Israel-Palaestina Konflikt und der Libanon

Hans Peter 05.02.2006 14:59 Themen: Antirassismus Weltweit
Eine Uebersicht zur Errichtung Israels, die heutige Situation palästinensischer Fluechtlinge in der arabischen Welt und den Libanon, für den die Ausweitung des Israel-Palaestina Konfliktes erhebliche Folgen hatte - ein Rückblick auf den libanesischen Buergerkrieg, Rassismus gegen Palästinenser und die besonderen Rolle der Hisbollah...
Der Israel-Palaestina Konflikt. Ein Blick auf die Entstehung, palaestinensische Fluechtlinge und seine Auswirkungen auf den Libanon.

Wie wohl wenige Konflikte in der Welt sorgt die Auseinandersetzung zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn regelmaessig und ueber Jahrzehnte immer wieder fuer Meldungen in den gaengigen Massenmedien. Auch innerhalb der Linken in Deutschland haben die Spannungen im Mittleren Osten schon zu heftigen Diskussionen und Kontroversen gefuehrt und das auch nicht erst seit Israelflaggen auf Antifademos und dem Streit um die Vertretbarkeit von Palituechern.

Ich lebe derzeit im Libanon und absolviere hier statt meinem Zivildienst ein FSJ im Ausland auf einer Farm, Schule und Wohnheim zwei Autostunden suedwestlich von Beirut. Meine Aufgabe ist hauptsaechlich die Beschaeftigung und Betreuung der sieben dort lebenden geistig und z.T. koerperlich behinderten Schueler, desweiteren arbeiten hier eine Syrerin und ein mit ihr verheirateter Syrer, sowie ein Palaestinenser, der die ganze Einrichtung leitet und alles organisatorisch am Leben haelt. In diesem interarabischen Umfeld hat der Konflikt um Palaestina und Israel fuer mich natuerlich etwas mehr an Brisanz gewonnen, als in der kleinen und abgestumpften Stadt in Ostsachsen, in der ich aufgewachsen bin. Ich moechte deshalb einen kleinen Ueberblick ueber die Geschehnisse und Konflikte um Israel geben, der hoffentlich nicht komplett unbekannt erscheint, ich denke aber, dass es trotz der vielen Auseinandersetzungen und Diskussionen um den Umgang mit Israel innerhalb der Linken in Deutschland immer noch reichlich Bedarf an Information gibt. Auch im Libanon hat die Auseinandersetzung ihre Spuren hinterlassen...mehr dazu etwas spaeter, jetzt zunaechst erstmal ein kurzer historischer Abriss zur Entstehung Israels:

Der Konflikt in und um Palaestina und Israel entstand kurz gesagt zwischen der zionistischen Bewegungung, die in Palaestina einen juedischen Staat fuer die weltweite juedische Religionsgemeinschaft errichten wollte und der arabischen Bevoelkerung jenes Landes, welche sich diesem Vorhaben entgegenstellte. Der Zionismus entstand aufgrund eines aufflammenden Antisemitismus und Nationalismus im 19 Jhr. in Europa und war selbst nationalistisch gepraegt, denn das Ziel war ja wie gesagt der juedische Nationalstaat. Zu jener Zeit um 1880 war Palaestina Teil des Osmanischen Reiches, das Projekt eines juedischen Staates wurde von dessen Fuehrung wehement abgelehnt und waere auch gegen die damals zu 95% aus Arabern bestehende palaestinensische Bevoelkerung schwer durchsetzbar gewesen. Nach dem Erlangen des Mandats ueber Palaestina durch Gross Britannien im Zuge der Niederlage des Osmanischen Reiches im I. Weltkrieg wurden dann jedoch erste konkrete Schritte in Richtung eines Staates Israel auf palaestinensischem Boden unternommen - natuerlich unter massiven Widerstand der bisherigen arabischen Bewohner Palaestinas. Von 1936 bis 1939 kam es zum laengsten gewaltsamen Aufstand der Palaestinenser in der Geschichte des Konfliktes, was zum Rueckzug Gross Britanniens fuehrte, dessen Forderungen an die Zionisten, bei der Errichtung Israels andere Teile der Bevoelkerung im Siedlungsgebiet nicht zu beeintraechtigen, sehr schwer erfuellbar schienen. Leider brauchte es erst ein so vernichtendes Ereigniss wie den Holocaust, um die Notwendigkeit eines sicheren Rueckzugsgebietes fuer die verfolgte juedische Religionsgemeinschaft zu verdeutlichen, Gross Britannien wollte jedoch trotz dieser Erkenntniss seine guten Beziehungen zu den zukuenftigen arabischen Nachbarn des Staates Israels nicht zu grossen Spannungen aussetzen und uebergab das Palaestinamandat 1947 der UN, woraufhin die Teilung Palaestinas und 1948 die Errichtung Israels vollzogen werden konnte. Die schon von Gross Britannien gefuerchteten Spannung infolge eines, mitten in den arabischen Raum gesetzten, juedischen Staates und der daraus resultierenden Spaltung Palaestinas hatten sich trotz der Ereignisse um den Holocaust und den Einfluss der UN nicht geloest und so griffen die Nachbarn Israels den Staat direkt nach seiner Gruendung an, woraufhin Israel sein Terretorium von den 56%, welche die UN zugesprochen hatte, auf fast 4/5 Palaestinas ausweitete. Nach dem von Syrien, Agypten und Jordanien heraufprovozierten Junikrieg ("Sechs-Tage-Krieg") 1967, dessen vernichtende Niederlage der drei arabischen Armeen zu einem der schlimmsten Schocks der juengeren arabischen Geschichte wurde, nahm die israelische Armee auch die restlichen Gebiete Palaestinas, also Gazastreifen und Westbank, ein und besetzte noch im selben Jahr das arabische Ostjerusalem. Im Zuge immer dringlicher werdender Probleme der palaestinesischen Fluechtlinge gruendete sich 1964 die PLO als Zusammenschluss von Gewerkschaften, Frauen- und Studentenverbaenden und verschiedener Widerstandsgruppen, die auch militante Kaempfer terroristischer Kommandoaktionen beheimateten. Die PLO wurde bis zum Oslo Prozess 1993 von Israel stets als Verhandlungspartner abgelehnt, trotz einer scheinbaren Anerkennung der Vereinigung wurde jedoch bis heute keine Einigung im Rahmen von Verhandlungen erzielt, obwohl eine seit 1996 gewaehlte palaestinesische Behoerde inzwischen weite Aufgabenfelder der PLO uebernommen hat. Die israelische Regierung setzte die 1967 eroberten Gebiete im Gazastreifen und Westbank urspruenglich als Verhandlungsmasse fuer eine eventuelle zukuenftige 2-Staaten Loesung ein, was durchaus zu neuen Hoffnungen fuehrte, denn die arabischen Nachbarstaaten und sogar die PLO wollten sich unter der Formel "Land fuer Frieden" zu Verhandlungen bereit erklaeren, wobei Israel aber z.B. mit der bereits erwaehnten Besetzung Ostjerusalems noch 1967 wieder viele Hoffnungen zerstoerte, ebenso wie mit der massiven Besiedlung in den palaestinensischen "Autonomiegebieten" Westbank, Gazastreifen und Ostjerusalem. Von Palaestina aus sorgten Terroranschlaege in Israel, bei denen vermehrt nach dem Ausbruch der zweiten Intifada im Jahre 2000 zahlreiche Israelis vor allem durch Selbstmordanschlaege grausam getoetet wurden, fuer ein regelmaessiges Scheitern aller Annaehrungsversuche. Die erste 1987 ausgerufene Intifada wurde noch von der Masse der PalaestinenserInnen im Gazastreifen, Westbank und Ostjerusalem als Protest gegen die Bedingungen der Besetzung dieser Gebiete durch Israel getragen und wirkte durch einen weitestgehenden Verzicht auf toedliche Waffen und dennoch harter Reaktionen der israelischen Regierung und Armee auf Massendemonstration, mit Steinwuerfen und den Boykott israelischer Produkte auch in der israelische Gesellschaft und sorgte weltweit zu neuer Aufmerksam gegenueber dem Konflikt in Israel, wovon auch die PLO profitierte. Die zweite, bereits erwaehnte, Intifada, welche nach dem Scheitern der Camp David Verhandlungen ausbrach, schadete dagegen eher politischen Loesungsversuchen mit ihren militanten Angriffen auf die israelische Armee und Bevoelkerung und wurde auch nur von einer radikalen Minderheit der PalaestinenserInnen getragen und in ihrem Anfangsstadium durch die palaestinensische politische Fuehrung toleriert. Bisher haben also weder die Verhandlungen auf der Madriter Friedenskonferenz 1991, noch der Oslo Prozess und die Camp David Verhandlungen von 2000 und auch nicht die "Roadmap fuer den Frieden" unter der Regie von USA, EU und UN klare Loesungen hervorbringen koennen. Die Wahl der Hamas, die nicht nur fuer soziale Projekte in den besetzten Gebieten Palaestinas, sondern auch fuer viele zu verachtende Terroranschlaege in Israel verantwortlich ist, zur staerksten Kraft im palaestinensischen Parlament zeigt wieder, wie weit der Weg zu einer Loesung des Konflikts noch erscheint - denn jetzt vertritt eine Organisation die Interessen der palaestinensischen Bevoelkerung, die in ihren Grundsaetzen keinen Staat Israel akzeptiert, somit eine realistische 2-Staaten Loesung ablehnt und den bewaffneten Kampf als geeignetstes Mittel in der Auseinandersetzung mit Israel sieht...

Die Gruendung Israels verlief wie bereits erwaehnt nicht an der arabischen Bevoelkerung des Landes vorbei...die Situation palaestinensischer Fluechtlinge nach der Spaltung Palaestinas:
Mit der Gruendung und Erweiterung Israels wurden etwa 400 der 500 arabischen Doerfer des ehemaligen Palaestinas zerstoert, der Besitz der Fluechtlinge wurde beschlagnahmt und jegliche Rueckkehr verhindert. Heute leben etwa 1,3 Mio. palaestinensische Fluechtlinge in 59 Fluechtlingscamps im Gazastreifen, Jordanien, Libanon, Syrien und der Westbank. Im Gazastreifen leben etwa die Haelfte der 900000 Fluechtlinge dieser Region seit der Errichtung Israels in 8 UN-Fluechtlingslagern. In jener Autonomieregion liegt die Arbeitslosenrate etwa bei 45%, 2/3 der Bevoelkerung leben in Armut.

Auch im Libanon ist die Lage der PalaestinenserInnen mehr als kritisch zu betrachten, ueber die Haelfte der etwa 400000 Fluechtlinge lebt hier in einem der 12 Fluechtlingscamps, fuer die laut UNRWA (the United Nations Relief and Works Agency for Palestinian Refugees) 41500 Schueler (2003/2004) standen 81 Grund- und weiterfuehrende, aber nur 5 Schulen auf Gymnasiumniveau zur Verfuegung, desweiteren sind 46000 Fluechtlinge bei der UNRWA als besondere Haertefaelle registriert. Nicht nur die blanken Zahlen zeugen schon von der prekaeren Situation der PalaestineserInnen im Libanon, darueber hinaus verbieten diskriminierende Gesetze und Verordnungen die Ausuebung von ueber 70 Berufen und den Besitz von groesserem Eigentum, die Camps sind meist von zahlreichen Militaerposten umgeben, welche die freie Beweglichkeit der PalaestinenserInnen im Libanon weiter einschraenken. Laut UNRWA leben 60% der palaestinensischen Fluechlinge in diesem Land in Armut. Der Ursprung von Rassismus, Diskriminierungen und Repression gegenueber palaestinensischen Fluechtlingen im Libanon ist zu einem grossen Anteil vor und waehrend den Jahren des Buergerkrieges im Libanon zu finden, in dem sich muslimische und christliche Milizen mit Unterbrechungen von 1975 bis 1990 heftige Kaempfe lieferten, bei denen ueber 100000 Menschen getoetet wurden, Beirut nahezu komplett kaputtgeschossen wurde und der einst wirtschaftlich und kulturell aufbluehende Libanon Jahrzehnte in der Entwicklung zurueckgeworfen wurde. Die Folgen der Besetzung des Libanon durch syrische Truppen, die 1976 begann und erst im Jahre 2005 endete, sind noch bis heute spuerbar (siehe Anschlaege gegen syrienkritische Journalisten und Politiker, wie zuletzt der am 12. Dezember 2005 ermordete Gibran Tueni). Vor dem Krieg verlagerte die PLO, nachdem sie aus Jordanien 1970/71 vertrieben wurde, ihren Sitz nach Beirut und fuehrte vom Libanon aus Kommandoaktionen gegen Israel durch, die entsprechend heftigen Gegenschlaege der israelischen Armee auf libanesischem Boden fuehrten zu starken innerlibanesischen Spannugen zwischen der christlichen und der muslimischen Bevoelkerung in jenem multikonfessionellen Staat, in dem bei nur 3,6 Mio. EinwohnerInnen 18 Religionen beheimatet sind, wobei etwa die Haelfte den Muslimen und die andere Haelfte der christlichen Religionsgemeinschaft zuzuordnen sind. Muslimische Gruppen erklaerten sich solidarisch mit der PLO und wehrten sich gegen die Repressionsversuche der christlichen Regierung, sodass die Ausweitung des Palaestinenserkonflikts von den palaestinensischen Gebieten in Israel auf den Libanon zu einer weiteren Verschaerfung der innerlibanesischen Krise zu jener Zeit beitrug, die im Buergerkrieg endete. Jener brach dann schliesslich auch an einer Grenzregion von christlichen Wohnvierteln und Slums, sowie Palaestinenserlagern aus, die langanhaltende und fuer die zivile Bevoelkerung entbehrungsreiche Besetzung des Suedlibanon von 1985 bis 2000 durch israelische Truppen, die ja sicher ohne die PLO in Beirut und palaestinensische Fluechtlinge im gesamten Libanon so nicht stattgefunden haette, erlaubten eine weitere scheinbare Legitimation fuer die Diskriminierung der Fluechtlinge. Im Buergerkriegsjahr 1982 hat sich auch ein fuer die palaestinesische Bevoelkerung traumatisches Massaker in den Lagern Sabra und Shatila ereignet. Drei Monate nach dem Einmarsch der israelischen Armee in den Libanon postierten sich am 15.September 1982 israelische Soldaten und Panzer rund um die beiden Lager und ueberwachten saemtliche Ein- und Ausgaenge. Am folgenden Tag drangen christliche Milizen in die beiden Fluechtlingslager ein, um, offenbar mit Duldung der sich um Sabra und Shatila befindlichen israelischen Armee, massenhaft palaestinaensische Fluechtlinge zu toeten - ich habe von Zahlen zwischen 800 und 3500 Toten (Aljazeera.net) und auch 2800 ermordeten Menschen gelesen (Indymedia Beirut), nach dem Massaker wuden der israelischen Armee weder militante Palaestinenser uebergeben, noch wurden in den Fluechtlingslagern Waffen gefunden...Verteidigungsminister in Israel war damals Ariel Sharon.

Wer einmal im Libanon unterwegs war, entdeckt sicher den heftigen Widerspruch von staatlich organisierter Repression gegen PalaestinenserInnen und gleichzeitigem, staatlich verordnetem Antisraelismus. Auf keiner der vom libanesischen Tourismusministerium ausgegeben Karten laesst sich z.B. das Land Israel finden, stattdessen befindet sich suedlich vom Libanon Palestine, was ja einerseits von der tiefen Feindschaft zu Israel, andererseits auch von Solidaritaet mit den arabischen Bewohnern dieses offiziel nicht existierenden Staates zeugt, dessen EinwandererInnen im Libanon dagegen aber, wie auch in Israel, als BuergerInnen 2. Klasse behandelt werden. Fuer libanesische Staatsangehoerige ist es des weiteren eine Straftat nach Israel zu reisen. Beispielhaft war auch ein Schreiben zu meiner Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, welches meine Regeln fuer mein Leben im Libanon festlegt: "I [...] commit myself under the pain of legal prosecution and of immediate deportation [...] in case of breach the following conditions: [...] 3 - Exercise of any activity constituting or critism or an instigation against any other State and its symbols, excepting Israel."

Die Feindschaft zu Israel hat im Libanon zum einen ihre Ursachen in der traditionell-israelkritische Haltung als Teil der arabischen Welt aus Zusammenhaengen, die im ersten Textabschnitt erlaeutert wurden. Hinzu kommen noch die Aspekte des spezifisch-libanesischen Konflikts mit Israel aus den genannten Gruenden der Besetzung des Suedlibanon, Buergerkrieg, palaestinensische Fluechtlinge usw. Nur aus dieser Konstellation laesst sich z.B. die besondere Rolle der Hisbollah erklaeren, die als einzige im Buergerkrieg aktive Miliz offiziel von der Entwaffnung aller beteiligten Gruppierungen des Krieges von 1975 bis 1990 ausgenommen wurde - mit der Begruendung, dass sie als Widerstaendler gegen die israelische Besetzung im Suedlibanon zum Tragen von Waffen berechtigt seien. Inwieweit die Selbstmordattentate auf israelische Militaerstuetzpunkte und Angriffe auf israelische Soldaten nun tatsaechlich den Abzug der israelischen Truppen erkaempft haben oder ob das israelische Militaer und und deren Regierung im Jahr 2000 einfach zu sehr in Erklaerungsnot fuer die Besetzung kam, bleibt schwer zu beantworten. Sicher haben auch die recht heftigen Angriffe der Hisbollah und die daraus resultierenden Verluste in der israelischen Armee zur Raeumung beigetragen, zum anderen erschien offenbar selbst der israelischen Regierung der Sinn der Besatzung an sich nach 15 Jahren fragwuerdig. Fest steht jedoch, dass eine der wichtigsten Grenzen des Mittleren Ostens - die zwischen Israel und dem Libanon - trotz allem bis heute von der Hisbollah kontrolliert wird. Die Hisbollah haette sich ohne die besondere Lage des Libanon als Nachbarstaat Israels nie so etablieren koennen und trat nach ihrer Gruendung 1978 auch erst waehrend des israelischen Einmarsches in den Libanon 1982 wirklich in Erscheinung als kompromisslose Einheit gegen die israelische Truppen im Libanon. Die ehemalige Buergerkriegsmiliz ist in der schiitischen Bevoelkerung sozial fest verankert, hat sich auch recht erfolgreich an Parlamentswahlen beteiligt (z.B. im Jahr 2000 10% der Stimmen) und in Hochburgen der Organisation, wie z.B. in Baalbeck, sind die Strassen gesaeumt von Hisbollahflaggen und Bildern ihrer charismatischen Fuehrungspersoenlichkeit Hassan Nasrallah, der nicht nur auf dem hauseigenen Fernsehsender Manar TV staendige Medienpraesenz geniesst. Die Hisbollah kann aber auch durchaus als kleiner Handlanger ihrer finanzieller Unterstuetzer Iran und Syrien gesehen werden, die so guenstig ihre Feindschaft mit Israel fern vom eigenen Staatsgebiet und ohne den Verlust eigener Truppen ausleben koennen. Der unuebersehbare Einfluss Syriens ist auch im Moment an der unverantwortlichen Arbeitsniederlegung einiger Hisbollah - Minister in der Regierung erkennbar, die damit gegen das Vorhaben protestieren, eine Art internationalen Gerichtshof ueber die bestehende UN- Komission hinaus zu errichten, welcher die 12 Bombenanschlaege von 2005 aufklaeren soll, bei denen fuenf syrienkritischen Parlamentsmitgliedern und Journalisten ermordet wurden. Bis jetzt wird nur der Mord am werdenden Ministerpraesidenten Rafik Hariri durch jene erwaehnte UN-Komission behandelt, wobei (neben dem libanesischen Geheimdienst) eine eindeutige Beteiligung hoher syrischer Politker nachgewiesen wurde. Aktionen wie diese zeugen leider von der tiefen Gespaltenheit der libanesischen Gesellschaft, von der ein nicht zu unterschaetzender Anteil hinter der Hisbollah steht, natuerlich aus ihrer historisch gewachsenen Feindschaft zu Israel und ihrer Zufriedenheit mit dem konsequenten Entgegentreten der Hisbollah gegen Israel, aber auch aus verschieden Symphatieaspekten, wie z.B. der sozialen Verwurzelung der Organisation in der schiitischen Bevoelkerung oder der Persoenlichkeit Hassan Nasrallahs. Alle Gegnerschaft zu Israel wird sich im Libanon nicht zumindest ein wenig relativieren, bis nicht wenigstens die letzte besetzte Region der Sheeba Farms im Suedlibanon von der israelischen Armee geraeumt wird und darueber hinaus wird niemand im groesseren Rahmen gesehen ein Ende aller Gewalt, von wem auch immer ausgehend, erleben, bis es nicht zu einer fuer beide Parteien akzeptablen 2-Staaten Loesung kommt und wenn ich von Gewalt schreibe, dann meine ich auch die katastrophale Lage der palaestinensischen Fluechtlinge rund um Israel. Vielleicht besinnt sich die juengere Generation der Hamas ja in der Situation politischer Realitaeten in ihrer Rolle als Regierungspartei der PalaestinenserInnen auf ein gemaessigteres Umgehen mit dem Staat Israel, verzichtet auf sinnlose, zu verachtende und in ihrer Position kontraproduktive Terroranschlaege in Israel und kann so Raum fuer Verhandlungen um einen israelischen Nachbarstaat Palaestina schaffen.

Ich bin mir bewusst dessen, dass Kritik an Israel durchaus als Bestandteil des "Rechten Konsens" in Deutschland gesehen werden kann und theoretisch gesehen erscheinen Antideutsche Formeln wie "(Bedingungslose) Solidaritaet mit Israel" oder "Waffen fuer Israel" auch begruendbar - doch vergessen solche Argumentationen, dass sich Konflikte nun mal nicht auf dem Schachbrett abspielen und wir doch bei aller Diskussion nicht den Aspekt der Menschlichkeit und in diesem Zusammenhang z.B. das Schicksal der palaestinensischen Fluechtlinge nicht vergessen duerfen! Obwohl Israelkritik auch von antizionistisch und antisemitisch motivierten rechten Gruppierungen in Deutschland geuebt wird, ist eine kritische Haltung zu bestimmten Aspekten israelischer Politik meiner Meinung nach dennoch fernab vom rechten Konsens moeglich, wenn die Motivation dazu als Teil einer Gesamtkritik am System Staat allgemein angesehen wird, denn Repressionsmassnahmen, Expansions- und Einflussnahmebestrebungen usw. liegen in der Natur eines jeden Staates und dabei nicht vergessen wird, dass z.B. Deutschland ja auch seine Bundeswehr hat, "illegale Einwanderer" abschiebt oder ueber die G8, WTO und Weltbank weltweit Menschenrechte mit Fuessen tritt um eigene Interessen zu verwirklichen. Wenn ich mich in diesem Zusammenhang kritisch gegen Aktionen der israelischen Regierung oder Armee aufgrund fehlender Loesungsansaetze fuer die palaestinensischen Fluechtlinge ausspreche, dann nicht aus antizionistischen Gruenden, welche dem juedischen Staat seine Existenzberechtigung absprechen, sondern aus humanistischen Motiven. Ausserdem sollte, bevor Israelkritik und Antisemitismus in jedem Fall und generell gleich gesetzt werden, einmal darueber nachgedacht werden, dass vielleicht jeder Israeli auch Jude ist, aber doch nicht jeder Jude auch Israeli!

Quellen:
-Zusammenhaenge zur Entstehung Israels, Hamas und Hisbollah aus: Alexander Flores: Die arabische Welt, Ein kleines Sachlexikon. Reclam Verlag, 2003.(kompaktes, kleines Buechlein, sehr zu empfehlen, kost nur knappe 7.00 Eur)
- Fakten zur aktuellen Politik im Libanon (Anschlaege, Boykott der Hisbollah Minister etc.): Monday Morning (englischsprachiges Nachrichtenmagazin fuer den Libanon) No. 1723, 02. Januar 2006
- Zahlen zu palaestinensischen Fluechtlingen im Gaza Streifen: Monday
Morning No. 1717, 21. November 2005
- Zahlen und Fakten zu palaestinensischen Fluechtlingen im Libanon:
 http://beirut.indymedia.org/ar/2005/07/2989.shtml,
 http://english.aljazeera.net/NR/exeres/2DA95022-A67C-4A93-B7A0-
3CDF8538CB4A.htm (zu Sabra und Shatila)
- Zahlen und Fakten zu palaestinensischen Fluechtlingen im gesamten arabischen Raum:  http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Palestinian_refugee_camps

Falls ihr irgendwie andere Zahlen oder Gegendarstellungen zu bestimmten Ereignissen habt, bitte unbedingt eraenzen um einen moeglichst komplexen Ueberblick der Geschehnisse zu geben!
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Ergänzungen

Wieso ist jeder Israeli Jude????

yibah 05.02.2006 - 16:52
Rund 20% der Israeli sind muslimischen Glaubens (Palistinenser und Araber) und gut 10% Religionslos (joo, gibt es auch da!).

guter artikel

egal 05.02.2006 - 16:54
kleine anmerkung
nicht jeder israeli ist jude
naja kleine meckerecke
ich hoffe mal das die ad´s ihn nicht zerreißen

jau, libanon!

tagmata 05.02.2006 - 17:19
was mich mal interessiert: wie sehen die leut im libanon das, wenn israel als "einzige demokratie im nahen osten" bezeichnet wird? ich meine, daß das mit der demokratie in libanon lange zeit nix war, liegt ja nicht daran, daß die leute dort keinen bock drauf hätten oder so, sondern weil jeder regionale dreikäsehoch von hegemon und alle möglichen ausländischen mächte meinten, mit denne können wir's ja machen?

ist ne frage, die mich schon die ganze zeit beschäftigt. ich hör immer wieder, "israel, die einzige demokratie im nahen osten..." und denk mir, mensch, wann haben die idioten das letztemal in ein geschichtsbuch geschaut?

@yibah

plumssack 05.02.2006 - 17:48
zum verständniss des artikels.
da steht:


"....dass vielleicht jeder Israeli auch Jude ist, aber doch nicht jeder Jude auch Israeli!"

vieleicht heisst vieleicht.

der satz trifft also keine aussage darüber ob jede israelin jüdin ist sondern NUR darüber das nicht jede jüdin israelin ist.

Die einzige " Demokratie " - - - - -

Ingrid Mahnke 05.02.2006 - 20:51
Es handelt sich bei Israel nicht um eine Demokratie im westlich - klassischen Sinne : es fehlen eine Verfassung und eine gültige Staatsgrenze. Eine Demokratie kann nicht allein aus dem Recht zu und der Durchführung von Wahlen hergeleitet werden. Wenn Wahlen das einzige Kennzeichen einer Demokratie wären, müßte der Irak jetzt auch eine Demokratie sein.
Es wär doch sinnvoll, endlich exakter die Sachverhalte darzustellen.

großes lob

tut nix zur sache 06.02.2006 - 16:01
fand diesen ganzen artikel sehr gelungen und ausgewogen. nice one...
ich möchte hier aber anmerken, dass die tatsache das der autor den gesammten letzten absatz nur dafür verwenden musste, schon vorab sicherzustellen das er kein antizionist (was ja nix falsches sein muss) und schon garkein antisemit ist und dass er sich eine kritik jenseits des rechten konsens vorstellen kann und es darum mal in diesem artikel probiert hat, ein wahnsinnig schlechtes bild auf die sogenannte linke in deutschland wirft! diese ganze spalterei, diese radikalität jenseits von fundiertem wissen und überhaupt diese einseitigkeit im denken vieler, sich selbst als linke schimpfender, hornochsen ist derart krank, dass ich inzwischen meinen vater verstehen kann wenn er sagt, links und rechts liegt näher bei einander als mensch auf den ersten blick denkt! ich weiß das dieser beitrag nicht allzu konstruktiv ist, aber das musste mal gesagt werden.

@ingrid

Danijel 06.02.2006 - 16:09
...vorsicht, vorsicht. Großbritannien hat auch keine geschriebene Verfassung und trotzdem sind wir uns wohl alle einig, dass es sich dabei um eine demokratie handelt-

Copyleft-Doku über Beirut

--- 14.07.2006 - 16:49
facing reality: beirut - lebanese dailylife stories

"Der Libanon ist, wie der gesamte "Nahe Osten" , immer wieder Thema in Nachrichtenmeldungen und politischen Diskussionen. Ein Beispiel sind die Massenproteste in Beirut gegen die hohen Ölpreise Mai 2004. Wir hören vereinzelt von Gefangenenaustausch und Verhandlungen zwischen Israel und Hizbollah - und dann wieder von israelischen Luftangriffen. Das Bild über das Leben der Menschen und die heutige soziale Situation in dem einst kriegszerrütteten Land, dessen Bewohner in so viele verschiedene religiöse, politische und soziale Gruppen zersplittert waren - und zum Teil noch sind - ist oft geprägt durch die ehemaligen Kriegsberichterstattungen. Aber wie sieht das Leben, der Alltag und das Verhältnis der Menschen aus den damals verfeindeten Gruppen aus? Was sind ihre Ansichten und Erinnerungen an damals, was ihre Ziele und Wünsche heute und für die Zukunft? Der Film versucht, Einblicke zu geben - auch und gerade dann, wenn diese unseren Bildern und Klischees widersprechen, verwundern, Fragen aufwerfen..."

 http://video.indymedia.org/en/2005/01/9.shtml

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