Alte Nervensägen - Prozessbericht vom 8.3.

--- 16.03.2006 11:07 Themen: Repression
Deutsches Rotes Kreuz, vertreten durch den DRK-Generalsekretär Clemens Graf von Waldburg-Zeil, verklagt die Rote Hilfe wegen angeblicher „Zeichenverletzung“ auf Ordnungsgeld und Schadensersatz. Prozessbericht von der mündlichen Verhandlung beim Landgericht Hamburg am 8.3.
Im folgenden eine Mitschrift vom Prozess am 8.3. vor dem Landgericht Hamburg. Vorweg gesagt, der Prozess war gut besucht von UnterstüzerInnen der Beklagten. Das Gericht betonte zu Anfang, das es vermutlich eine langweilige Veranstaltung für die BesucherInnen werden wird, und keine Entscheidung aufgrund von politischen Aussagen, sondern nur von Markenrecht relevanten Fakten getroffen wird. Die Anwältin des Roten-Kreuzes hat während der ca. 60 Minutigen Verhandlung so gut wie nichts gesagt, und immer nur auf Ihre eingereichten Schriftsätze verwiesen, bzw. das Sie ohne Rücksprache mit dem DRK nichts sagen kann.
Als Ergänzung sei noch angemerkt, das die BI Lüchow Dannanberg in gleicher Sache gerade EUR 2500 für eine Unterlassungserklärung zahlen soll, und dieses jetzt ebenfalls vor Gericht geht. Ebenfalls ist die Klage an ein weiteres Projekt wegen der Verwendung der Broschürentitelseite eingereicht und wird vermutlich demnaechst ebenfalls vor dem Landgericht verhandelt.
Das besonders Schmerzhafte an diesen Prozessen ist der hohe Streitwert von EUR 50.000 aus dem sich zum einen die ca. 2500 EUR für die Unterlassungserklärung ergeben, bzw. beim verlieren des Prozesses ca. EUR 9000 an Kosten für Anwälte und das Gericht. Wenn dann noch in eine weitere Instanz gegangen werden soll steigen die Kosten nochmal deutlich.
Um die anfallenden Kosten zahlen zu können hoffen die Betroffenen Projekte auf Unterstützung. Zum einen könnte das DRK auf das vorgehen Ihrer Anwälte und des Präsidiums angesprochen werden, zum anderen sind Geldspenden hilfreich (z.B. passend zum Prozess Blutspenden und dann die Aufwandsentschädigung spenden (nicht beim DRK, da gibts nichts)).
Zur Mitschrift, und bitte beachten, die Punkte werden so wiedergegeben wie wir es verstanden haben, kein Gewähr für eine juristisch einwandfreie Ausführung:


- Für das Gericht spielt es keine Rolle, dass das Kreuz in der
Klageschrift schwarz anstatt rot ist. Dieser Punkt wird nicht
berücksichtigt.

- Das Gericht sieht einen Rechtsanspruch der Klägerin nach §12 BGB. Die
Frage der Verwechslungsgefahr muss gemäß des Markenrechts geprüft
werden. Eine politische Bewertung wird das Gericht nicht vornehmen.

- Das Gericht ist der vorläufigen Meinung, dass eine mittelbare
Verwechslungsgefahr besteht. Menschen (oder "Verkehrskreise", wie die
das immer genannt haben), die nicht über den entsprechenden politischen
Hintergrund verfügen, könnten der Meinung sein, dass die Broschüre vom
Roten Kreuz herausgegeben sein könnte.

- Laut Gericht gibt es sicherlich Unterscheidungsmerkmale (Hintergrund,
Faust, Länge des oberen Balkens), aber die reichen nicht aus.
Eine Verwechslungsgefahr wird noch dadurch verstärkt, dass die Demosanis
ähnliche Dinge machen wie das RK. Mensch könnte vermuten, dass das RK
offiziell mit den Demosanis zusammenarbeiten würde.

- Zur Frage der Verwirkung: Das OLG sagt, dass die
Prozesskostenfreiheit für das RK ok ist. Es gibt die BGH-Entscheidung
dazu. Deshalb wird die Kammer hier nicht anders entscheiden.

- Hier war dann der Punkt erreicht, dass der Anwalt eine längere
Ausführung machte: Das RK ist die einzige Partei in Deutschland, die
ihre Rechtsansprüche nicht verwirken muss. Das ist skandalös und sollte
auch vom Gericht hinterfragt werden. Besonders, wenn mensch den
konkreten an den Haaren herbeigezogenen Fall nimmt. Das RK hat z.B.
mehrfach die Farbe seines Symbols verändert. Es wurde in dieser Sache
bereits zwei mal abgemahnt. Keine andere Organisation würde sich das
leisten, hier erneut vor Gericht zu ziehen. Bei keiner anderen
Organisation würde das vor Gericht durchkommen.

Antwort des Richters: Trotzdem! Das BGH hat entschieden, dass das ok ist.

- Das Gericht schlägt vor, dass die RH die Unterlassungerklärung
unterschreibt. Das sei die normale und notwendige Praxis in solchen
Fällen. Es geht darum, die Wiederholungsgefahr auszuschließen.
Erwiderung des Anwalts: Es gibt auch andere Urteile/Vorgehen in solchen
Fällen. Richter: Ja, aber das trifft hier nicht zu.

- Zur Höhe des Streitwerts: Das Gericht fragt bei der Anwältin des RK
an, ob hier Spielraum bestehen würde. Wurde abgelehnt, deshalb wird der
Punkt zurückgestellt.

- Weiteres Argument der Verteidigung: Aufgrund der beiden Urteile aus
den 80ern konnten die Demosanis und die RH doch davon ausgehen, dass sie
rechtmäßig handeln.
Erwiderung des Richters: Das ist 20 Jahre her. Man kann nicht davon
ausgehen, dass das immer noch rechtmäßig ist. Außerdem gibt es einen
Unterschied zwischen Strafrecht und Zivilrecht, deshalb lässt sich aus
den damaligen Fällen keine Schuldfreiheit ableiten. Es sei dabei auch um
andere Dinge gegangen als diesmal.
Der Anwalt der RH hatte beantragt, dass die Prozessakten von damals
hinzugezogen werden. Die Aufbewahrungsfristen in B-Tiergarten sind
entsprechend lang, die Akten müssen also noch verfügbar sein. Das
Gericht hatte dies allerdings nicht als notwendig empfunden.
Anwalt RH: In den Urteilsbegründungen von damals wird wörtlich davon
gesprochen, dass es darum ging, die Verwechslungsgefahr zu prüfen, und
dass diese nicht gegeben sei. Das ist genau das, worum's heute auch
wieder geht.
Antwort des Gerichts: "Trotzdem!"

- Auch zur Frage der Anwaltskosten, ob es eine Befreiung geben kann,
wenn die Firma/Organisation eine eigene Rechtsabteilung beschäftigt,
verteidigte das Gericht das RK. Das gilt nur dann, wenn in der
Rechtsabteilung entsprechende Spezialisten für den Fall gibt. Da gäbe es
Musterurteile.
Anwalt RH: Da ist aber auch in HH die Rechtssprechung nicht einheitlich.
Es gibt mehrere Gerichtsentscheide, die besagen, dass es allein schon
ausreicht, wenn eine Rechtsabteilung besteht.
Antwort des Gerichts: "Ist doch egal!"

- Nach Ende der Einlassungen versucht das Gericht, auf einen Vergleich
hinzuwirken. Die Broschüre werde ja sowieso nicht mehr vertrieben. Eine
Unterlassungserklärung müsse daher dann doch gar kein
Schuldeingeständnis sein. Sie sei aber sinnvoll, weil es dann in einer
Berufung höchstens noch um den Streitwert gehen würde. Das alles sei die
wirtschaftlich sinnvollste Lösung.

- Frage des RH-Anwalts an das Gericht: Wenn das Verfahren eingeleitet
würde, würde das Gericht dann das von ihm beantragte demoskopische
Gutachten zur Verwechslungsgefahr der beiden Symbole in Auftrag geben,
oder hält sich das Gericht für in der Sache kompetent genug, dies zu
entscheiden.
Das Gericht hält sich selbst für kompetent genug und würde dieses
Gutachten nicht einholen.

Danach kurze Pause zur Beratung.

- Die RA des RK kann zur Frage des Streitwerts keine Erklärung im
Namen ihrer Mandantin abgeben.

- Die Kammer rät beiden Parteien dringend zu einer kostengünstigen
Einigung. Bei Abgabe einer Unterlassungserklärung seitens der RH wäre es
sinnvoll, wenn das RK durch ein Fallenlassen der eingeforderten
Anwaltskosten entgegenkommen würde. Außerdem würde das Gericht es für
fair erachten, wenn das RK bei der Höhe des Streitwerts nachgeben würde.

- Bis 29.03.06 besteht noch die Möglichkeit zu weiteren Erklärungen.
Die Verkündung findet dann am Do, 27.04.06 statt.





Presseerklärung der RotenHilfe vor dem Prozess:
 http://www.rote-hilfe.de/index.htm?page=/content/pe_070306_buvo.htm&

Artikel bei Indymedia vor dem Prozess:
 http://de.indymedia.org/2006/02/140171.shtml

Artikel in der Jungen Welt nach dem Prozess:
 http://www.jungewelt.de/2006/03-10/050.php
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Ergänzungen

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--- 16.03.2006 - 13:48

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nehmt doch nen roten halbmond oder sowas

ernst 16.03.2006 - 12:20
scheiß aufs drk. den unterschied zwischen den zeichen von rote hilfe und drk sieht zwar auch ein blinder aber was solls. laßt euch irgendwas einfallen dann spart ihr geld. gerecht ist das zwar nicht, aber irgendwie auch nicht so wichtig.