300.000 verteidigen katalanische Nation

Ralf Streck 19.02.2006 21:55 Themen: Weltweit
Mehr als 300.000 Menschen überfluteten am Samstag Barcelona, um auf Aufruf von über 600 Organisationen die historischen Rechte Kataloniens zu verteidigen. Die Demonstration stand unter dem Motto: "Wir sind eine Nation". Diese Beteiligung überraschte die aufrufende Plattform mit dem Namen "Pel dret a decidir" (Für das Recht zu entscheiden). Statt einem Marsch füllten die Menschen die gesamte Strecke von 2,5 Kilometern zur Plaza de Catalunya. Seit der spanischen Beteiligung am Irak-Krieg der USA hat es keine solch große Demonstration mehr in Barcelona gegeben. Sogar der Erstligaclub FC-Barcelona hatte aus Solidarität sein Spiel verlegt, um den Fans die Teilnahme zu ermöglichen.
Mit weiser Voraussicht war die Demonstration seit Monaten vorbereitet worden. Sie sollte das Autonomiestatut mit Spanien unterstützen, das im vergangenen Herbst mit 90 Prozent der Stimmen im Regionalparlament beschlossen wurde. Klar war, dass die ultrarechte Volkspartei (PP) dagegen Sturm laufen würde, weil im 1. Artikel Katalonien als "Nation" definiert wurde und es ein eigenes Finanzierungssystem erhalten sollte.

Dass die spanischen Sozialisten (PSOE) und die konservativen katalanischen Nationalisten (CiU) so klar vor dem Druck der PP einknicken, wurde nicht erwartet. So wurde aus der Demonstration ein Protest gegen die spanische Regierung und die CiU. Die hatten den Inhalt während seiner Behandlung im Madrider Parlament im Geheimgespräch verwässert. Das Finanzierungssystem wurde beerdigt und nun wird nur noch unverbindlich im Vorwort von einer "Nationalität" gesprochen. Die katholische CiU legte letzte Woche weiter Hand an und schwächte die Artikel zur Ehe gleichgeschlechtlicher Paare, zum Abtreibungsrecht und zur Sterbehilfe ab.

"Was wir hier entschieden haben, hat niemand zu beschneiden", wandte sich die Schauspielerin Carme Sansa für die Plattform gegen die Änderungen. Deren Manifest musste vier Mal verlesen werden. Die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) wurde in ihrem "Nein" zu diesem Entwurf bestärkt. Sie war der eigentliche Motor des Projekts, wurde aber von den Sozialisten ausgebootet  http://de.indymedia.org//2006/01/137156.shtml , die sich nun den Konservativen in die Arme werfen  http://de.indymedia.org//2006/02/138086.shtml. Als einzige Partei hatte sie zu der Demonstration aufgerufen, die gesamte Parteiführung marschierte voran. Der ERC-Chef Josep Lluis Carod Rovira  http://de.indymedia.org//2004/02/74417.shtml sagte überwältigt: "Heute hat sich gezeigt, dass ein nationales Bewusstsein nicht domestiziert werden kann und dass ein Abkommen im Parlament nicht in einem Gespräch von sieben Stunden liquidiert werden kann". Die wenigen Stimmen in der Partei gegen ein "Nein" haben sich aufgelöst. Hatten zuvor Sozialisten und CiU heftigen Druck auf die ERC ausgeübt, sind die nun unter Druck geraten.

© Ralf Streck, den 19.02.2006
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Ergänzungen

Don't believe Spanish State and media lies.

Llibertat 20.02.2006 - 12:39




























VIDEO: WE HAVE THE RIGHT TO DECIDE WITH INDEPENDENCE!

schade

d 21.02.2006 - 10:17
schade, dass der autor nicht wie in seinem artikel beim nd erwähnt hat, dass es bei den allerneusten "beschneidungen" auch bspw. um gleichgeschlechtliche ehe und abtreibungsrecht geht. schade, dass einige leute sich immer so tollwütig auf den zugegebenermassen schon etwas schrägen identifikären nationsbegriff einschiessen. aber ein kleiner ausflug in linksnationalistische gefilde lateinamerikas würde mancheiner person wohl nicht schaden... chiapas ist nunmal eine ausnahme!
manchmal denke ich, die meisten kommentieren nur bei indy, um ihre alltagspsychosen irgendwie zu entladen. dafür gibt es doch aber sicher hübschere foren :)
die katalanische linke will nunmal nichts mit dem zu tun haben, was madrid so ausheckt. da sie ohnehin keinen einfluss auf die zentralregierung nehmen kann, wollen sie eigene entscheidungsstrukturen. in wie weit das realistisch ist, kann ich kaum einschätzen. in erster linie geht es zumindest den vielen katalanischen linken um die durchsetzung von zielen, wie den oben erwähnten, die auf "regionaler" ebene vermutlich einfacher ist. anderen geht es um nicht weniger als um sozialismus. warum da immer mit dem nationsbegriff um sich geworfen wird, als gäbe es keine alternativen begriffe, ist mir auch schleierhaft und hat etwas von abgrenzung.
oder ist es ganz einfach der identifikäre terminus, der 300 000 auf die strasse bringt? 300 000, die sich ansonsten nicht mobilsieren lassen, nicht für die rechte von minderheiten, nicht gegen das antisoziale gesetz zum "civismo"... und wenn das so ist, macht es mir schon angst. was sagen diese massen aus? wohl kaum sozialismus... es hat dann tatsächlich etwas von einer massen-antikriegsdemo, die für einen tag zum gesellschaftlichen konsens gemacht wird, nicht weil verstanden würde, worum es geht, sondern weil der nachbar ja schliesslich auch hin geht...
für scheint klar, dass der terminus "nation" eine brücke zwischen links- und rechtsradikalen katalanen darstellen könnte. wo wir in deutschland jahre brauchen, um begrifflichkeiten aufzuweichen und definitionen an die nazis zu verlieren, da ist es für "die katalanen" das normalste der welt. versteh ich nich aber vielleicht finde ichs ja noch raus. bis dahin gilt für mich: nich immer gleich das maul aufreissen und über dinge reden, die ich nicht verstehe! platter internationalismus (es ist ja so einfach, sich "internationalist" zu nennen!) ist wohl kaum eine antwort...

http://www.tenimeldretdedecidir.org/

d 21.02.2006 - 11:28
in dieser erklärung(sübersetzung) ist zwar wieder mal von "volk" die rede, für uns deutsche linksradikale also tendenziell haarsträubend, aber ansonsten erklärt der text ja ganz ok, worum es in etwa geht. spannend wäre nun bspw. herauszufinden, was hinter dem zu allererst genannten Punkt "Bürgerschaft und Einwanderung" steckt. Was verbinden die Verfasserinnen damit? "Abschottung zugunsten von Sprach- und Kulturerhalt oder zum Schutz vor jeder Art von spanischem oder sonstwelchem Imperialismus"? dichte grenzen oder offene grenzen? an solchen fragen würde sich für mich abzeichnen, ob ich eine perspektive nun linksinternationalistisch oder rechtsnationalistisch nenne... und da gehen sicher auch die meinungen der 300 000 oder 700 000 demonstrantinnen in barcelona auseinander! und ob es dabei dann auch noch um eine REALISTISCHE perspektive geht, dass sei sowieso dahingestellt. aber weltrevolution ist ja schliesslich auch keine realpolitik :-)


zitat von  http://www.tenimeldretdedecidir.org/


WIR SIND EINE NATION - WIR HABEN DAS RECHT AUF SELBSTBESTIMMUNG

Wir, die Personen, Gruppen, vielseitige Bewegungen und Kollektive, aus verschiedenen sozialen und politischen Bereichen, die diese Meldung unterschreiben, fühlen uns beunruhigt wegen dem ansteigenden feindlichem Klima, der absichtlichen Desinformation und das Schüren von Hass, welches aus diversen Sektoren des spanischen Staatsgebietes gegen unser legitimes politisches und demokratisches Bestreben aufgehetzt wird. Aus diesem Grunde, und in Erinnerung an den Kampf der Assemblea de Catalunya für die Wiederherstellung des Autonomiestatuts als Mittel um unser Selbstständigkeitsrecht auszuüben, und auch mit der Erinnerung, dass die katalanische Nation vor 25 Jahren gegen die spanisch-konservative Offensive, die unsere katalanische Identität verweigern wollte, auf die Barrikaden ging, wollen wir jetzt wieder demonstrieren. Wir sehen uns wieder gezwungen unter diesem Motto auf die Strasse zu gehen: "Wir sind eine Nation und wir haben das Recht auf Selbstbestimmung".

Wir sind fest überzeug, dass wir dieses Recht ausüben müssen um die Durchführung der politischen Beschlüsse nach den Wünschen und Bedürfnissen des katalanischen Volkes zu garantieren, sowie den Fortschritt unserer Selbstregierung in allen sozialen Bereichen des Lebens zu fördern. Wir verlangen die Selbstbestimmung mindestens in allen Aspekten die mit folgendem zu tun haben: Bürgerschaft und Einwanderung, Umwelt, Sprache und Kultur, Steuerpolitik und Wiederverteilung der Abgaben, Investitionen und Infrastrukturen, Arbeit und soziale Rechte, interantionale Beziehungen und Kooperation, Wohnung, Ausbildung und Gesundheit. Da wir eine Nation sind und unsere Identität verteidigen, wie jedes Volk haben wir das Recht frei selbst zu bestimmen wie unsere Zukunft sein soll.

Wir rufen euch alle auf für Freiheit und Demokratie, mit uns am 18 Februar zu demonstrieren um laut und klar zu sagen: "Wir sind eine Nation und wir haben das Recht auf Selbstbestimmung".

Plataforma "Pel dret de decidir"

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 15 Kommentare an

Nationalistischer Dreck!! — halluzination

@halluzination — tagmata

@ 11:45 — ich

@ichern — ausgefüllt

ralf streck — du

er hat doch recht — @meine fresse

@@ichern — Paul

Kritisch — Fels

@du — Ralf