Aubonne - Verfahren gegen die Polizei

aubonne support group 12.02.2006 17:02 Themen: Globalisierung
Am Montag wird in Nyon (CH) ein Gerichtsverfahren gegen die Schweizer Polizisten eröffnet, die bei den Evian-G8-Protesten 2003 beinahe zwei Aktivisten töteten!Im Mai 2003 blockierte eine AktivistInnengruppe die Autobahnbrücke Aubonne ("Aubonnebrücke") um einer G8 Delegation den Weg zum Gipfel in Evian zu versperren. Die Polizei durchtrennte das Kletterseil und tötete dabei beinahe zwei AktivistInnen. Nun müssen sich der Polizist, der das Seil kappte, und sein Vorgesetzter vor Gericht verantworten.

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Vom 13. bis 15. Februar werden in Nyon 3 Richter mehr als 25 Zeugen hören, u.a. Vorgesetzte der Polizeibeamten und an der Aktion beteiligte Aktivisten. Die Anklage lautet auf "fahrlässige schwere Körperverletzung"... Martin Shaw fiel ca. 25 Meter tief und erlitt Verletzungen an Becken und Wirbelsäule und einen Splitterbruch des seines rechten Fussgelenkes. Trotz zahlreicher Verletzungen wird er sich nie mehr vollständig erholen. Die Anklage schliesst auch Körperverletzung gegen die 2. Kletterin Gesine Wenzel ein, die mehr als ein Jahr lang an post-traumatischen Störungen litt.

Dieser Prozess ist das Ergebnis von 3 Jahren unermüdlichem öffendlichen und legalen Druck. Der ursprüngliche Untersuchungsrichter weigerte sich, den Fall gegen die Polizei weiter zu verfolgen und zeigte sich damit klar befangen. In der Schweiz geniesst die Polizei in hohem Masse Immunität und wird von der legalen Bürokratie geschützt. Trotz der vielen Beschwerden, die gegen die Polizei vorgebracht wurden, ist dies der erste derartige Fall seit mehr als 20 Jahren, der tatsächlich vor Gericht verhandelt werden wird.

In der Woche vor und während des Verfahrens findet ein breites Programm verschiedener Events statt, u.a. eine Benefizparty, ständige Präsenz ausserhalb der Gerichtsgebäudes und verschiedene Workshops zu Themen wie Trauma bei Aktivisten oder den Planungen zum G8 Gipfel in Heiligenstadt.

Die Unterstützungsgruppe der "Aktion Aubonne-Brücke" erkennt in einem politischen Statement die Wiedersprüchlichkeit an, einen Prozess in einem legalen System anzustrengen, dem sie die Legitimität abspricht, und legt ihre Gründe dar, es trotzdem zu tun: Sie wollen die Immunität der Polizei angreifen und versuchen die Risse in der Fassade der liberalen Demokratie aufzuzeigen sowie Bewustsein zu schaffen über die Inkompetenz und Gewalttätigkeit, zu der die Polizei fähig ist.
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Ergänzungen

pressebericht zum ersten prozesstag

anarcho 13.02.2006 - 18:50
laut dieser pressemeldung haben wohl "verständigungsprobleme" beinahe den beiden das leben gekostet, mehr als kopfschütteln kann mensch da wohl nicht.
A.C.A.B.! Fight back!!!

Offenbar Verständigungsprobleme bei Anti-G8-Autobahnblockade

NYON - Verständigungsprobleme haben womöglich das Drama bei Aubonne VD verursacht, wo 2003 ein Demonstrant bei einer Aktion gegen den G8-Gipfel schwer verletzt worden war. Dies zeigten die Anhörungen von zwei Polizisten vor Gericht in Nyon VD.

Er spreche überhaupt kein Deutsch und sein Schaffhauser Kollege überhaupt kein Französisch - also hätten sie zusammen kein Wort gesprochen, sagte ein Waadtländer Polizist, der den Einsatz leitete. Er und sein Schaffhauser Kollege stehen seit Montag wegen fahrlässiger Körperverletzung vor Gericht.

Am 1. Juni 2003 waren der 51-jährige Waadtländer und der 23-jährige Schaffhauser mit einer Eskorte unterwegs, als sie nach Aubonne gerufen wurden. Dort hatten globalisierungskritische Demonstrierende die Autobahn A1 blockiert und wollten die Anfahrt von Delegationen vom Genfer Flughafen an den Tagungsort in Evian F behindern.

Zu diesem Zweck hatten die Demonstrierenden über die Autobahnbrücke bei Aubonne ein Kletterseil gespannt. Am einen Ende hing die deutsche Aktivistin Gesine Wenzel, am anderen der Brite Martin Shaw.

Die Aktion endete in einem Drama, als der Schaffhauser Polizist das Seil durchschnitt. Während es den auf der Brücke gebliebenen Demonstrierenden gelang, das Seil von Wenzel zu halten, stürzte Shaw 20 Meter in die Tiefe. Er blieb mit schweren Rücken- und Fussverletzungen im Bachbett der Aubonne liegen.

Er habe gedacht, die Waadtländer Polizisten seien nicht mit Messern ausgerüstet, sagte der Schaffhauser Polizist vor Gericht. Jedenfalls sei dies in Schaffhausen nicht der Fall. Auch habe er nicht sofort verstanden, was er mit seinem Messerschnitt ausgelöst habe.

Das Gericht muss nun klären, ob der Schaffhauser Polizist wusste oder hätte wissen müssen, dass an dem Seil zwei Menschen hängen. Für seinen Anwalt Jacques Michod ist die Antwort bereits im Vorfeld des Prozesses klar: Sein Mandant, der kein Französisch spricht und versteht, habe nichts gewusst.

SDA-ATS
von: http://www.swissinfo.org/sde/swissinfo.html?siteSect=113&sid=6464741&cKey=1139840771000&ticker=true