"Humane Katastrophe" spitzt sich zu

Ralf Streck 16.03.2006 09:02 Themen: Antirassismus Weltweit
Die Kanarischen Inseln sind beliebt bei Einwanderern. Ein Teil davon ist willkommen, ein anderer nicht. Gegen Engländer und Deutsche, die sich auf den spanischen Inseln vor der afrikanischen Küste ansiedeln, hat man zumeist nichts. Doch bei Einwanderern aus Afrika sieht das ganz anders aus. Die kommen derzeit zu Hunderten aus Mauritanien. Erneut wurden gestern 24 tote Menschen 700 Kilometer vor der Küste gefunden. Spanien spricht von einem "nationalen Notstand" und will Mauretanien unterstützen, damit das Land das auslaufen der Boote verhindert.
Einwanderer aus Mauretanien machen sich nun in größerer Zahl auf dem Weg auf die Kanarischen Inseln. Am Dienstag kamen wieder 331 Schwarzafrikaner auf Teneriffa und Gran Canaria an. Das Rettungsschiff "Mar de Esperanza" hat im hohen Wellengang gestern erneut 24 tote Schwarzafrikaner etwa 700 Kilometer vor den Inseln gefunden. Das zeigt an, dass es neue Opfer gibt. Sie hätten Schwimmwesten getragen und es wird davon ausgegangen, dass erneut mindestens eines der Boote gesunken ist, mit dem sie die fast 1000 Kilometer aus Mauretanien überwinden wollen.

Allein am Wochenende waren mindestens 45 Afrikaner ertrunken, 40 Menschen konnten bei zwei Bootsunglücken noch gerettet werden.  http://de.indymedia.org//2006/03/140972.shtml Wie viele Menschen ihr Leben auf dem langen Seeweg verlieren, darüber kann nur spekuliert werden. Die spanische Regierung geht von mehreren Hundert Toten aus. Der Rote Halbmond in Mauretanien spricht weit über 1000 allein in den letzten vier Monaten. Deren Sprecher Uld Haye schätzt, dass derzeit täglich 700-800 Menschen versuchten das Meer zu überschreiten. Demnach überlebten nicht einmal die Hälfte. Lebend angekommen sind am Dienstag in zehn Booten nur 331 Menschen.

Die Auffanglager der Inseln sind inzwischen überfüllt. Schon am Samstag kamen 211 Personen und am Montag wieder 193 an. Das Rote Kreuz spricht von einer "humanitären Katastrophe". Juan Manuel Suárez del Toro, Präsident vom Internationalen Roten Kreuz, bat um Hilfe: "Es ist eine stille Katastrophe, von der wir nur die Spitze des Eisbergs sehen, die ihre tiefen Wurzeln auf dem afrikanischen Kontinent hat, wo die Lebensbedingungen für Menschen oft unwürdig sind".

Die Behörden machen sich Sorgen um das Bild der Kanaren. Sinkende Tourismuszahlen werden in den Medien mit der Zunahme der Migration in Verbindung gebracht. Der Präsident der Regionalregierung forderte von Madrid Maßnahmen „jeder Art“, um das Phänomen zu stoppen, „wie man es schon in Marokko gemacht hat“. Die Regierung hat am Dienstag vier hohe Beamte nach Mauretanien geschickt, um vor Ort die Lage zu erörtern. Gestern fand eine außerordentliche Regierungssitzung unter Führung von Vizeministerpräsidentin María Teresa Fernández de la Vega statt. Mauretanien wird ein Kooperationsplan angeboten, dazu gehören Patrouillenboote und Hilfe beim Aufbau von Auffanglagern. Der nächste Vorstoß zum Aufbau von EU-Lagern in Afrika.  http://de.indymedia.org//2005/12/134890.shtml

Dabei hat Spanien die „humanitäre Katastrophe“ mit verursacht. Die Verantwortliche für Einwanderung der sozialistischen Regierung Consuelo Rumí erkennt an, dass die Flüchtlinge und Einwanderer schlicht ihre Routen geändert haben, weil Marokko stärker gegen sie vorgehe.  http://de.indymedia.org//2005/12/134890.shtml Früher hatten sie es über die Meerenge von Gibraltar versucht, die mit einem elektronischen Abwehrsystem ausgestattet wurde.  http://de.indymedia.org//2005/05/116935.shtml Danach versuchten es viele über die Exklaven Ceuta und Melilla.  http://de.indymedia.org//2005/11/131536.shtml Bei Anstürmen auf die Grenzzäune wurden Ende letzten Jahres mehr als ein Dutzend Menschen beim Versuch erschossen, als sie in die Quasi-Kolonien eindringen wollten und wurden dann tief in die Wüste deportiert.  http://de.indymedia.org//2005/10/130104.shtml Wie viele davon verhungert oder verdurstet sind, ost weiter unklar.  http://de.indymedia.org//2005/10/129667.shtml

Das Vorgehen wird von der EU finanziert und Marokko hat nun auch den Druck auf die Schwarzafrikaner in der besetzten Westsahara erhöht  http://de.indymedia.org//2005/11/132916.shtml , weshalb die Menschen nun nach Mauretanien ausweichen. Statt knapp 100 Kilometer aus der Westsahara sind es nun fast 1000 aus Mauretanien, um auf die Kanaren zu kommen. Die Einwanderung bleibt, die Zahl der Opfer wird nur immer höher.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 15.03.2006
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auch das ist radio. 16.03.2006 - 14:16
FESTUNG EUROPA: WEITERHIN TOTE AN SPANIENS GRENZEN - Radio Chapapote