Hartz4: 32000 Klagen allein in Niedersachsen

www.gegen-hartz.de 11.02.2006 12:36 Themen: Soziale Kämpfe
Rund 32 500 Verfahren bzw. Klagen sind in den überwiegenden Fällen gegen die umstrittene Hartz 4 Reform 2005 bei den acht niedersächsischen Sozialgerichten eingegangen. 2004 waren es noch 10 000 weniger. Zahlreiche Kläger wehren sich gegen die Arbeitslosengeld II (ALG2) Bescheide der Argentur für Arbeit (ARGE)- unter anderem wurde die Unterstützung ganz verweigert oder erheblich herabgesetzt.
Drei wesentliche Punkte stehen dabei im Vordergrund: Lebensgemeinschaft (Bedarfsgemeinschaft) oder nicht, die Größe der Wohnung bei Hartz4 sowie die Höhe der Mietkosten. Für viele Hartz4 Empfänger sind Klagen von daher unausweichlich.

Ein positiver Aspekt ist, dass viele Hartz4 Leistungsbezieher Erfolg bei den Verfahren haben. Es wird deutlich, dass es durchaus Sinn macht, sich gegen die Repression der ARGE zu wehren. Die gegen-hartz.de Redaktion empfielt, sich in unstimmigen Fragen, eine Rechtsberatung einzuholen.

Klagewelle auch Bundesweit

Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat in einer Umfrage unter allen Landessozialgerichten festgestellt, daß die Hartz 4 Gesetzgebung eine noch nie gekannte Klagewelle ausgelöst hat. Im Jahr 2005 wurden bei den Sozialgerichten mehr als 70 000 Klagen und Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz eingereicht.

Es wird wohl zu erwarten sein, dass sich auch in naher Zukunft immer mehr Menschen entschließen werden, aktiv gegen die Verschärfungen ihres Lebensunterhaltes Widerspruch einzulegen, um dann Klage einzureichen. Ob das die Gerichte in der nächsten Zeit überlasten wird, ist bis dato nur zu erahnen. Das volle Ausmaß der Klagewelle wird erst am Ende des Jahres zu bewerten sein.
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Ergänzungen

Die eigentliche Nachricht

blub 11.02.2006 - 14:46
Das eigentlich interessante an dem Beitrag ist doch, dass offenbar die Hälfte aller Klagen in Niedersachsen erfolgt, obwohl das noch nicht einmal das bevölkerungsreichste Land ist.
Sind die Niedersachsen besonders klagefreudig, oder machen die anderen was falsch?

Zu den neuesten Verschärfungen

Punxatan 14.02.2006 - 10:38
Die große Koalition hat es eilig, sie will dem Protest zuvorkommen. Keine Woche nach der Vorlage eines neuen Antrages der Fraktionen von CDU/CSU und SPD zur Änderung von »Hartz IV« fand am Montag bereits die Sachverständigenanhörung im Bundestag statt. Im Kern geht es darum, die Ausgaben für Jugendliche unter 25 Jahren massiv zu senken. Wie Minderjährige sollen sie künftig zur Bedarfsgemeinschaft der Eltern zählen und nur 80 Prozent des Regelsatzes erhalten. »Damit wird der ALG-II-Anspruch der jungen Erwachsenen auf das Niveau für Jugendliche gedrückt, das ohnehin schon deutlich unter dem Existenzminimum liegt«, kritisiert Frank Jäger von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen (BAG-SHI) in einer Stellungnahme zur Anhörung. Zudem würde die geringe Selbständigkeit, den jungen Erwachsenen mit dem Recht auf einen eigenen ALG-II-Antrag gewährt wurde, wieder kassiert. Konsequenterweise bestreitet die Regierungskoalition Menschen unter 25 Jahren auch das Recht auf eine eigene Wohnung. Leistungen für Unterkunft und Heizung sollen nach einem Umzug nur dann erbracht werden, wenn »1. der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, 2. der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder 3. ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.«

Zur Begründung ihres Antrags führen die Regierungsfraktionen an, »daß Kinder, die weiterhin im Haushalt der Eltern leben, nicht die Generalkosten eines Haushalts ... zu tragen haben«. Sie verdeutlichen damit die Norm, die von nun an gelten soll: Wer nicht arbeitet, ist unmündig. Nur wer sich erfolgeich auf dem Markt behauptet, hat auch ein Recht auf eine Privatsphäre. Zugleich wird den Eltern erwerbsloser Jugendlicher eine weitere Einschränkung auferlegt. Unter Umgehung des BGB ist über die weitere Ausweitung der »Bedarfsgemeinschaft« sogar eine Unterhaltspflicht für die Kinder des Partners in nichtehelichen Lebensgemeinschaften geplant. Ob dieser Abschnitt rechtlich Bestand haben wird, ist ungewiß.

Sicher sind jedoch die Folgen der geplanten Änderungen: eine weitere Verarmung und Verschärfung der Verteilungskonflikte in den Familien. Die großartigen sozialen Versprechungen der Familienministerin von der Leyen werden damit als das vorgeführt, was sie sind: das Beiwerk eines verordneten autoritären Erfolgszwangs. Da dieser Zwang aber gewollt ist, ist mit einer baldigen Beschlußfassung im Bundestag zu rechnen. Ein Sprecher des Arbeitsministeriums verwies auf den Koalitionsvertrag, in dem diese Änderungen bereits enthalten sind. Sowohl der SPD-Generalsekretär Hubertus Heil wie auch Andrea Nahles begrüßten die Neuregelung, die schon ab April gelten soll. Der Termin dürfte kaum zu halten sein, da die Bundesagentur für Arbeit erst nach der Einführung neuer Software zum 1. Juli diesen Jahres die Änderungen berücksichtigen kann. Widerspruch kam von den Grünen und der Linkspartei, deren sozialpolitische Sprecherin Katja Kipping eine aktuelle Stunde des Bundestages forderte, weil junge Erwachsene nicht für die Unfähigkeit von Politik und Wirtschaft bestraft werden dürften.


Soweit der Artikel aus der Jungen Welt - mir erscheinen die immer weitergehenden Verschlechterungen der Lebensbedingungen auch verbunden mit Rückgriff auf faschistoide Stammtischmentalitäten a la "Arbeit macht frei", "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen." etc.