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alles klar herr kommissar

autopool 06.03.2006 13:17
„Alles klar, Herr Kommissar?“

- Fragen und Kritik zur Veranstaltung „Problem Polizei“ an die Antifaschistische Linke Berlin -
„Alles klar, Herr Kommissar?“

- Fragen und Kritik zur Veranstaltung „Problem Polizei“ an die Antifaschistische Linke Berlin -

Mit diesem Papier wollen wir (die gruppe autopool) uns kritisch zu der am 19. Januar von der ALB in Kooperation mit Tobias Pflüger präsentierten und im Europäischen Haus durchgeführten Veranstaltung "Problem Polizei - Schläger mit Lizenz?" äußern. Wir werden versuchen, unsere Kritik deutlich zu machen und einige Fragen stellen, die wir gerne mit euch, der ALB, diskutieren wollen. Weiter rufen wir zu einer allgemeinen Diskussion auf und bitten alle interessierten GenossInnen sich zu äußern.

1) Zur Idee
Wir halten es für sinnvoll eine Informationsveranstaltung über Bullengewalt zu machen bzw. generell eine Diskussion über Repression zu führen.
Wir finden es aber scheisse, so etwas mit dem Bullenpräsi zusammen zu machen, egal ob er dabei bloßgestellt, wegdiskutiert oder nur interviewt werden soll.

2) Zur Veranstaltung
Wir nehmen an, dass die Initialzündung zu der Idee einer solchen Veranstaltung die Prügelorgie des Zivibullen auf der ZapfNix!-Demo war. Das Flugblatt kündigte die Diskussion zu dem Thema "Was tun für innere und äußere Abrüstung [der Polizei]?" an. Die Liste der DiskussionsteilnehmerInnen umfasste neben Wolf-Dieter Narr (Komittee für Grundrechte, Cilip), Tobias Pflüger (Europarlamentarier, Informationstelle Militarisierung e.V.), Sven Richwin (Anwalt, RAV), Helga Seyb (Reach Out) auch Volker Ratzmann von den Grünen. Angekündigt waren ebenfalls VertreterInnen von WASG, PDS, SPD, FDP und des "Arbeitskreises kritische PolizistInnen". Moderiert werden sollte das Ganze von jeweils einer Person der UAB und der ALB.

So far so bad. Doch die Teilnahme von ParteivertreterInnen soll hier nicht das Thema sein…

Was NICHT auf dem Flugblatt vermerkt war, war die Anwesenheit des Polizeipräsidenten von Berlin, Dieter Glietsch, der aktiv an der Podiusmdiskussion teilnehmen durfte.

3) Zur Praxis
Wir setzen das grundsätzliche Infragestellen des staatlichen Gewaltmonopols gegen alle Hoffnungen, die zu einem Gespräch mit dem Polizeipräsidenten führen. Eine solche Podiumsdiskussion, gerade wenn sie aus Teilen der radikalen Linken organisiert (!) wird, kann nur die Akzeptanz der staatlichen Macht stärken.
Durch die Reduktion der Kritik auf "übertriebene" Gewalt (Stichwort Korpsgeist der 23. Einsatzhundertschaft?) wird der Grundsatz, das staatliche Gewaltmonopol GRUNDSÄTZLICH in Frage zu stellen und abzulehnen, aufgeweicht. Das führt unserer Meinung nach zu einer größeren Akzeptanz von Staatsgewalt und stellt in Form einer Podiumsdiskussion sogar eine Stütze des Gewaltmonopols (diesmal von Links!) dar.
Anstatt die exzessive Gewalt als Ausdruck der Verhältnisse zu werten wird die Frage gestellt: "Wie viel Gewalt darf die Bullerei denn anwenden?".

Wir denken auch, dass es die politische Auswirkung der Podiumsdiskussion an anderen Punkten zu kritisieren gilt. Dadurch, dass Glietsch überhaupt an der Diskussion teilnimmt, wird es für Menschen wie Ratzmann (und die ganze Parteienriege) möglich, sich als aufrechten und ehrlichen Verfechter der Menschenrechte und "Vernünftigen" Kritiker der Polizei zu stilisieren.
Das kann unserer Meinung nach das Diffamieren einer Fundamentalopposition nur fördern.
Weiter kritisieren wir die Ausweitung angeblich akzeptabler Gesprächspartner auf Bullen.

Das bringt uns zum zumindest teilweise fundamentaloppositionellen Publikum. Wir gehen davon aus, dass viele der Anwesenden (die ja nicht nur Linksradikale waren) nichts von Glietschs Teilnahme wussten. Die Einladungspolitik, eine solche Information nicht anzukündigen (v.a. da die "VertreterInnen" von WASG & Co. auch nicht namentlich, aber zumindest deren Anwesenheit erwähnt wurde!) finden wir grundsätzlich falsch.
Trotzdem wundern wir uns, wieso es kein Pfeifkonzert, keine übergreifenden Buhrufe (oder "Hau ab") gab und wieso keine noch übrige Butterstulle auf Glietsch flog?
Selbst wenn das Publikum sich so zusammensetzte, dass die oben vorgeschlagenen Dinge nicht geklappt hätten, dann wäre es das Mindeste gewesen, gemeinsam und demonstrativ den Raum zu verlassen.

4) Zur Vorbereitung
Grundsätzlich stellen wir die Fragen: Wie ist die Vorbereitung gelaufen? War es von vornherein klar, das Glietsch eingeladen wird? Wie, und vor allem Wann ist diese Entscheidung von wem getroffen worden? War es eine offene Vorbereitungsgruppe?

Wir fragen uns das, weil die Teilnahme von Glietsch auf dem Flugi eben NICHT bemerkt war und wir uns so vorstellen, dass diese Entscheidung entweder recht kurzfristig getroffen oder absichtlich nicht auf dem Flugblatt vermerkt wurde. Uns drängt sich die Frage auf, ob diese Kurzfristigkeit nicht darauf zurückzuführen ist, dass bei einer im Vorfeld angekündigten Teilnahme Glietschs die Veranstaltung hoffentlich nicht so reibungslos abgelaufen wäre.
Wir fragen uns weiterhin, ob die gesamte ALB hinter einer Veranstaltung steht, auf der Glietsch eine Stimme gegeben wird, zur radikalen Linken zu sprechen.
Selbst wenn das Ziel war, Glietsch vorzuführen, dann halten wir es für einen schweren Fehler, zu glauben, dass das in diesem Rahmen möglich gewesen wäre. Es ist nicht möglich, eine Diskussion mit dem Polizeipräsidenten und Parteileuten zu führen und dabei die herrschende Logik zu durchbrechen.

Die Beteiligung an einer Diskussion über und mit der Staatsgewalt ist für die vertretenden Parteien sicher Teil ihrer pluralistisch-demokratischen Realität. Wir kritisieren jegliche angestrebte Beteiligung an dieser Realität.
Grundsätzlich will uns die Idee nicht einleuchten: "Problem Polizei" - Lösung: Wir reden mal mit ihrem Chef??? Wurde ernsthaft erwartet, dass irgendeine Besserung der beschissenen Verhältnisse zu erreichen ist?

5) Zum Schluss
Gerade die rege Beteiligung auch aus dem linken und linksradikalen Spektrum stellt uns vor einige abschließende Fragen.
Woher kommt das große Interesse, sich mit Bullen zu unterhalten?
Wir beobachten in der letzten, repressionsintensiven Zeit eine Unsicherheit und einen Drang nach Aufklärung vor allem bei jüngeren AktivistInnen. Dieser Drang äußert sich häufig in Nachfragen an als "Repressions-Experten" angesehene Personen. Das können und sollten erfahrene GenossInnen sein, es kann allerdings auch dazu führen, dass der Dialog mit der Macht gesucht wird. "Warum haut ihr uns eigentlich die Fresse ein?"
Damit müssen wir uns als radikale Linke auseinandersetzen und uns fragen, ob die Weitergabe von eigentlich als längst selbstverständlich verstandenen Praxen (Aussageverweigerung, Nutzung unserer Strukturen wie Rote Hilfe oder EA, keine Anzeigen gegen andere Linke, kein Quatschen mit Bullen) nicht mehr so funktioniert, wie wir es brauchen.

Wir würden diesen Beitrag gern als (weiteren) Anstoß zu einer Auseinandersetzung mit Repression und staatlichem Gewaltapparat innerhalb der radikalen Linke verstanden wissen und uns freuen, wenn weitere GenossInnen sich Fragen stellen, oder gar Antworten geben können...

Die Diskussion ist eröffnet!
13.Februar 2006
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Ergänzungen

An die Automaten

Real 07.03.2006 - 13:21
"Trotzdem wundern wir uns, wieso es kein Pfeifkonzert, keine übergreifenden Buhrufe (oder "Hau ab") gab und wieso keine noch übrige Butterstulle auf Glietsch flog?
Selbst wenn das Publikum sich so zusammensetzte, dass die oben vorgeschlagenen Dinge nicht geklappt hätten, dann wäre es das Mindeste gewesen, gemeinsam und demonstrativ den Raum zu verlassen."

Soweit ich das beobachten könnte hat Niemand demonstrativ den Raum verlassen, anscheinend auch ihr nicht, woher wollt ihr sonst wissen wie die Veranstaltung abgelaufen ist. Ihr habt also noch nicht mal das eurer Meinung nach "Mindeste" getan, nur Monate später einen solchen Brief geschrieben. Also mit euch würde ich nicht diskutieren wollen.

Ich kann mich zwar nur noch wage erinnern, aber dass dort lediglich "übertriebene" Gewalt kritisiert wurde ist mir nicht mehr im Gedächtnis. Statt dessen weiss ich noch, dass der Bullenpräsi in unangenehme Situationen gekommen ist, geleugnet hat was nicht zu leugnen ist, da es Beweise gab und es dem gesamten Publikum klar wurde was für eine Funktion er und die Polizei generell haben. Das ist schon wichtig, denn wie ihr richtig festgestellt habt waren im Publikum nicht nur Linksradikale, die das sowieso immer schon wissen.

"Wir kritisieren jegliche angestrebte Beteiligung an dieser Realität."

Das möchte ich gern mal so am Ende stehen lassen, es sagt einiges über euch aus.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 9 Kommentare an

Komisch — ...

@Autopool — Popeye der Seeheemann

illustrer Kreis — egal

@autopool — hate the heuchler

Doppelmoral der Autonomen — ALB Fanclub HH

bitte runternehmen — diskutant

find ich gut — den Diskussionsbeitrag

Spalt(s)pi(tzel)lze! — Einer aus der Provinz!