
Viel wird derzeit in alternativen Medien über das französische Gesetz das eine zweijährige Phase ohne jeden Kündigungsschutz ermöglicht geschrieben. Sogar die kommerziellen Medienunternehmen können sich den massiven Protesten in Frankreich nicht mehr verschließen und beginnen zu berichten – auch ein Generalstreik wird bereits angedacht.

Bisher ist in der (linken) Debatte im deutssprachigen Raum über die Ereignisse der letzten Wochen noch nicht darauf eingegangen worden, daß die deutsch Regierung im Koalitionsübereinkommen im Herbst 2005 eine ähnliche Vorgangsweise beschlossen hat.

Die Tagesschau schreibt dazu am 14.3.2006:
"Sein (Villepin) jüngster Reformvorschlag soll die drastisch über dem Durchschnitt liegende Erwerbslosigkeit bei jungen Berufseinsteigern senken. Im Gegenzug gibt es für unter 26-Jährige zwei Jahre Probezeit - wie sie auch von der großen Koalition in Deutschland geplant ist - und weniger Kündigungsschutz."

Die Zeit online berichtete bereits am 10.11.2005 über dieses Vorhaben der großen Koalition noch während der Koalitionsverhandlung: "Die Probezeit soll künftig nicht mehr sechs Monate, sondern zwei Jahre lang sein; in Betrieben mit zehn oder zwanzig Beschäftigten, da ist man sich nicht einig"

Auf der Seite des CDU Finanzministers Rainer Wiegard  http://www.rainerwiegard.de , der übrigens, was bei der derzeitigen innenpolitischen Entwicklung auch nicht uninteressant sein dürfte, von 1983-2005 Geschäftsführer ver.di (DAG) GPB e.V.(Verein Gewerkschaftspolitische Bildung) war, wurde ebenfalls bereits im November ´05 die zweijährige Probezeit als einer der wichtigsten Eckpunkte des Koalitinsvertrages genannt."Als ersten Schritt zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes verlängern wir die Probezeit für Neueinstellungen auf bis zu 2 Jahre, erleichtern die Einstellung der über 52-Jährigen durch neue Regelungen für befristete Verträge und führen Kombi-Löhne ein." heißt es dort.

Der Unterschied zu Frankreich dürfte darin bestehen, daß diese Gesetzesänderung für alle Menschen in Deutschland gelten wird, nicht nur für die unter 26-Jährigen.

Im Koalitionsübereinkommen von CDU/CSU und SPD sind die angesprochenen Vereinbarungen unter Punkt 2.7.1 "Kündigungsschutz weiterentwickeln" zu finden. Dort lesen sie sich dann folgendermaßen: "Gleichzeitig geben wir den Arbeitgebern bei der Neueinstellung die Option an die Hand, anstelle der gesetzlichen Regelwartezeit von 6 Monaten bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses mit dem Einzustellenden eine Wartezeit von bis zu 24 Monaten zu vereinbaren."
Diese 2 Jahre "Probezeit" sollen auch bei ein und demselben Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglich sein, wenn mindesten 6 Monate Zeit zwischen den Anstellungen liegen. Dies lässt besonders für die Baubranche bzw. ähnliche Saisonbranchen nichts gutes erwarten.
Der Punkt schließt im Koalitionsübereinkommen mit der Bemerkung: "Damit gestalten wir den Kündigungsschutz einfacher, leisten einen Beitrag, um die Zahl der arbeitsgerichtlichen Verfahren und das Prozessrisiko der Arbeitgeber zu verringern und schaffen zugleich für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine verlässliche Vertragsgrundlage." (Mensch beachte auch die Splittung! Nur Arbeitgeber, jodoch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer)
Das komplette Koalitionsübereinkommen ist auf den Seiten der CDU herunterzuladen  http://cdu.de/doc/pdf/05_11_11_Koalitionsvertrag.pdf

Es ist somit davon auszugehen, daß die Proteste in Frankreich auch auf den deutschsprachigen Raum erhebliche Auswirkungen haben werden. Weiters scheint wieder einmal bestätigt, daß soziale Kämpfe unbedingt international geführt werden müssen.


ein anarchosyndikalist aus wien
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Ergänzungen

auch

tagmata 18.03.2006 - 21:48
"Der Unterschied zu Frankreich dürfte darin bestehen, daß diese Gesetzesänderung für alle Menschen in Deutschland gelten wird, nicht nur für die unter 26-Jährigen."

Auch das. Darüber hinaus ist wohl nicht abzusehen, daß etwaige Proteste in Deutschland ähnliche - oder im Extremfall überhaupt signifikante - Ausmaße haben werden.

Hier in D-schland laufen die Sachen halt anders - ein bißchen das Familiengebet propagiert, und Prekarisierung ist laut Karnickel-Uschi kein Schrecknis mehr:  http://www.n-tv.de/645995.html "Religion und Religiosität helfen aber, Vertrauen in die Zukunft zu haben".

(Die Frau sollte mal wieder ihre Bibel lesen: An keiner Stelle geht daraus hervor - und auch aus dem Koran und dem Tanach nicht -, daß dieser Gott da sich jemals zuständig gefühlt hat für Mißstände, die in der Schafsnasigkeit und Duldsamkeit einer Gesellschaft lagen...)

Widerstand notwendig!

Kerstin 19.03.2006 - 15:54
Die vollständige Abschaffung sozialer Rechte, und damit letztendlich auch die Aufhebung der Menschenrechte hat ihre Wurzeln ja in Absprachen auf höchster EU-Ebene, z.B. der Lissabon-Agenda 2010. Die Herrschenden kalkulieren mit Aufständen, gehen aber zurecht (?) davon aus, dass kaum mit Widerstand zu rechnen ist, da niemand durchschaut, um was es wirklich geht.

Wie man das innerhalb der obersten Ebene der EU sieht:

"Wir beschliessen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein grosses Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."

(Jean-Claude Juncker, Ministerpräsident von Luxemburg, turnusmässiger EU Ratsvorsitzender, Spiegel 52/99)


Quelle:  http://www.stattnetz.de/politik/artikel/cpe_widerstand.htm

Allerdings ist auch notwendig, dem Widerstand eigene Positionen zu geben, also klare Forderungen zu haben, wie die Gesellschaft anders organisiert werden soll. Kurzum, der Widerstand sollte meiner Meinung nach eine Alternative zum herrschenden Kapitalismus einfordern und durchsetzen.

Der einfache Negationismus z.B. der bürgerlichen Gewerkschaften im jetzigen Streik im öffentlichen Dienst stellt keine eigenen Forderungen auf, sondern beläßt das Heft des Handelns und Forderns absichtlich in Händen der Ausbeuter.

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