Wendebecken gewinnt Prozess

mona 16.03.2006 19:05 Themen: Repression
Das Hanseatische Oberlandesgericht hat eine im Zusammenhang mit der Räumung des Hamburger Wagenplatz Wendebecken im September 2004 wegen Hausfriedensbruch Angeklagte freigesprochen.
THIS IS WHAT DEMOCRACY LOOKS LIKE oder: ein bißchen lohnt sich`s eben doch.

Seit der Wagenplatz Wendebecken in Hamburg - ehemaliger Lebens – und Wohnraum von 15 unverbesserlichen Anderswohnenwollenden - im September 2004, das heißt vor inzwischen gut eineinhalb Jahren geräumt wurde, haben alle, die am Räumungstag auf dem Gelände waren um mittels eines ausgeklügelten direct-action Konzepts die Zerstörung dieser in Barmbek-Nord einzigartigen Oase zu erschweren oder vielleicht sogar zu verhindern den Ärger am Hacken sich mit einem äußerst lästigen Verfahren wegen Hausfriedensbruch und zum Teil auch noch Widerstand gegen staatliche Gewalt herumschlagen zu müssen. In diesem Kampf gegen Windmühlen wurde gestern ein kleiner Sieg errungen, der unter Umständen weitreichende Folgen haben könnte: „Das Hanseatische Oberlandesgericht hat der Revision einer ehemaligen Bewohnerin des 2004 geräumten Bauwagenplatzes Wendebecken stattgegeben, die wegen Hausfriedensbruchs vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Demnach hätte die Stadt zunächst auf zivilrechtlichem Weg einen Räumungstitel beantragen müssen, bevor sie den Platz hätte räumen dürfen. Weil sie dies aber unterlassen hatte, verfügte der Verein der Bauwagenbewohner trotz abgelaufenen Mietvertrages weiterhin über das Hausrecht, urteilte das Gericht sinngemäß in seinem Beschluss.“ (Zitat FR, siehe:  http://www.fraktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/nachrichten/?cnt=826876&)
Das bedeutet für die Angeklagte nun zuerst einmal, dass ihr Prozess an das zuständige Amtsgericht zurück überwiesen wird und dieses sie nicht mit derselben Begründung noch mal verurteilen darf, was. Entweder es fällt ihnen also was anderes ein, was 1. schwierig werden dürfte, weil wo kein Hausrecht, da auch kein Hausfriedensbruch und 2.auch noch so plausibel sein muß, dass es auch dem Oberlandesgericht gefällt, oder sie müssen die Angeklagte freisprechen. Was mit den anderen 30 Verfahren ist, die im Moment noch laufen, insbesondere mit denen, die auch noch den Widerstandsanklagepunkt enthalten, ist im Moment noch nicht so richtig absehbar. Auf jeden Fall besteht die Möglichkeit eines juristischen Triumphs über die Staatsanwaltschaft, und eine solche Entwicklung ist – bei aller Vorsicht - angesichts der Verläufe aller anderen „Bauwagenverfahren“ doch ziemlich positiv.
Und auf einer anderen Ebene ist das Urteil schon jetzt ein Riesenerfolg: Denn es bedeutet nichts anderes als dass eine Allgemeinverfügung, die am Ende noch mit „Gefahr im Verzug“ begründet wird (das ist das in Hamburg seit Jahren üblich Vorgehen), zur Räumung nicht genügt, sondern die Stadt den langen Weg des Zivilrechts gehen muß. Dieser Weg ist wesentlich langwieriger und bietet vor allem viel mehr Möglichkeiten zur Verteidigung.
Für das Wendebecken hilft das nun alles nichts mehr – es wird höchstens weniger teuer – und eigentlich will ja auch niemand hoffen, dass jemals wieder irgendein Bauwagenplatz geräumt wird, sollte dies aber doch noch mal passieren, könnte diese Urteil tatsächlich von Vorteil sein.
Alles in allem ein Grund zum Feiern – auf Prozesskostensoliparties versteht sich.
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Ergänzungen

So ist der neue Stand in Karlsruhe

schaut her 16.03.2006 - 20:18
Auszug in greifbarer Nähe?
Ex-Steffi fordert erneuten Aufschub


Nach Ansicht der Ex-Steffi-Leute sollte "menschliches und soziales Handeln vordergründiger sein, als juristische Beschlüsse durchzusetzen" (Foto: ka-news)

Karlsruhe - Angesichts der bevorstehenden Räumung (ka-news berichtete) haben sich die Bewohner der Schwarzwaldstraße 79 erneut mit einem Offenen Brief an Karlsruhes Oberbürgermeister (OB) Heinz Fenrich gewandt, um ihm ein Angebot zur Güte vorzuschlagen. Die Zeit drängt, das wissen die Ex-Steffi-Leute: der Gerichtsvollzieher hat sich für den 30. März, 17 Uhr angekündigt.

Auch nach dem Abbruch der Gespräche mit der Stadt (ka-news berichtete) liege es im Interesse aller Bewohner, heißt es in einer begleitenden Pressemitteilung der Ex-Steffi, die derzeitige Situation zu entschärfen und den Konflikt nicht durch eine mit Polizeigewalt durchgeführte Räumung eskalieren zu lassen. "Unsere Ernsthaftigkeit beweisen wir jeden Tag aufs Neue, da die Fortschritte zu einem Hauskauf, auch ohne die Hilfe der Stadt, uns einem Auszug aus der Schwarzwaldstraße 79 immer näher bringen", schildert die Ex-Steffi die derzeitige Lage. Die Verhandlungen mit den Eigentümern des anvisierten Objekts würden auf Hochtouren laufen, und auch die Schritte zur Integration in eine Initiative seien gelungen.

Ex-Steffi: "Hieb- und stichfestes Finanzierungskonzept"

"Trotzdem wird es uns nicht möglich sein, schon Ende März das Haus zu verlassen", schildern die Bewohner ihr Anliegen. Aus diesem Grund fordern sie den OB auf, nochmals einen Aufschub zu gewähren und zurück an den Verhandlungstisch zu kommen - "mit dem Ziel, einen Konflikt zu lösen, und nicht, ihn herauf zu beschwören". Die Räumung solle so lange ausgesetzt werden, bis ein Umzug in ein Ersatzobjekt möglich sei. "Es liegt auf der Hand, dass dieser in absehbarer Zeit passieren wird", so die Ex-Steffi in dem Brief an Fenrich, "und sich eine Überschneidung mit einem Baubeginn in der Schwarzwaldstraße nicht ergeben wird."

Laut Ex-Steffi gebe es ein "hieb- und stichfestes Finanzierungskonzept für einen von uns angestrebten Hauskauf", der von "Herrn Denecken nicht als wackelig bezeichnet werden" könne. Auch wenn der Sozialbürgermeister das Konzept bei der letzten Gesprächsrunde laut Ex-Steffi weder sehen wollte noch an einer Vorstellung des Konzepts interessiert gewesen sei. Sie versichern in dem Offenen Brief ferner, dass sämtliche Bewohner das Haus verlassen würden, sobald der Kauf eines Ersatzobjekts Hand und Fuß habe.

Stadt will sich auf keine weiteren Spielchen einlassen

Gegenüber ka-news verdeutlichte Karlsruhes Sozialbürgermeister Harald Denecken seinen Standpunkt: "Die sollen uns den Mietvertrag für ein neues Objekt mit einem konkreten, zeitnahen Termin vorlegen. Punkt." Damit meine er allerdings nicht etwa das Jahr 2009 - solche "Spielchen" habe es in der Vergangenheit bereits gegeben -, sondern einen Termin "beispielsweise im Mai oder im Juni dieses Jahres". Denecken: "Dann sind wir gesprächsbereit." Das werde er auch dem Oberbürgermeister so vorschlagen. (dab)


Meldung vom Donnerstag, 16. März 2006 © ka-news 2006

MEHR ZUM THEMA
 http://www.exsteffi.de




Gerechtigkeit bei Gericht? ...die gibts!

AP 16.03.2006 - 21:32
...eine echt gute Nachricht, angesichts der Bilder die ich noch im Kopf habe. Menschen die in Fässern einbetoniert hängend an Baggerschaufeln vom Platz gebracht werden wie Schlachtvieh... Die Hamburger Polizei wollte mal wieder zeigen wo der Hammer hängt und nun stellt das Oberlandesgericht fest, dass die Bewohner zum Zeitpunkt der Räumung über das Hausrecht verfügt haben. Wer schützt uns eigentlich vor Polizei? (...äähh und überhaupt Widerstand gegen staatliche Gewalt...? Also Gewalt, die ja durch die Feststellung des Oberlandesgerichts unrechtmäßig eingesetzt wurde...)
Aber wie ja so häufig geht die Staatsgewalt nach dem Prinzip "erst mal raufknüppeln und abräumen" vor. Ob es dabei nach "Recht und Gesetz" geht, ist zweitrangig. Erst wird der Status quo hergestellt, geklärt wird hinterher.

Vielleicht ist ja noch eine zivilrechtliche Klage und Schadensersatzforderungen gegen die Stadt und "team blue" wegen:

- Hausfriedensbruch (Betreten des Geländes mittels Gewalteinsatz)
- Nötigung (Durch Zwang und Gewalt die über das Hausrecht Verfügenden vom Gelände verbringen - wohl eher verschleppen)
- bewaffneter Raub (Mittels bewaffneter Staatsgewalt Entführung der Bauwagen)

drin...

Es geht also weiter!

Viel Spaß beim feiern!