Freispruch für 2 Antifas in Sachsen

Prozessbeobachter 14.03.2006 14:47 Themen: Antifa
Es ist Dienstag, 9:00 Uhr in Zittau. 2 Antifaschisten stehen vor Gericht. Sie sollen in einer Nacht im September vergangenen Jahres NPD Wahlplakate zerstört haben.
Wir sind wieder zu spät. Die Tür zum Verhandlungssaal ist verschlossen. Ein Angestellter aber macht uns darauf aufmerksam, das alle Beteiligten in einen größeren Raum umgezogen sind, weil so viele gekommen seien und der erste zu klein war. Schnell finden wir denn Raum und obwohl auch dieser arg klein ist, bekommen wir gerade noch ein Platz. Jetzt kanns losgehn.

Zunächst befasst sich der Richter mit der Anwesenheit von allen. Staatsanwalt, Angeklagter T. und Angeklagter M. sowie ihre beiden Rechtsanwälte - alle sind da. Auch die 3 Zeugen, die zur Tat aussagen sollen, werden namentlich aufgerufen, kurz belehrt das sie die Wahrheit sagen sollen und gebeten, draußen Platz zu nehmen.
Der Staatsanwalt beginnt und ließt die Anklageschrift vor. Den Angeklagten T. und M. wird vorgeworfen, in der Nacht am 17.9. vergangenen Jahres, NPD Wahlplakate heruntergerissen, bzw. diese mit Farbe beschmiert zu haben. Dabei sei ein Sachschaden von 50 Euro entstanden. Die NPD habe daraufhin Anzeige erstattet.

Angeklagter T. erhält das Wort. Er möchte jedoch nichts zur Sache sagen, aber die Hintergründe etwas beleuchten. Er bekannte sich als Antifaschist und glaubt an eine wehrhafte Demokratie. Trotzdem sieht er eine Gefahr in den Nazis und deren Verbreitung braunen Gedankengutes. Aus diesem Grund sei er stets aktiv gegen Rechts und nannte einige Beispiele seines politischen Handelns. Nun scheint es ihm, das die Nazis das immer mehr nervt und sie diesen Prozess benutzen wollen, um sich an ihm zu rächen und ihn mundtot zu machen. Schließlich kostet so ein Prozess ja auch Zeit und Geld. Er führte dann noch aus, das der betitelte Sachschaden auch niemals bei 50 Euro liegen kann. Denn wie jeder ja weiß, lässt die NPD ihre Plakate nicht im teueren Deutschland drucken, sondern weitaus billiger in Polen. Und es handelt sich ja konkret nur um ein Plakat, was dann höchstens 2 Euro kosten dürfte.
Der Richter fragte nochmal genauer nach, woher denn die Vermutung kommt, das Rache genommen werden soll. T. erläutert nochmal, das er sehr bekannt sei in der Szene (sogar einen Spitznamen hat, wie sich später rausstellt) und nennt konkret eine Gegebenheit wo ihm von NPD Mitgliedern gedroht wurde.
Der mitangeklagte M. schließt sich seinem Vorredner an und ergänzte noch einige Sachen. Auch ihre beiden Anwälte fragen noch einige Sachen ab, um einiges noch zu verdeutlichen.
Der Herr Staatsanwalt hat keine Frage. Überhaupt, er wirkt sehr gelangweilt. Stiert zum Fenster raus oder hat die Augen zu. Er wirkt sehr teilnahmslos. Das soll sich aber noch ändern. Es wird der erste Zeuge aufgerufen.
Und der nuschelt wie verrückt (spricht undeutlich). So sehr, das der Richter einige male Nachfragen muss, was er denn gesagt habe. Er sei Nachts von seiner Frau geweckt worden, weil diese ein Geräusch gehört habe. Er ging zum Fenster und will gesehn haben, wie M. gegen ein Plakat schlug und dieses runter viel. Nachfrage vom Richter, weil keiner was verstanden hatte. Er wiederholte: "Es fiel runter, der Johannes" - "Wer?" - "der Johannes!" (gemeint war das Plakat, auf welchem Dr. Johannes Müller NPD Direktkandidat abgebildet war) Das sorgte für einige Erheiterung im Publikum, woraufhin sich der Zeuge umdrehte und meinte, er finde das gar nicht lustig. Auch der Richter bemerkte schnell, das er das nicht lustig findet und versuchte mit verzognem Gesicht weiter zu verstehen, was der Zeuge redete. Er habe dann am nächsten Tag das Plakat neu beklebt und wieder aufgehangen. Denn er hat ja noch 650 Plakate im Keller gehabt, weil man ja damit gerechnet habe, das die Linken welche runterreißen und diese wieder ersetzt werden müssen.
Nun war der Staatsanwalt dran und wachte plötzlich richtig auf. Zitat: "Ich glaub ich geh gleich die Decke hoch." Zitat ende. Er glaube niemals das das Plakat 50 Euro koste und meinte noch: "ich lass mich doch nicht verarschen" Der Zeuge erwiderte das er davon auch keine Ahnung habe und das ihm das sein Vorgesetzter so gesagt habe.
Auch die beiden Rechtsanwälte hatten noch fragen, unter anderem warum er denn nicht die Polizei rief. Er habe kein Telefon. Er habe ja auch keine Anzeige erstattet. Er hat am nächsten Tag über CB-Funk seinen Parteivorsitzenden informiert und der habe gesagt er solle das Plakat neu kleben und wieder aufhängen. Und das habe er gemacht. Der Rechtsanwalt fragte dann, warum er nicht einfach das heruntergerissene wieder aufgehangen habe. Nein, das sei kaputt und der Parteivorsitzende habe gesagt... und sie haben ja noch so viele im Keller.... usw. Der Rechtsanwalt drückte sein Staunen darüber aus, das so viele (650) im Keller seinen, wenn eins 50 Euro koste. Das wären 32500 euro... er wüsste das nicht aber der Parteivorsitzende habe das so gesagt. Und sie sind ja am nächsten Tag auch mit der Partei zum Landtag und.... ect.
Darauf fragte der Staatsanwalt nochmal, ob man denn nicht das runtergerissene einfach wieder aufhängen könne. Nein, er habe Parteiauftrag gehabt... unterbrechung vom Staatsanwalt: Zitat: "Ihr Parteiauftrag interessiert mich nicht die Bohne!" Zitat ende. Gehts es oder geht es nicht. Nun - er selbst hätte es schon wieder aufgehangen, aber der Parteivorsitzende hat ja gesagt er soll es neu kleben.
Keine weiteren Fragen, Zeugin 2 betritt den Raum (die Frau von Zeuge 1)
Sie kann zur Sache eigentlich nichts aussagen, weil sie hat nur ein Geräusch gehört, ihren Mann geweckt und sei wieder ins Bett gegangen. Der Richter meinte, das hätte sie bei der Polizei auch aussagen können. Sie habe aber keinen Termin gehabt, meinte sie. Darauf hin der Richter: Aber sie haben doch telefonisch abgesagt weil sie nicht konnten. Achso, ja, dann hatte sie wohl doch einen....
Keine weiteren Fragen, Zeugin 3 kommt (eine Bekannte des Ehepaares und schlief die Nacht bei ihnen.)

Zeugin 3 hat T. gesehn, wie er einfach nur rumstand ein ganzen Stück weg vom Tatort. Und sie sah, wie M. Farbeier auf das Plakat warf und dann dieses runterriß. Die Frage, ob es wieder aufzuhängen ginge, verneinte sie, da der Kopf des Abgebildeten zerrissen sei. Wo die Farbe war wußte sie auch nicht, nur das M. sie geworfen hat, das wußte sie. Der Rechtsanwalt fragte nun nochmal nach, ob nur M. was gemacht hat und T. nur rum stand. Ja, nur M. habe das Plakat heruntergerissen. Nun konfrontierte sie der Rechtsanwalt mit der Aussage, welche sie bei der Polizei gemacht habe. Dort wollte sie noch T. gesehn haben wie er die Tat beging, nicht aber M. Darauf erwiderte sie: Zitat: "Da hab ich mich verguckt". Zitat ende.
Nun platzte dem Staatsanwalt der Kragen. Er wurde arg wütend, prangerte die Widersprüchlichkeit an, das der erste Zeuge was ganz anderes gesagt habe und fügte hinzu: Zitat: "Es stinkt hier nach Falschaussage. Keine weiteren Fragen" Zitat ende.
Es folgten dann noch einige Fragen von den beiden Rechtsanwälten die immer deutlicher machten, wie sich die Zeugin in Widersprüche verfing. Damit war die Beweisaufnahme beendet.
Nun trat eine Frau auf, die uns etwas über die Lebensgeschichte von M. erzählte und der Meinung war, das das Jugendstrafrecht nicht mehr gelte und er nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden kann.
Dann kam das Schlusswort der Staatsanwaltschaft. Dieser forderte Freispruch für T., da ihm kein Vergehen nachgesagt werden kann und die Zeugen ihn ja auch überhaupt nicht belastet haben. M. sei für ihn schuldig, er solle auch nicht so tun als sei er die Unschuld vom Lande. Aber er müsse aus rechtlichen Gründen trotzdem Freispruch fordern, weil die Schwere der Tat noch nicht reiche für Sachbeschädigung. Es ginge ja nur um dieses eine Plakat in dieses einen Nacht.
Ebenso forderten dann auch die beiden Anwälte Freispruch, aus den gleichen Gründen wie die Staatsanwaltschaft vorgelegt hat.
Nach kurzer Urteilsfindung wurde im Namen des Volkes verkündet: Freispruch für beide Angeklagte! Begründung: Auch wenn hier versucht werde ein politischer Prozess draus zu machen, es ging hier nur um Sachbeschädigung! Und die konnte T. nicht nachgewiesen werden und M. hat nicht genug kaputt gemacht dazu.
Da auch die Staatsanwaltschaft gleich ankündigte, keine Rechtsmittel einlegen zu wollen, ist das Urteil somit auch Rechtskräftig.
Der Richter sah sich dann noch genötigt eine kurze moralische Anmerkung zu machen und meinte sinngemäß: Egal ob links oder rechts, Gewalt darf niemals mittel zum Zweck sein!

Glückwunsch den beiden Angeklagten!
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Ergänzungen

Rede eines Angeklagten

Antifa 15.03.2006 - 08:25
Sehr geehrter Herr Richter, Sehr geehrter Herr Staatsanwalt,

Ich moechte mich auessern. Zwar nicht zu dem konkreten Sache - das muss sache der Beweisaufnahme bleiben.

Jedoch möchte ich folgendes bemerken:
Natürlich verschweige ich nicht, dass ich ein Gegner der NPD und überzeugter Antifaschist bin. Das heißt jedoch nicht, dass ich gegen die Gesetze der demokratischen Grundordnung verstoße. Ich erachte die Demokratie und somit deren Gesetze als wesentlich akzeptabler als eine Diktatur – ganz gleich welcher Art. Deswegen halte ich mich auch an die rechtlichen Gegebenheiten, da ich denke, dass die Demokratie wehrhaft genug ist, sich zu beschützen.

Meines Erachtens nach, sind links eingestellte Menschen, wie ich und der Angeklagte den hiesigen NPD Mitgliedern ein Dorn im Auge. So mussten diese doch eine gewisse Öffentlichkeit gegen Ihr Gedankengut ertragen. Gern habe ich dazu mit beigetragen.
Sei es beim Wahlkampf in Zittau, wo wir uns gegen dieses braune Gedankengut positioniert haben, sei es bei den Montagsdemonstrationen, welche durch die NPD am Ende maßgeblich bestimmt wurden, oder sei es am 03.12. bei dem rechtsextremen Konzert in Oderwitz. Dass Sie sich dann an uns – ich nenne es RÄCHEN – wollen, liegt auf der Hand. Auch haben die Zeugen als Mitglieder der NPD ein zumindest mittelbares Interesse an dem Fall.

Des weiteren gibt es eine Vielzahl von Gegnern der NPD. Da ich den Kameraden nicht unbekannt bin, wollen diese mich und den Mitangeklagten wahrscheinlich exemplarisch belangen. Denn Neonazis verfolgen erklaerter massen das Ziel, diejenigen, die sich gegen ihre Propaganda wenden, sooft wie irgend moeglich anzuzeigen - um einen permanenten Verfolgungsdruck aufrecht zu erhalten, vor allem aber, um an moeglichst viele Informationen zu gelangen. Insofern ist dieses Verfahren von hoher politischer Brisanz. Es geht um die Handlungsmoeglichkeiten derjenigen, die den Ruf der Verfolgten in Buchenwald nicht vergessen haben: "wehret den anfaengen"

Auch möchte ich auf die allgemeine Lage hinweisen.
So wurde in Zittau in der Nacht zum Montag, dem 06.03. die Schaufensterscheibe der Linkspartei in der Bahnhofstraße eingeworfen. Vernichtet wurde das Plakat „Keine Geschäfte mit Nazis“. Dies lässt in meinen Augen auf die Täter schließen. Hier wünsche ich mir, dass ebenfalls genauso akribische Ermittlungen geführt werden, wie bei dem hier verhandelten Fall.
Des weiteren ist die Zahl der antisemitischen Straftaten im Jahr 2005 gegenüber 2004 um 20 Prozent gestiegen. Die Durchsuchung in Bautzen letzte Woche in bezug auf eine bundesweite Razzia gegen die rechtsextremistische Gruppierung „Blood an Honour“ lassen ebenfalls deutlich erkennen, dass der Feind der Demokratie auf der RECHTEN Seite steht.

Ich wiederhole meine Meinung: Antifaschismus ist kein Verbrechen, sondern Bürgerpflicht.

Zur Sache an sich weise ich darauf hin, dass in den Zeugenaussagen erhebliche Widersprüche aufgetreten sind. Dies werden die Anwälte dann genauer erläutern.

In Frage stelle ich auch den Wert der angeblich zerstörten Plakate.
Diese dürften niemals einen Wert von € 50,- haben, schon gar nicht ein einziges Plakat.
Anscheinend hat es die NPD nötig, nach dem deutlichen Schrumpfen Ihrer Landtagsfraktion und somit der Einnahmen, auf jeden Cent zu schauen.
Auch ist bekannt, dass die NPD gewöhnlicher weise keine deutschen Firmen mit dem Druck der Plakate und der Parteizeitung beauftragt, sondern diese lieber in Polen bzw. nun in Litauen drucken lässt. Dass in diesen Ländern ein anderes Preisniveau herrscht als hierzulande, ist ebenfalls unstrittig.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit

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Zittauer Landrecht — Schweineherrschaft

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Was war da wieder los — Unwichtig