Misshandlung im Knast?

Thomas Meyer-Falk 24.02.2006 07:05 Themen: Repression
Misshandlung im Knast? Hamburgs neueste Affäre
Misshandlung im Knast? Hamburgs neueste Affäre

Wie die Zeitungen, bzw. das Radio (u.a. der Deutschlandfunk) berichten, wurden im Hamburger Justizvollzug im Jahr 2005 mindestens zwei Gefangene gewaltsam nackt ausgezogen, um dann nackt auf einer Liege fixiert zu werden. In einem Fall soll die Fixierung 20 Stunden angedauert haben.

Noch sind die Berichte widersprüchlich: Laut Neues Deutschland (20.2.2006) habe ein Justizvertreter von zwei "Extremfällen" gesprochen; laut einem Bericht im Deutschlandfunk (20.2.2006) habe das Vergehen der beiden Insassen darin bestanden, sich nicht freiwillig einer mit Entkleidung verbundenen Durchsuchung gestellt, sondern sich hiergegen gewehrt zu haben.

§ 84 Strafvollzugsgesetz gestattet der Anstalt, Gefangene körperlich zu durchsuchen, auch verbunden mit einer Entkleidung. Diese "Durchsuchung" beinhaltet auch, die, wie es in einem Kommentar zu § 84 heißt (vgl. Arloth/Lückemann, Kommentar zum StVollzG, § 84, Rndnr. 5) heißt: "(...) Kontrolle der ohne medizinische Hilfsmittel einsehbaren Körperhöhlen wie Mundhöhle, Gehörgang, Scheide, After durch Besichtigung oder Abtasten".

§ 88 StVollzG wiederum erlaubt die Fesselung und Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum.
Zugleich bestimmt § 81, dass das Verhältnismäßigkeitsgebot stets zu beachten sei.

Folgerichtig argumentiert nun selbst die bürgerliche SPD-Fraktion in der hamburgischen Bürgerschaft, dass Fixierung und nackt Entkleiden in deren Kumulation rechtswidrig sind. Jedoch kam es zu solchen Vorfällen gerade auch in zurückliegenden Jahren, als noch die SPD in Hamburg regierte, so dass es ihr ersichtlich nicht darum geht, Menschenrechtsverletzungen zum Nachteil von Inhaftierten zu brandmarken, sondern dem Justizsenator Kusch das Leben etwas unangenehm zu gestalten.

Kusch, zu Beginn seiner "Karriere" einfacher juristischer Fußsoldat hier in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal, später auch mal stellvertretender Leiter einer Jugendhaftanstalt, wo er verbrannte Erde hinterließ, entwickelt sich immer mehr zu einem Imitat von Ronald Schill.

Erst flog er in die USA, um sich Tipps vom "härtesten Sheriff der Welt" in Arizona zu holen, zwecks Behandlung von Gefangenen, um hier in Deutschland dann loszupoltern: Das verweichlichte Jugendstrafrecht gehöre abgeschafft.

Aber zurück zu den nackten, auf Liegen gefesselten Gefangenen: In der Süddeutschen Zeitung war am 16.2.2006 (Seite 7) ein Bild eines grinsenden Schließers zu sehen, der sich auf einen auf einer Liege fixierten Inhaftierten stützt.
Aufgenommen worden war das Bild, nein nicht in Hamburg, sondern in Abu Ghraib (Irak). Aber wer würde diesem und anderen Gefangenen ohne den photografischen Beweis die Misshandlungen glauben?

Und so hat der Hamburger Justizsenator es leicht, die in Hamburg misshandelten Gefangenen als die Schuldigen ("renitent", "gefährlich") darzustellen und zu diffamieren.

Auch wenn die Zustände in deutschen Gefängnissen noch nicht die Qualität von Guantanamo oder Abu Ghraib in all ihrer Brutalität erreicht haben, was Demütigung (nackt ausziehen beispielsweise) unter dem Etikett von "Sicherheit und Ordnung" anlangt, Fesselung, Fixierung, Isolierung, sind wir keineswegs so weit davon entfernt, wie gerne seitens der Justiz und Politik behauptet wird.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA - Z. 3117, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
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Ergänzungen

wichtig an diesem Artikel

ist, 25.02.2006 - 12:46
so würde ich ergänzen, wie das Knastsystem nun wieder immer weiter brutalisiert wird.Nach einer in den Siebzigern beginnenden "Liberalisierung" des Knastsystems, die schrittweise von der Verbesserung der knastinternen Haftbedingungen bis in den offenen Vollzug führte.Während diese Lockerungen zwar eine Spaltung der Gefangenen in Gute, weil kooperationsbereite und Schlechte, weil "renitente"(arbeitsunwillige,denunziationsunwillige, usw.)Gefangene diente, so war diese liberale Welle doch auch ein Zugeständnis des Staates
an die sich ausbreitende gesellschaftliche Revolte( der Jugendlichen, die auf Trebe kleinere Delikte begangen, der Frauenbewegung, die Freiräume einforderte, der wild streikenden ArbeitnehmerInnenschaft usw.)."Mehr Demokratie wagen" eben, um eine Solidarisierung der Bevölkerung mit radikalen Ansätzen( Hausbesetzungen, Enteignungen, Guerilla...)zu verhindern, und den Menschen zu suggerieren, dies sei "ihr" Staat. Jenen, die sich diesen Integrationsversuchen entzogen, wurden trotz gesellschaftlicher Öffnung weiterhin mit krassester Repression begegnet, was auch "Unschuldige" traf( schnell mal die falschen "Terroristen" bei der Personalienfeststellung erschossen...).
Die Liberalisierung damals war, so will ich sagen, nicht nur ein Spaltungsversuch, sie war auch ein Ausdruck der Stärke, welche die verschiedenen Ansätze der gesellschaftlichen Revolte hatten.
Und ebenso ist die momentan auf allen Ebenen stattfindende Verschärfung der Bedingungen für das "untere Drittel" ( es dürfte sich bald um mehr als ein Drittel handeln)ein Ausdruck davon, daß es eben kaum Revolte gibt. "Mit uns" können sie`s wieder machen, das zeigt Hartz 4, die "Abschlüsse" der Gewerkschaften, die unverholene Kriegshetze, aber eben auch die Verschärfung direkter Repression( Einführung geschlossener Jugendheime, in dennen es grad in Hamburg zu Mißhandlungen der Eingesperrten kommt, Veränderungen im Knastsystem- der erste Privatknast in Hessen wartet auf seine Inbetriebnahme, Überwachung, Kriminalisierung und Einschüchterung durch Hausdurchsuchungen bei jugendlichen AntifaschistInnen...).Die sog. Innenpolitik grade in Hamburg ist ein so trauriges Beispiel dafür, ich erspare euch jetzt hier weitere Details( einfach die Presse mitlesen).
Jüngere AktivistInnen können das aber kaum nachempfinden, weil sie das Aufbruchsklima nicht erlebt haben.
Kleine Anmerkung noch zu den Kommentaren scheinbar gesetzestreuer IndyleserInnen: Auf der Grundlage eurer tollen bürgerlichen Rechtsphilosophie ist es üblich, die Folter ganz abzuschaffen. Nicht, sie bei rechtmäßig Verurteilten als zulässig, und bei den Restlichen als unzulässig zu betrachten. Leider habt ihr aber nichtmal das kapiert, ihr seid schon reaktionärer als die bürgerliche FDP, euer Geschmier würd ich- Meinungsfreiheit hin oder her- niemals unkommentiert veröffentlichen.
Wenn es nicht gelingt, endlich wieder übergreifende Solidarität zu entwickeln, werden progressive Ansätze in Zukunft absolut bedeutungslos werden.
WER SICH NICHT WEHRT, DER LEBT VERKEHRT!

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