Kontakt mit Antifa Saar verfassungswidrig?

Ilja 25.02.2006 19:41 Themen: Antifa
Die CDU-Landesregierung des Saarlandes nervt immer wieder Vereine und Initiativen, die sich mit der ANtifa Saar/Projekt AK einlassen. Erinnert sei dabei an die Auseinandersetzungen um den saarländischen Flüchtlingsrat. Jüngstes Beispiel isz die Ausladung des VVN-BdA.
Lad mich ein, lad mich aus

Zuerst wurde die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN) in den saarländischen Landtag eingeladen, um ihre Expertenmeinung zum Schutz der Gedenkstätte Ehemaliges Gestapo-Lager Neue Bremm zu hören, dann aber von CDU-Mann Günter Becker kurzerhand wieder ausgeladen. Die fadenscheinige Begründung: die VVN werde womöglich vom saarländischen Verfassungsschutz beobachtet. Mittlerweile hat der Vorgang auch das erweiterte Landtagspräsidium beschäftigt Von Carsten Klein (14.02.2006)


Nachdem unter anderem der Landesjugendring, der DGB und die französische F.N.D.I.R.P. (Fédération Nationale des Désportés et Internés, Résistants et Patriotes) gegen die Ausladung der VVN/BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) zu einer Anhörung des Innenausschusses des Saar-Landtags protestierten, hat der Vorgang nun das erweiterte Landtagspräsidium beschäftigt.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Stefan Pauluhn kritisierte nach einem Gespräch mit Vertretern der VVN-BdA erneut das Vorgehen des Innenausschuss-Vorsitzenden Günter Becker. Thema der Anhörung am 03. November 2005 war das Gesetz zum Schutz der Gedenkstätte "Ehemaliges Gestapo-Lager Neue Bremm", das rassistische und antisemitische Versammlungen in der Nähe des Lagers unterbinden soll. Die Wiederherstellung der Gedenkstätte ist maßgeblich auf das Engagement der VVN zurückzuführen, ihr Vorsitzender Horst Bernard hat mehrere Bücher zum Thema verfasst.

Um so mehr erstaunt die Brüskierung des Historikers durch den Vorsitzenden des Innenausschusses, Günter Becker, der Bernard eine Woche nach der erfolgten Einladung schriftlich mitteilte, diese sei gegenstandslos. Zur Begründung heißt es: "Da Ihre Organisation jedoch unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht, halten wir es mit dem Selbstverständnis eines Landtagsausschusses, der Teil der verfassungsmäßigen Ordnung ist, für unvereinbar, diese Einladung aufrecht zu erhalten."

Die SPD-Fraktion kritisiert, die Ausladung sei ohne einen Beschluss des Ausschusses eigenmächtig durch den Vorsitzenden Günter Becker (CDU) erfolgt. Die Fraktionen seien über den Vorgang lediglich in Kenntnis gesetzt worden. Becker erklärte daraufhin der Saarbrücker Zeitung, von einer Sondersitzung habe er abgesehen, da die Position der CDU-Mehrheit klar gewesen sei. Bei der Sitzung des Landtagspräsidiums konnte offenbar keine Einigung in der Sache erzielt werden: Während Pauluhn sich in seiner Auffassung bestätigt sah, Becker hätte einen erneuten Beschluss des Ausschusses abwarten müssen, betonte Landtagspräsident Ley, das Präsidium habe keinen Verstoß gegen die Geschäftsordnung festgestellt.

Andere öffentliche Einrichtungen, die "Teil der verfassungsmäßigen Ordnung" sind, hat die Beobachtung durch den VS übrigens nicht von einer Kooperation mit der VVN/BdA abgehalten. So arbeitet die Landeszentrale für politische Bildung seit Jahren mit den Antifaschisten zusammen. Bemerkenswert ist auch, dass die VVN/BdA im "Kurzüberblick" des Landesamtes für Verfassungsschutz 2004 mit keiner Silbe erwähnt wird. Einen Verfassungsschutzbericht gibt der saarländische Dienst als einziges der 16 Landesämter für Verfassungsschutz ohnehin nicht heraus.

So beruft sich Becker hauptsächlich auf Kontakte der VVN/BdA zum "gewaltbereiten autonomen Spektrum" - gemeint sein dürfte damit vor allem die Antifa Saar/Projekt AK. Derartige Kontakte unterhalten allerdings auch andere saarländische Organisationen, die nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Selbst Vertreter von SPD, Bündnisgrünen oder Synagogengemeinde haben schon gemeinsam mit den Antifas zu Demonstrationen aufgerufen oder Aufrufe unterzeichnet.

DGB-Landeschef Eugen Roth, der auch SPD-Vize und MdL im Saarland ist, stellt denn auch die Beobachtung der VVN/BdA generell in Frage. Er bezweifle, "ob es tatsächlich - aktuell und im Saarland - harte Fakten gibt, die eine Beobachtung der Organisation VVN rechtfertigen", so Roth in einem Brief an Becker. Solch kritische Töne gegenüber dem Verfassungsschutz waren von SPD-Politikern bisher selten zu hören - Helmut Albert, der Direktor des Landesamtes, ist SPD-Parteimitglied.

Neben der VVN/BdA Saar bekam auch der Landesjugendring den „Allmachtsanspruch" der CDU (so ein Kommentar des Online-Magazins Saar-Echo) zu spüren: Der Landesjugendring, der durch ehrenamtlichen Arbeitseinsatz an der Umgestaltung der Neuen Bremm mitgewirkt hatte, wurde ermahnt, sich politischer Kommentare künftig zu enthalten, schließlich stünde er als Zuschussempfänger des Landes in einem Abhängigkeitsverhältnis. Keine leeren Worte: Bei den Haushaltsberatungen 2006 wurde der Zuschuss für den Landesjugendring um 7.600 Euro gekürzt, auf Antrag der CDU-Mehrheitsfraktion.

Ein Zusammenhang zwischen den Kürzungen und der Stellungnahme des Landesjugendrings zum "Neue-Bremm-Gesetz", in dem die Behandlung der VVN/BdA scharf kritisiert worden war, darf vermutet werden. Kein Wunder, dass die Maßregelung von VVN und Landesjugendring für die Rechten im Saarland ein innerer Vorbeimarsch ist. So kommentiert die NPD Saar in einer Presseerklärung hämisch: "Landesjugendring lernt unsere Demokratie kennen". Die Bloßstellung von Rechtsextremismus-Gegnern wird ihnen das Demoverbot an der Neuen Bremm, mittlerweile einstimmig vom Landtag beschlossen, gewiss erträglicher machen.
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Ergänzungen

Quelle

Ilja 25.02.2006 - 22:28
nachzulesen unter www.memo-saar.de

Landtagsdebatte zum Thema

Antifa Saar / Projekt AK 27.02.2006 - 14:23
 http://www.landtag-saar.de/aboservice/getpdf.php?id=1237

Auf den Seiten 1113 bis 1121 ist die Mitschrift der entsprechenden Landtagsdebatte nachzulesen. Besonders interessant sind die Ausführungen der Inneministerin ab Seite 1120.