Dresden 1. Prozesstag gegen AntifaschistInnen

ra0105 11.03.2006 23:58 Themen: Repression
Am 10. März fand der erste Prozesstag gegen Dresdener Antifaschisten statt. Doch der erste Tag des Prozesses war nur eine Frage weniger Minuten - und eine Blamage für den Staatsschutz, der doch intensivste "Ermittlungsarbeit" leistete.
[Hintergrund #1]

Im Jahr 2003 fanden bekanntlich zahlreiche Protestaktionen gegen die "Hartz 4" - Gesetzgebung statt. Die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe, so fürchteten viele, würde massive Verschlechterungen für die Betroffenen bedeuten. Auf diesen Zug wollten auch Neonazis aufspringen. In der Vergangenheit gab es bereits einige Versuche die Themenpalette und die Ausdrucksformen zu verändern. So rief man zu AntiAKW - Protesten auf, versucht sich in so genannten Bürgerbewegungen zu engagierenoder versucht den "Black Block" zu imitieren. Die Erfolge waren bisher eher bescheiden. So witterten die "Kameraden" bei den Anti-Hartz 4-Protesten endlich ihre Chance. In einigen Städten Sachsens gelang es Ihnen die Montagsdemos beinahe zu vereinnahmen. In Dresden kam es am 1. Dezember anlässliche der 1. Montagsdemo zu Handgreiflichkeiten. Nachdem Sven Hagendorf (siehe Foto) und Ronny Thomas als Neonazis geoutet und ihnen der Zutritt zur Veranstaltung verwehrt werden sollte, entwickelte sich ein kleines Handgemenge. Die beiden Nazis wurden dabei angeblich verletzt. Zwar gab es dafür kein Attest oder sonst einen Hinweis, für die Polizei und dort speziell dem Staatsschutz aber dennoch Anlassgenug ordentlich auf den Putz zu hauen. Der Höhepunkt war ein völlig überzogener Polizeieinsatz am 21.01.05. Polizeibeamte stürmten gleichzeitig mehrere Wohnungen und ein Wohnprojekt, durchbrachen Türen und bedrohten Angehörige. 8 Personen wurden festgenommen und nach mehrstündigem Gewahrsam Erkennungsdienstlich behandelt.
Schon eine Woche später, bei der 2. Montagsdemo, hatte bereits das Dresdener Ordnungsamt für einen Eklat gesorgt. Von da an mussten entgegen dem erklärten Willen des Veranstaltungsleiters Nazis als"kritische Teilnehmer" geduldet werden. Diese ließen sich diese Einladung nicht zweimal sagen und so stolzierte Nazi mit eingesetztem Mundschutz und mit breiter Brust durch die Dresdener Innenstadt. Versuche sie von der Demo zu entfernen, scheiterten an der dienstbeflissenen Polizei.

[Hintergrund #2]

Am 16. Juni vergangenen Jahres versuchten etwa 30 gewaltbereite Nazischläger eine Veranstaltung der Bürger.Courage zu stören. Nachdem der Veranstalter davon erfahren hatte, bat er um Polizeischutz, wasverwehrt worden ist. Nach Medienberichten kam es in der Nähe der Kunsthofpassage zu einer regelrechtenStraßenschlacht. In deren Verlauf, so die Anklageschrift, soll eine der Angeklagten Elli Doberstein ( Co-Anmelderin der 13. Februar "Gedenkdemos" und JLO-Aktivistin) eine Eisenstange auf den Kopf gehauen haben. Resultat eine 6 cm lange Platzwunde.
Nachdem die Nazis in der Neustadt ordentlich eingesteckt hatten, schwor man Rache. Im Netz kündigte man an, die "Bunte Republik Neustadt", ein alljährliches stattfindenes alternatives Straßenfest, anzugreifen. Dies fand nicht statt. Stattdessen wurden in Pirna zurückkommende vermeintliche BesucherInnen des Festes am Bahnhof angegriffen.

[Hintergrund #3]

Außerdem wird eine Sachbeschädigung bei einem BüSo - Stand (Schaden 150€) sowie eine Widerstandsdelikt verhandelt.

[Der erste Prozesstag]

Etwa 50 UnterstützerInnen hatten sich eingefunden. Gespannt wartete man nicht nur auf das Ergebnis des ersten Teils der Verhandlung, sondern auch auf die Nazis. Diese hatten unter anderem auf "Störtebeker", "Freier Widerstand" und anderen Naziseiten ihr Erscheinen und eine Prozessbeobachtung angekündigt. Man wartete und wartete aber kein Nazi kam...
Die Veranstaltung konnte also nun im komplett durch Antifas (und einer kleinen Schülergruppe?) besetzten Saal beginnen. Die Staatsanwältin verlas die Anklageschrift und dann gab es erstmal eine Pause.Verteidigung und Staatsanwaltschaft einigten sich über die Einstellung des Verfahrens. In zwei Fällen müssen Geldstrafen bezahlt werden, bei den anderen 3 gab es eine Einstellung ohne Auflagen. Damit war der erste Themenkomplex (Hintergrund #1) erledigt.
Zwischenzeitlich hatte sich auch die Arbeitsgemeinschaft Prozessbeobachtung eingefunden. Diese "Gemeinschaft" bestand jedoch nur aus Sven Hagendorf. Und von Arbeit konnte auch keine Rede sein. Er betrat noch nicht einmal den Gerichtssaal sondern zog es vor still und leise in einer Ecke zu stehen. Ein beeindruckendes Beispiel"nationalen Widerstandes" ;), denn auch die Nebenkläger sollten an diesem Tag komplett fehlen.

[Der zweite Prozesstag...]

Findet am 15.03.06 statt.

[Erklärung eines Angeklagten]

Ich moechte mich auessern. Zwar nicht zu dem konkreten Ablauf - das muss sache der Beweisaufnahme bleiben, dazu kann ich nur feststellen, dass die gewalt von den Neonazis, vor allem von Herrn Thomas, ausging, aber zu meiner Motivation, ueberhaupt am besagten Tag an diesem Ort gewesen zu sein.
Ende 2003 begannen die Proteste gegen die sog. Hatz IV-Pakete, also gegen massive Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland. Diese Proteste habe ich als notwendig eingeschaetzt. Gleichzeitig gab es Anzeichen dafuer, dass Neonazis diese dafuer nutzen wollen, um sich als eine normale, demokratische Opposition zu praesentieren. Meiner Einschaetzung nach war dies eine gefaehrliche Situation, da ich davon ausging, dass vielen, die sich von der Politik des Sozialabbaus betroffen fuehlten, eine inhaltliche Abgrenzung zu rechter, rassistischer und antisemitischer Kritik fehlt. Deshalb hielt ich es fuer angebracht, auf der Demonstration die bevorstehende Teilnahme von Neonazis zu thematisieren. Ich ging davon aus, dass sowohl die Veranstalter als auch die Teilnehmer der Demonstration nicht zusammen mit neonazis demonstrieren wollen.
Meines Erachtens war die Teilnahme von Herrn Thomas und Herrn Hagendorf auf der Montagsdemo am 1. 12. 2003 eine Art Testlauf fuer das weitere Auftreten auf diesen Demonstrationen, nicht nur in Dresden sondern in ganz Sachsen und darueber hinaus. In Dresden gab es in Folge der Thematisierung eine kontinuierliche Auseinandersetzung um die Abgrenzung der Kritik an neoliberaler Poltik nach rechts. Sie fuehrte zu Spaltungen des Vorbereitungskreises, rechtlichen Auseinandersetzungen um das sog. Recht auf kritische Teilnahme, zu Gewalttaten von Neonazis an Teilnehmern der Demonstrationen und vieles mehr. In anderen saechsischen Staedten - zb goerlitz - konnten sich Neonazis relativ unwidersprochen bei den HatzIV-Protesten etablieren - ein Umstand, der im allgeimenen massgeblich fuer den Einzug der NPD in den saechsischen Landtag verantwortlich gemacht wird.
Ich sehe politisch derzeit keine Alternative, als kontinuierlich dort praesent zu sein, wo Neonazis agieren, auch wenn dies immer mit Risiken verbunden ist. Zum einem dem Risiko, mit Gewalt von Seiten der Neonazis konfrontiert zu sein, zum anderen einer Strafverfolgung ausgesetzt zu sein. Denn Neonazis verfolgen erklaerter massen das Ziel, diejenigen, die sich gegen ihre Propaganda wenden, sooft wie irgend moeglich anzuzeigen - um einen permanenten Verfolgungsdruck aufrecht zu erhalten, vor allem aber, um an moeglichst viele Informationen zu gelangen. Insofern ist dieses Verfahren von hoher politischer Brisanz. Es geht um die Handlungsmoeglichkeiten derjenigen, die den Ruf der Verfolgten in Buchenwald nicht vergessen haben: "wehret den anfaengen"



[Presseerklärung der Soligruppe]

Verfahren gegen Antifaschist_innen eingestellt

Sehr geehrte Damen und Herren,
heute fand der erste Prozesstag gegen fünf Antifaschist_innen am Amtsgericht Dresden wegen angeblicher Körperverletzungen statt. Hintergrund war die erste Montagsdemo Ende 2004, bei denen sich Personen Neonazis in den Weg stellten. Sie wollten damit verhindern, dass sie an der Demonstration teilnehmen um ihre rassistische, antisemitische und menschenverachtende Propaganda zu verbreiten. Siehe vorherige Pressemitteilung vom 9.03.06.
Die Anklage wurde bei drei Personen nach §153 wegen geringer Schuld und bei zwei Personen gegen Auflagen eingestellt.
Diese Vorwürfe der angeblichen Körperverletzung stehen in einer Reihe mit mehreren Anzeigen die Neonazis gegen Antifaschistinnen gestellt haben.
Die Konsequenz für die Betroffenen war ein total überzogener Polizeieinsatz mit Beteiligung des Staatsschutzes am 21.01.05. Damals stürmten Polizeibeamte gleichzeitig mehrere Wohnungen, brachen Türen auf und bedrohten Angehörige. Schließlich wurden 8 Personen festgenommen und nach mehrstündigem Gewahrsam erkennungsdienstlich behandelten.
Von den Anzeigen der Nazis ist nicht viel geblieben. Es gab nie Verletzungen die nachgewiesen werden konnten bzw. Taten die Personen explizit zugeschrieben werden konnte. Dafür bleiben die angezeigten Personen auf ihren Anwaltskosten sitzen und die Neonazis tragen ihre gesammelten Daten in ihre Kartei ein.
Warum nach bundesweiter Mobilisierung auf allen einschlägigen Neonaziseiten heute niemand von ihnen erschienen ist, wissen wir nicht. Platz war im Gerichtssaal sowieso keiner mehr, da mindestens 50 Unterstützer_innen ihre Solidarität mit den Angeklagten zeigten.
Die Geldstrafen müssen an AMAL - Hilfe für Betroffene Rechter Gewalt gezahlt werden und kommen somit den Opfern von Neonazigewalt zu gute. Anna-Marie Fischer von der Soligruppe meint dazu:"Damit rückt auch die Staatsanwaltschaft die Verdrehung der Täterrolle etwas gerade."
Am Mittwoch, 15.03.06 wird um 8.45 Uhr der Prozess fortgesetzt.

Soligruppe für die Angeklagten
Dresden, 10.03.06

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Ergänzungen

Da steht doch klar, dass es Hagendorf ist.

Lesen bringt´s 12.03.2006 - 13:53
Etwas schärfere Bilder vom Svenni gibt es bei den angegebenen Links oder hier:

Dresdner Nazi Sven Hagendorf vor Gericht
von Angeklagter Sven H. endlich vor Justiz [ASJ] - 11.10.2005 21:07
 http://de.indymedia.org//2005/10/129944.shtml

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

ooooch... — golem

auf dem foto — hjxötohji

@ hjxötohji — egal

18.3. — potsdam