Kafka in Europa - Teil II

Peter Nowak 01.03.2006 13:14 Themen: Repression
In Belgien wurden erstmals hohe Haftstrafen gegen politische AktivistInnen mit der Begründung erhoben, sie hätten für eine linke türksiche Organisation, die auf der EU- und US-Terrorliste steht, Pressekonferenzen organisiert und Übersetzungen getätigt. In Dänemark ging die Polizei gegen den Solidaritätsaufruf einer linken Gruppe im Internet vor.
Repression europaweit
Hohe Haftstrafen gegen Menschenrechtler in Belgien


RechtsanwältInnen und ProzessbeobachterInnen waren überrascht und empört. Am Dienstagnachmittag wurden im belgischen Knokke bei Brüssel 7 Personen, darunter die deutsche Staatsbürgerin Sükriye Akar, zu langjährigen Haftstrafen zwischen 4 und 6 Jahren verurteilt. Sie werden beschuldigt, für die türkische Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C)Texte übersetzt und Pressekonferenzen organisiert zu haben. Die DHKP-C ist zwar in der Türkei und in Deutschland nicht aber in Belgien verboten. Obwohl die Urteile noch nicht rechtskräftig sind, da die Angeklagten Widerspruch angekündigt hatten, wurden 3 der Verurteilten auf Antrag des Staatsanwalts noch im Gerichtssaal verhaftet und in Handschellen ins Gefängnis gebracht.
Die Anklage erfolgte auf Grund eines im Dezember 2005 in Kraft getretenen Anti-Terror-Gesetzes, das bei diesem Prozess erstmals angewendet wurde. "Es ermöglicht jetzt auch in Belgien, die Bestrafung von legalen Aktivitäten in einem Menschenrechts- und Informationsbüro", kritisierten JuristInnen und ProzessbeobachterInnen. Die machten sich nach der Urteilsverkündigung mit lautstarken Protesten im Gerichtssaal bemerkbar. Aus Italien, Frankreich und Belgien haben mehrere Parlamentsabgeordnete und Intellektuelle, darunter der bekannte Schriftsteller Henri Alleg, Unterstützungserklärungen geschickt. An der Brüsseler Universität haben Lehrende und Studierende ein Komitee für Meinungs- und Organisierungsfreiheit gegründet, um die Angeklagten zu unterstützten.

Doch die Anklagebehörde gab sich unbeirrt.
„Es muss ein Beispiel für alle statuiert werden, die unser Land zu Stützpunkten des Terrors umwandeln wollen. Darum muss eine abschreckende Strafe ausgesprochen werden”, erklärte Staatsanwalt Johan Delmule in seinem Plädoyer.
Die ProzessbeobachterInnen sehen die Gefahr, dass in Belgien legale Organisationen, nur weil sie auf irgendwelchen Terrorlisten stehen, kriminalisiert werden können.

Doch nicht nur in Belgien wird mit Verweis auf die Terrorlisten ermittelt und sanktioniert. In Dänemark ließ die Polizei vor einigen Tagen einen Aufruf der antiimperialistischen Organisation ‚Rebellion’ von den Webseiten einer linken Zeitung, einer sozialistischen Jugendorganisation und der linken Parlamentspartei „Rot-grünes Bündnis“ entfernen. In dem Texte war zur Solidarität gegen die Kriminalisierung von linken Organisationen aufgerufen und über einen Repressionsfall in eigener Sache informiert worden. ‚Rebellion’ war ins Visier der dänischen Justiz geraten, weil sie Spenden für die kolumbianische FARC und die palästinensische PFLP sammelte. Diese Organisationen stehen ebenfalls auf den Terrorlisten von USA und EU. In dem Aufruf war „die demokratische Bewegung Europas“ zur Solidarität aufgefordert worden. JuristInnen sehen es als bedenkliches Zeichen, wenn jetzt schon Informationen über und Aufrufe gegen die Repression selber zum Gegenstand von Repression werden.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen