Abschiebestopp durchgesetzt

Birgit Gärtner 07.02.2006 16:27 Themen: Antirassismus
Inneministerium Mecklenburg-Vorpommern setzt Abschiebungen nach Togo vorläufig aus.
Anlässlich des Jahrestages des Todes von Gnassingbé Eyadema versammelten sich am vergangenen Montag etwa Hundert togolesische Flüchtlinge vor der Botschaft ihres Landes in Berlin. Die Aktion der Internationalen Kampagne gegen die Diktatur in Togo richtete sich gegen die Fortführung der Eyadema-Diktatur durch dessen Sohn Fauré. Anschließend zog die Gruppe zum Auswärtigen Amt, um dort gegen die Kollaboration der Bundesrepublik mit dem westafrikanischen Terror-Regime zu protestieren. Unterdessen bestätigte ein Pressesprecher des Innenministeriums in Schwerin, dass vorläufig niemand in das westafrikanische Land abgeschoben werde.
Am 5. Februar 2005 verstarb der dienstälteste Diktator der Welt: Gnassingbé Eyadema. Doch sein Tod bedeutete keineswegs das Ende der Terrorherrschaft, sondern eine Verschärfung der Situation. Statt Neuwahlen einzuberufen, wurde Eyademas Sohn Fauré, bis dahin Minister für Bergbau und Telekommunikation, als Präsident inthronisiert. Der gab bekannt, dass er die Amtszeit seines Vaters bis 2008 zu Ende führen werde. Mittels Repression und militärische Härte wurde in jenen Tagen jeglicher Widerstand gegen die Machtübernahme Faurés in Togo unterbunden, Medienberichten zufolge gab es bei Demonstrationen Tote und Verletzte. Internationale Proteste führten dazu, dass für den 25. April 2005 doch Neuwahlen angesetzt wurden. Neben Fauré Eyadema als Kandidat der Regierungspartei „Rassemblement du Peuple Togolais“ (RPT), Versammlung des togolesischen Volkes, trat Emmanuel Akitani-Bob als gemeinsamer Repräsentant der Opposition an. Als die Wahlkommission das Ergebnis bekannt gab - 60,22 % für Eyadema und 38,19 % für Akitani-Bob - erklärte die Opposition das Votum wegen Wahlbetrugs für nichtig und Akitani-Bob sich ebenso wie sein Widersacher Eyadema zu Wahlsiegern. Danach brach das absolute Chaos aus: Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international sprechen von Bürgerkriegsähnlichen Zuständen in Togo, Hunderte kamen dabei in den letzten Monaten ums Leben, Zigtausende flohen in die Nachbarländer Benin und Ghana. Die togolesische Opposition steht indes mit ihrer Einschätzung nicht allein: Auch das Europa-Parlament spricht von Wahlmanipulation und erkennt die Regierung Fauré Eyademas nicht als Verhandlungspartner an.
Das Botschaftsgebäude in Berlin war am Montag hermetisch abgeriegelt, der Botschafter erklärte sich jedoch eine kleine Abordnung der Demonstrierenden zu empfangen. Diese Geste hielt er für ein Zeichen der Demokratie, die in Togo seiner Ansicht nach herrscht. Er weigerte sich indes, der iranischen und deutschen Presse gegenüber Stellung zu den Vorwürfen bezüglich der Menschenrechtsverletzungen in Togo zu nehmen. Begründung: Wer „mit diesen Leuten“ - sprich den togolesischen Oppositionellen im Exil - käme, werde sowieso „nicht objektiv berichten“.
Dass die Situation in Togo sich nach den Wahlen drastisch verschärfte, ist den deutschen Behörden durchaus bekannt. Trotzdem wird in das westafrikanische Land abgeschoben, zuletzt am 31. Januar 2006 der Exilpolitiker Alassane Mousbaou. Die grundsätzliche Entscheidung über Asylanträge obliegt dem Bundesamt für Flüchtlingsfragen (BAFL) in Nürnberg. Das Bundesamt entscheidet aufgrund der Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Situation der jeweiligen Länder, die vom Auswärtigen Amt verfasst werden. Diese so genannten Lageberichte werden auch bei Asylverfahren vor Gericht herangezogen. Im Falle von Togo konstatierte das Auswärtige Amt bereits in der Vergangenheit die „faktische Alleinherrschaft“ Gnassingbé Eyademas, eine „nicht als unabhängig“ zu bezeichnende Justiz, massive Menschenrechtsverletzungen, mangelnde Pressefreiheit, Repressionen vor allem gegen regimekritische Medien sowie Journalisten und Verleger, „überaus harte Haftbedingungen“, „das wiederholte Eingreifen der Sicherheitskräfte in die innenpolitische Auseinandersetzung“, eine „große Diskrepanz zwischen Verfassung sowie geltenden Rechtsnormen einerseits und ihrer tatsächlichen Beachtung und Umsetzung andererseits“, kurzum, „ein Klima subtiler politischer Einschüchterung“ in dem durchaus handfeste Methoden wie extralegale Hinrichtungen angewandt werden (Lagebericht vom 7. Juni 2004). Doch in all dem sieht das BAFL keinen Grund, politische Verfolgung anzuerkennen und Asyl zu gewähren. Bestärkt wird das Amt in Nürnberg in der Aussage des Auswärtigen Amtes, Rückkehrer, also abgeschobene Asylbewerber, hätten keine Repressionen zu befürchten. Seit langem ist indes bekannt, dass das Eyadema-Regime exilpolitische Tätigkeiten genauestens registriert und akribisch dokumentiert. Gnassingbé Eyadema wartete laut Medienberichten auf „die Rückkehr der Banditen“, an denen er sich rächen wollte. Scheinbar setzt Fauré das Warten fort: Alassane Mousbaou erwähnte in einem Telefongespräch gegenüber dem Präsidenten der Togo-Kampagne Abdou Gafarou, dass er bei seiner Ankunft den Behörden die Adresse eines Freundes gegeben habe, bei dem er angeblich wohne. Da er Repressionen befürchtete, tauchte er genau dort nicht auf - dafür aber Uniformierte auf der Suche nach ihm. Nun ist es hypothetisch zu behaupten, dass er verhaftet und gefoltert worden wäre. Fakt aber ist, dass er von Häschern des Regimes gesucht wurde. Die Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion Sevim Dagdelen forderte in ihrer Rede bei der Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt am vergangenen Montag die zuständigen Behörden auf, Soge dafür zu tragen, dass Mousbaou unverzüglich und unversehrt in die BRD zurückgebracht werde.
Auch das Auswärtige Amt hatte zugesagt, eine Abordnung der Togo-Kampagne zu empfangen, zog dieses Angebot aber wieder zurück.
Unterdessen wurde bekannt, dass die Abschiebehaft für Adzrakou Komi Anani aufgehoben wurde. Der togolesische Oppositionelle war am 16. Januar in die Abschiebeabteilung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bützow verbracht worden und umgehend in den Hungerstreik getreten. Wenige Tage später wurde er gemeinsam mit Mousbaou, der sich dem Protestfasten angeschlossen hatte, in die Krankenstation der JVA verlegt. Von dort aus wurde er Mitte vergangener Woche in die Warnow-Klinik nach Rostock verlegt, dort total abgeschirmt, mit Fußfesseln ans Bett gekettet und strengstens bewacht. Inzwischen wurde er auf eine andere Station verlegt, die Fesseln entfernt und die Wachmänner abgezogen.
Das Innenministerium Schleswig-Holsteins hat die Abschiebungen nach Togo vorerst ausgesetzt. Das bestätigte ein Sprecher des Ministeriums den Medien gegenüber. Es soll so lange niemand in das westafrikanische Land abgeschoben werden, bis das Aauswärtige Amt einen eneuen lagebericht zu Togo herausgibt. Der Pressesprecher des Auswärtigen Amtes konnte und wollte keinerlei Angaben darüber machen, wann damit zu rechnen sei. Der Lagebericht sei so geheim, dass nicht einmal sein Erscheinungsdatum veröffentlicht werden dürfe.

Birgit Gärtner
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Fotos falsch gekennzeichnet

Birgit Gärtner 08.02.2006 - 17:18
Sorry, die Fotos sind falsch gekennzeichnet: Sie wurden nicht vor der Ausländerbehörde, sondern vor dem Auswärtigen Amt aufgenommen.