Zum Tod von Milosevic - ein Literaturtipp

Torben Klimmek 11.03.2006 20:18
Ein wohlfeiles Urteil über Slobodan Milosevic haben Spiegel, Steinmeier & Co bereits gefällt: Der Kriegsverbrecher Milosevic hat seine gerechte Strafe erfahren, und der Frieden auf dem Balkan kann nun beginnen. Dass dem vermeintlichen Kriegsverbrecher in Den Haag in keinem Anklagepunkt eine Straftat nachgewiesen werden konnte, wird verschwiegen.
Anlässlich des Todes von Milosevic möchte ich auf den im bildungsbürgerlichen Hochglanzmagazin „Literaturen“ im Sommer des letzten Jahres erschienenen Artikel „Die Tablas von Daimiel“ von dem von mir hochgeschätzten Peter Handke über seine Begegnung mit Slobodan Milosevic im Gefängnis von Scheveningen hinweisen. Vordergründig erklärt Handke in diesem, warum er nicht als Zeuge der Verteidigung im Prozess gegen Milosevic in Den Haag aussagen wollte, doch hintergründig beschreibt er kraft seiner kunstvollen und vor allem feinfühligen wie poetischen Sprache, mit welcher heuchlerischen Moral der Westen sich erdreistet, nachdem die NATO wider internationales Völkerrecht sowohl Bosnien als auch Serbien mit einem Angriffskrieg überzogen hat, nun im Namen der Gerechtigkeit über die vermeintlichen Verbrechen des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten zu richten, dem im Zuge des vierjährigen Prozesses keine, selbst mittelbare, Beteiligung an den zweifelsohne verübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit nachgewiesen werden konnte. (Warum wird in unseren Medien eigentlich fast ausschließlich nur über diesen Prozess und nicht über die Verfahren gegen Kroaten und Muslime wie auch über deren begangene Verbrechen während des Jugoslawienkrieges berichtet.) Übrigens lohnt es sich auch Handkes Bücher zum Thema Jugoslawien wie z.B. „Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien“ zu lesen. Im Grunde genommen hätte ihm ja, wie sich Elfriede Jelinek äußerte, vorletztes Jahr der Nobelpreis zugestanden, bekam ihn aber offensichtlich aufgrund seines couragierten Eintretens für Serbien nicht. Es ist schon bezeichnend, wer bei uns im Westen als sog. moralische Persönlichkeit des öffentlichen Lebens gilt wie z.B. der sich immer auf der richtigen Seite wähnende „Gutmensch“ und SPD – Wahlkämpfer Günther Grass, der sich ja zwar verhalten, aber letztlich doch für das NATO – Bombardement auf Jugoslawien ausgesprochen hatte. Anlässlich des im letzten Jahr begangenen sechzigsten Jahrestages zur Beendigung des Zweiten Weltkrieges und der infolgedessen allerorten stattgefundenen Gedenkfeiern an die Opfer der deutschen Gewaltverbrechen hätte man sich in unserer Republik gerade auch verstärkt an die in Kooperation mit der Ustascha begangenen Verbrechen der Deutschen Wehrmacht und der SS an den Serben erinnern sollen. Doch wo konnte man etwas über dieses dunkle Kapitel unserer Geschichte lesen, hören oder sehen? Ich habe auf jeden Fall nichts Entsprechendes vernommen. Es ist sicherlich nicht zu weit hergeholt, den fürs öffentliche Gewissen zuständigen Journalisten und Kulturschaffenden hier eine gewisse Absicht der Unterschlagung zu unterstellen, würde man mit der Bewusstmachung der historischen Verbrechen doch einen für alle Beteiligten peinlichen Zusammenhang mit den jüngsten Angriffen gegen Serbien herstellen, weshalb ich mich von neuem fragen muss, wie es sein kann, dass man in einem Land mit so vielen anscheinend gebildeten und informierten Bürgern, leben wir doch in einer Wissensgesellschaft, solch einen versteckten Revisionismus betreiben kann.
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Ergänzungen

Milo?

jj 11.03.2006 - 20:42
Man mag ja von Milosevic halten was man will, aber er hat sich gegen die von der BRD und der NATO organisierte Zerschlagung Jugoslawiens gestellt. Vorher war Jugolawien eines der führenden Länder der Blockfreienbewegung. Jetzt ist nur noch ein Bündel von Zwergstaaten unter NATO- und EU-Proektorat, dessen korrupte Politiker um Geld aus dem EU-Töpfen oder den Schmiergeldtöpfen der großen Konzerne betteln.

Dumme Logik

Ilir Hoti 11.03.2006 - 23:37
Milosevic war ein brutaler Nationalist. Dieser Mensch hat wesentlichen Anteil daran, dass es dem Imperialismus möglich war in Jugoslawien zu intervenieren. Die Formel: "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" ist politisch dumm und unmenschlich gegenüber den Opfern von Milosevic. Solche Figuren wie Milosevic braucht der Imperialismus, um sich als Hüter von Humanität und Ordnung aufzuspielen. Eine bestimmte Zeit liefern Typen wie Milosevic dem Imperialismus bei einigen Menschen sogar eine gewisse Glaubwürdigkeit. Die Milo-Fans hier sind nichts anderes als gute Deutsche "Antiimperialisten",die vom Wohnzimmersessel aus faschistische Verbrechen ignorieren nur weil sie sonst nicht wissen wie sie gegen ihre eigene Regierung argumentieren sollen.

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