Deutsche Richter schützen SS-Schleife

Wolfram P. Kastner 15.03.2006 12:38 Themen: Antifa Kultur
In Salzburg marschiert alljährlich die Waffen-SS mit protzigem Kranz und Banderole zur Verherrlichung ihrer Taten und zur Leugnung ihrer Verbechen auf. Der Künstler Wolfram P. Kastner hat die SS-Banderole mehrfach beschnitten und dem Bundespräsidenten nach Wien geschickt. Während in Österreich Verfahren wegen angeblicher Sachbeschädigung eingestellt wurden, erfand ein jungdeutscher bräunlicher Staatanwaltgruppenleiter mit Rückendeckung seiner Herren ein "besonderes deutsches Strafverfolgungsinteresse". Ein deutsches Amtsgericht verurteilt den Künstler wegen "Sachbeschädigung".
Ein Oberlandesgericht bestätigte das Urteil.
Nun reichte der Künstler Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein.
Alljährlich marschieren in Salzburg am 1. November SS-Veteranen mit Anhang und Blasmusik zum Kriegerdenkmal am Kommunalfriedhof und stellen einen Kranz mit schwarzer Banderole auf – mit silberner Aufschrift „Zum ehrenden Gedenken unseren gefallenen Kameraden der Waffen-SS“.
Es geht ihnen um die Verharmlosung der Verbrechen der SS und um ihre Stilisierung zu Kriegshelden. Da trägt schon mal einer Hakenkreuzorden.
Der Bischof geht voraus, die FPÖ marschiert hinterher.

Ich habe diesen Skandal erstmals 1994 mit einem Scherenschnitt versehen, ebenso 1999, 2001, 2003, 2004, 2005 – in der Hoffnung, den gefährlichen Irrsinn so sichtbar zu machen, dass er endlich unterbunden wird.

Die SS-Mannen erstatteten Anzeigen gegen mich und stießen Morddrohungen aus.
Alle Strafverfahren wegen Sachbeschädigung wurden in Österreich eingestellt.

Dagegen erfand ein deutscher Staatsanwalt im Jahr 2005 von sich aus ein besonderes deutsches Strafverfolgungsinteresse wegen des Scherenschnitts von 2003.
Und ein deutsches Amtsgericht verurteilte mich wegen Sachbeschädigung.
Dagegen legte ich Revision ein.

Das zuständige bayerische Oberlandesgericht bestätigte nun im Februar 2006 das Urteil und beschloss, dass die SS-Kranzschleife eine Sache wie jede andere und durch das Eigentumsgrundrecht geschützt sei.

Der antifaschistische Grundkonsens der Verfassung ist den bayerischen Oberrichtern völlig wurscht, ebenso die Freiheit der Kunst.

Gegen das Urteil und den Beschluss habe ich mit meinem Anwalt Jürgen Arnold Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Daraus entstehen einige finanzielle Aufwendungen.

Solidaritätserklärungen und Solidaritätsbeiträge wären hilfreich.

Die Beschwerde wird unterstützt von:
Sepp Bierbichler, Schauspieler; Christine Bucher; Margret Chatwin;
Eckert Dietzfelbinger, Nürnberg; Dr. Ulrich Dittmann; Otto Dressler, Verfremder; Gabi Duschl; Günter Eisenhut, Galerist, Graz; Birgit Grube; Pf. Oliver Gußmann, Rothenburg o.d.T.; Amelie Fried, Autorin, Moderatorin; Giordano-Bruno-Stiftung; Lisa Gritzmann; Prof. Dr. Daniela Hammer-Tugendhat; Prof. Dr. Ivo Hammer;
Hubert Heinhold, Rechtsanwalt; Claus Peter Hess, Hamburg;
Hanne Hiob, Schauspielerin; Prof. Dr. Detlef Hofmann, Kunsthistoriker; Hans-Georg Hollweg, Mönchengladbach; Robert Hültner, Autor, Regisseur; Gottfried Hüngsberg; Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger; Naomi Isaacs;
Georg Janinhoff; Elfriede Jelinek; Pf. Walter Joelsen; Toni Kilger; Günter Knoll; Antje Kunstmann Verlag; Claus Peter Lieckfeld, Autor; Edgar Liegl, Dozent; Gabriele Malek; Max Mannheimer; Ecco Meineke, Autor, Karettist; Jens Mittelsten-Scheid; Peter Probst, Autor; A1-Verlag; Gerd Nies, Rechtsanwalt; Prof. Klaus Staeck; Herbert Steffen, Masterhausen; Sobo Swbodnik, Autor, Berlin; Bernd Tremml, Rechtsanwalt; Prof. Peter Weibel, Wien; Günter Wimmer; Christian Woldmann; Ingo Zechner, Wien
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Ergänzungen

sachbeschädigung+def

StgB-kenner 15.03.2006 - 15:02
Sachbeschädigung liegt vor, wenn jemand eine fremde Sache rechtswidrig beschädigt oder zerstört. Die Sachbeschädigung ist gemäß § 303 StGB strafbar. Fahrlässige Sachbeschädigung ist nicht strafbar.

Seit dem 39. Strafrechtsänderungsgesetz ist jetzt auch das unbefugte Ändern des Erscheinungsbildes einer Sache strafbar, wenn die Änderung nicht nur unerheblich und vorrübergehend ist (§ 303 Abs. 2 StGB).

Da Sie die Banderole "absichtlich" beschnitten,also beschädigt, haben, wird auch eine Verfassungsbeschwerde nichts bringen.
Die künstlerische Freiheit gibt kein Recht auf beschädigung/zerstörung.Ansonsten könnte ich ja auch einen Menschen auf ultrabrutalste Weise ermorden und sagen das wäre Kunst.

Man hat als Antifaschist kein vom Gesetz gegebenes Recht auf "kreativen" Protest, genausowenig wie die Faschos das Recht auf Hetze gegen Minderheiten haben.
Trotzdem viel Glück, vielleicht wirds ja doch was,wer weiss.

@stgb-kenner

oha.... 15.03.2006 - 16:20
"Die künstlerische Freiheit gibt kein Recht auf beschädigung/zerstörung."

So einfach ist das dann doch nicht. Die Grundrechte gelten schließlich unmittelbar und können nur bedingt durch einfachgesetzliche Bestimmungen wie dem StGB beschränkt werden. Vielmehr muß man bei schrankenlosen Grundrechten wie der Kunstfreiheit abwägen zwischen dem betroffenen Grundrecht und kollidierendem Verfassungsrecht (hier dem Eigentumsrecht der SS-Veteranen). Da eine entsprechende "Ehrung" der Waffen-SS in Deutschland sicherlich unzulässig wäre und für eine Bestrafung in Deutschland ein "besonderes Strafverfolgungsinteresse" bestehen muß, dürfte diese Abwägung wohl leicht fallen.

Generell dürfte es sich hier jedoch eher um eine politische bzw. öffentliche statt um eine formal-juristische Auseiandersetzung handeln, weshalb wir uns unser Kluggescheisse sparen und den Wolfram lieber unterstützen sollten.

Wenn schon, denn schon...

Klaus Parker 15.03.2006 - 20:52
... richtige §§-Reiterei:

Strafbar beschädigen kann man nur eine fremde Sache. Wer eine Zeitung verschippelt, die er auf einer Parkbank gefunden hat, konnte davon ausgehen, dass der vormalige Eigentümer sie unter Aufgabe des Eigentums dort zurückgelassen hat. Unser fiktiver Schippler wird sich also vor seinem "Scherenschnitt" die Zeitung rechtmässig zugeeignet haben, womit sie nicht (mehr) fremd war und somit auch kein taugliches Objekt einer Sachbeschädigung.

Bei den "Froinden" aus AT würde ich natürlich sofort unterstellen, dass diese Kranzschleifen mit Ausdrucken, die nahe an eine strafbare Wiederbetätigung kommen, unter Eigentumsaufgabe entsorgen, da es ihnen nur auf den Propagandaerfolg und nicht auf ein eventuelles Ermittlungsverfahren gegen sich selbst ankommt. Kurz und gut: besten Gewissens würde ich die Dinger für herrenlos halten, mir selbige wirksam zueignen und gehörig der Beschädigung und/oder Vernichtung anheimfallen lassen. Abfallbeseitigung sozusagen. Und straflos.

K. Parker

Aktenzeichen

me 20.03.2006 - 19:35
Darf man das Aktenzeichen erfahren?

Deutsche Richter schützen SS-Schleife

Dokumentation 07.05.2006 - 13:07
Abfallbeseitigung oder strafbare Sachbeschädigung:
Deutsche Richter schützen SS-Schleife
 http://www.hagalil.com/archiv/2006/04/parker.htm

Die Angst vor dem Müllmann
Der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner schneidet seit zwölf Jahren die
Schleifen von Gedenkkränzen für SS-Schergen ab - und steht deshalb vor
Gericht. Der Staatsanwalt verfolgt ihn aus "öffentlichem Interesse", der
Künstler ist empört.
Die verdrängte Nazivergangenheit ist Leitthema seiner Kunst
VON GEORG ETSCHEIT
 http://www.taz.de/pt/2006/03/28/a0110.1/text

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