Iran: Proteste und Streiks der BusfahrerInnen

piqueter@ 12.02.2006 17:41 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Seit 2003 sind in Teheran Bemühungen im Gange, eine unabhängige Gewerkschaft der BusfahrerInnen bei der Vahed Busgesellschaft in Teheran und den Vororten (Sherkat-e Vahed) zu organisieren. Trotz aller Repressionen seitens des Regimes wurde im Sommer 2005 eine solche offiziell gegründet, und es gab seither zwei Streiks, zuletzt am 28.1.2006. Das klerikalfaschistische Regime beantwortete die Protestaktionen wie gewohnt mit brutalen Repressionen gegen die GewerkschafterInnen, ihre Familien und SympathisantInnen.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der BusarbeiterInnen bei Vahed, Mansour Ossanlou, wurde am 22.12.2005 zusammen mit 13 weiteren führenden Mitgliedern im Verlauf von mehreren Hausdurchsuchungen verhaftet – er sitzt bis zum heutigen Tag in Einzelhaft im berüchtigten Teheraner Hochsicherheitsgefängnis Evin (WSWS-Worker’s Struggles, 20.1.2006)

Die Verhafteten waren massgeblich am Aufbau der unabhängigen Gewerkschaft beteiligt, ein schweres Verbrechen in den Augen der Mullahs, die jede unabhängige
Organisierung der Bevölkerung und der ArbeiterInnen fürchten und daher verbieten. Gerade beim Verkehrssektor handelt es sich um einen für die Ökonomie sensiblen Bereich – wenn die BusfahrerInnen streiken, stehen die Räder in Teheran wirklich still. In den Betrieben setzt das Regime ansonsten gelbe Gewerkschaften ein, die „Islamischen Räte“, zur Kontrolle der ArbeiterInnenschaft.

Die BusarbeiterInnen-Gewerkschaft war erstmals 1979, kurz nach der Iranischen Revolution, gegründet, jedoch bald nach der Machtübernahme durch die Islamisten 1981 wieder verboten worden. Seit der Neugründung 2005 haben sich ihr 10.000 der 17.000 Beschäftigten bei Vahed angeschlossen (avanti 2/06, Seite 19; erreichbar über den Labournet-Link unten).

Gegen die „miserable[n] Löhne, ausstehende Zahlungen für Überstunden, schlechte Wohnverhältnisse der Beschäftigten und ihrer Familien“ (Jungle World 6, 8.2.2006) sowie für den Abschluss von Kollektivverträgen und als Kampf gegen die staatliche Repression rief die Gewerkschaft der BusfahrerInnen am 25.12.2005 erstmals zum Streik auf. Vorausgegangen war dem Streik die Verhaftung eines grossen Teils der Gewerkschaftsführung bei einer Nacht- und Nebelaktion. Tatsächlich erreichten die ArbeiterInnen mit dem Streik die Freilassung aller verhafteten GewerkschafterInnen, mit Ausnahme von Mansour Ossanlou (WSWS-Worker’s Struggles, 27.1.2006). Gleichzeitig sperrte das (staatliche) Unternehmen die Konten der Streikenden und blockierte die Auszahlung von Löhnen (Iranian Worker’s Solidarity Network, 2.1.2006).

Ein weiterer Streik war für den 28.1.2006 geplant. Zentrale Forderungen waren (und sind) die Freilassung von Mansour Ossanlou, höhere Löhne (die Reallöhne sind im Vergleich zu 1979 um 45% gesunken), verbesserte Arbeitsbedingungen (zB sind die Wohnungen in Teheran für die ArbeiterInnen nicht leistbar, weshalb sie den langen Weg aus den Vororten antreten müssen) und besonders die Anerkennung der unabhängigen Gewerkschaft der BusfahrerInnen.

Das Regime regierte mit voller Härte auf diesen Streik. Die Sicherheitskräfte und paramilitärischen Einheiten gingen mit Knüppeln und Tränengas gegen die ArbeiterInnen vor. Unter Schlägen und Todesdrohungen wurden viele gezwungen, ihre Busse zu lenken, an anderen Orten wurden Streikbrecher eingesetzt. 30 ArbeiterInnen wurden schwer verletzt. Im Falle des Gewerkschafters Yaghub Salimi wurde dessen Frau zu Hause von Polizisten schwer verprügelt und seine zweijährige Tochter im Gesicht verletzt (WSWS-Worker’s Struggles, 3.2.2006).
Die Zahl der Verhafteten ist bis jetzt nicht vollständig erfasst; jedenfalls wurden zumindest mehr als 500 Streikende, deren Familienangehörige und SympathisantInnen (u.a. StudentInnen) verhaftet und ohne Anklage sowie ohne Rechtsbeistand nach Evin verschleppt. Die höchste Zahl an Gefangenen gibt der britische TUC (Trades Union Congress) an, nämlich 1.300 Verhaftete. Laut The Observer sollen als Folge der Repression nach wie vor zwischen 400 und 600 Menschen in Haft sein. (The Observer, 12.2.2006). Von den bis 7.2. wieder freigelassenen 200 Streikenden wurde keine/r vom Unternehmen wieder angestellt ( http://www.workers-iran.org).

Die Streiks und Protestaktionen werden scheinbar von einem breiten Teil der BewohnerInnen von Teheran unterstützt. Die World Socialist Web Site berichtet über eine Aktion am 7.1.2006: „[..] Menschen winkten den Bussen zu, unterhielten sich mit den FahrerInnen und ermutigten sie. [..] Ein Augenzeuge sagte, dass `Teheran auf der Seite der ArbeiterInnen gestanden ist und sich gegen das Regime erhoben hat´.“ (WSWS-Worker’s Struggles, 20.1.2006).

Zahlreiche Gewerkschaftsverbände weltweit haben bereits Protestbriefe an die iranische Regierung verschickt und den 15.Februar 2006 zum Global Action Day gegen die Repression gegen GewerkschafterInnen in Iran erklärt.


Verwendete Quellen:
 http://www.labournet.de/internationales/iran/vahed.html
 http://www.wsws.org/articles/2006/jan2006/wkrs-j20.shtml
 http://www.wsws.org/articles/2006/jan2006/wkrs-j27.shtml
 http://www.wsws.org/articles/2006/feb2006/wkrs-f03.shtml
 http://www.marxist.com/iran-vahed-bus-company-strike311205.htm
 http://www.marxist.com/vahed-bus-company-strike020206.htm
 http://observer.guardian.co.uk/comment/story/0,,1707972,00.html
 http://www.itfglobal.org/urban-transport/tehranbuses.cfm

Protestbriefe, -Faxe, -Emails:
 http://www.marxist.com/arrested-workers-students-iran310106.htm

 http://www.workers-iran.org
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Ergänzungen

Spendenaufruf der FAU

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