Verfassungsschutz unterwegs

Ralf Streck 05.02.2006 18:52 Themen: Repression
Möglicherweise hat der Besuch des spanischen Königs Juan Carlos I. in Stuttgart dazu Staatsschutz im Ländle aktiv wurden. Der König kam auf private Einladung des Architekten Manfred Osterwald nach Baden-Württemberg, wo er sich auch mit Ministerpräsident Günther Oettinger traf, der extra eine Russland-Reise abgesagt hatte. Mitglieder der Baskisch-Badischen Gesellschaft wurden vom Staatsschutz und vom Verfassungsschutz ins Visier genommen. Am Mittwoch ist ein geplantes Treffen des Verfassungsschutzes mit einem Vereinsmitglied geplatzt.
Felix Singer (Name geändert), staunte, als am Sonntag das Bundesamt für Verfassungsschutz bei ihm an die Tür klopfte. Ein gut gekleideter, seriös wirkender Herr in Lederjacke stand ihm in der Dunkelheit um gegen 19 Uhr gegenüber. Der etwa 40jährige dunkelhaarige nannte zunächst keinen Namen, stellte sich als Mitarbeiter des Bundesamtes vor und hielt kurz einen Ausweis in die Dunkelheit. Er möchte sich mit dem Sohn deutsch-baskischer Eltern gerne einmal unterhalten, begründete er den überraschenden Besuch.

Völlig überrumpelt von dem späten Besuch und in Unkenntnis der rechtlichen Situation, vereinbarten Singer, sich am Mittwoch mit ihm treffen zu wollen. Genaues sollte am Dienstag per Telefon vereinbart werden. Die Frage, worum es denn gehe, stellte er nicht. Es war ihm ohnehin klar. Kurz zuvor hatte der Vorsitzende der Baskisch-Badische Gesellschaft, in dem Singer Mitglied ist, Anrufe von der Staatsschutzabteilung der Kriminalpolizei in Pforzheim erhalten, die nahe bei Stuttgart liegt. Auch der Staatschutz erkundigte sich über die Aktivitäten des Vereins und sprach von Ermittlung auf Grund eines internen Erlasses.

Um sich Rechtssicherheit zu verschaffen, setzte sich Singer mit Freunden in Verbindung, las Gesetzestexte und nahm Kontakt zur Presse und einem Anwalt auf. Im wurde klar, dass der Geheimdienst in Deutschland keine Befugnisse dazu hat, ihn zu einem Gespräch zu laden. Der Anwalt riet ihm, sich auf kein Gespräch einzulassen. Singer entschied sich aber dazu, den empörenden Vorgang öffentlich zu machen. „Dürfen wir jetzt keine Friedensmärsche mehr initiieren oder die Städtepartnerschaft zwischen Pforzheim und Gernika mit Leben füllen“, sagte er. Denn das Ziel des Vereins ist, einen „baskisch-badischen Austausch auf allen Ebenen als Beitrag zur kulturellen Vielfalt innerhalb eines vereinten Europas zu fördern“. Im letzten Jahr stach vor allem der Friedensmarsch als Aktivität hervor. Gemeinsam hatten sich Basken und Deutsche am 60. Jahrestag der Bombardierung Pforzheims auf den Fußweg nach Gernika gemacht. Als Zeichen der Versöhnung liefen Sie die Strecke vom 23. Februar bis zum 26. April um gemeinsam in Gernika dem 68 Jahrestag zu Gedenken, als die von Hitlers Legion-Condor die Stadt 1937 in Schutt und Asche legte, um Francos Putschtruppen zu unterstützen.

Sind Versöhnungsarbeit, Interstützung des Friedensforschungszentrums in Gernika, ein Kultur- und Schüleraustausch nun verfassungsfeindliche Handlungen, welche die Beobachtung des Verfassungsschutzes und Ermittlungen des Staatsschutzes nach sich ziehen. Dass die beiden Organe, die seit dem Ende des Faschismus in Deutschland einer strikten Trennung unterliegen, zeitgleich vorgehen, ist ebenfalls auffällig. Ob nur Singer oder auch andere Vereinsmitglieder intensiv ausgeforscht wurden, ist unklar. Der Geheimdienstler ließ Singer wissen, dass er ein Auto habe, man sich also auch außerhalb der Stadt treffen könne. Er ist auch bei der Adresse, an die sich das Bundesamt gewendet hat, nicht polizeilich gemeldet. Der Geheimdienstler zog es in genauer Kenntnis der Örtlichkeiten auch vor, nicht an der Eingangstür zu klingeln. Er klopfte lieber an einem Nebeneingang mit direktem Zugang zur Straße an dem heruntergelassenen Laden. Das verstärkt den Überrumpelungseffekt durch die Herren, die gerne im Dunkeln agieren.

Singer geht auch davon aus, dass sein Telefon – und Emailverkehr überwacht wird. Nach dem Einschalten des Anwalts und der Presse hatte sich der Geheimdienstler zum vereinbarten Zeitpunkt nicht mehr telefonisch gemeldet. Erst am Mittwochnachmittag versuchte er am Telefon doch noch einmal nachzubohren und stellte sich nun als Herr von Derk vor. Er versuchte Singer in ein Gespräch zu verwickeln, ein Protokoll liegt vor. Unter anderem wollte er wissen, mit wem sich Singer inzwischen besprochen habe, was er längst durch die Überwachung gewusst haben dürfte.

Singer versuchte noch herauszufinden, was der Verfassungsschutz genau von ihm wollte. Da von Derk ihm das nicht sagen wollte, beendete er das Gespräch. Über die Ziele kann also nur spekuliert werden. Klar ist seit langem, dass deutsche Geheimdienste Interesse am Baskenland haben. Bei der Enttarnung von Manfred Schickenrieder 2000 wurden strategischen Planungen des Geheimdienstes gefunden, die auch das Baskenland als strategisches Ziel der Geheimen definierten.

Auch der Spitzel Klaus Steinmetz, den der Verfassungsschutz bis nahe an die bewaffnet kämpfende Rote Armee Fraktion (RAF) geschleust hatte, zeigte stets großes Interesse am Baskenland. Unter anderem versuchte der bei Besuchen in Nicaragua und Kuba enge Kontakte zu baskischen Flüchtlingen zu knüpfen. Steinmetz wurde danach 1993 enttarnt, als ein Mitglied der RAF auf einem Bahnhof ums Leben kam. Selbstmord lautet die offizielle Version, obwohl Zeugen von einer regelrechten Hinrichtung sprachen.

© Ralf Streck den 02.02.2006
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