Bielefeld: Rektoratsbesetzung geht weiter

Beobachter 04.02.2006 15:23 Themen: Bildung
Anzahl der BesetzerInnen wächst weiter: Mehrere Hundert
Erste Reaktionen des Rektorats: Gewohnt antidemokratisch
Solidarität übertrifft alle Erwartungen: Auch von ungewohnter Seite
Forderungen sind keine Seifenblasen: Kein Ende in Sicht
QUANTITATIVE UND QUALITATIVE ENTWICKLUNG

Die seit Mittwoch andauernde Besetzung des Rektorats der Universität Bielefeld geht munter in Tag 4.
Bis Freitag sind erneut etliche Studierende und weitere Hochschulangehörige zu den BesetzerInnen gestoßen, zudem haben sich mehrere Dutzend SchülerInnen des benachbarten Oberstufenkollegs der Aktion angeschlossen. Mittlerweile beteiligen sich um die 400 Menschen aktiv; nachts sind mindestens 50, tagsüber weit mehr als 100 Personen ständig anwesend.
In unzähligen Arbeits- und Aktionsgruppen wird der weitere Widerstand ausgearbeitet, weit über die Besetzung hinaus. Auch inhaltlich ist längst nicht mehr "nur" von Studiengebühren die Rede, sondern es werden die Zusammenhänge der verschiedenen sozialen Kämpfe thematisiert. Eine Spaltung der verschiedenen gesellschaftlichen Interessensgruppen ist hier kein Thema.

REKTORAT BLEIBT BEI SEINEM UNDEMOKRATISCHEN KURS

Nach einem langen Tag des Verharrens ist das Rektorat der Uni Bielefeld nun in die Gegenoffensive gegangen. Mit vorgeblichen "Gesprächsangeboten" versuchen sie, ihren Frieden wiederherzustellen, während die unsozialen Pläne weiterhin propagiert werden.
Es ist bezeichnend, dass die BesetzerInnen von einem "Gesprächswillen" des Rektorats vornehmlich aus den Medien erfahren, in denen sich der angeschlagene Rektor nun plötzlich als offener Dialogpartner präsentieren will. Dabei hat das Rektorat in tatsächlichen Gesprächen mit VertreterInnen des AStA bereits betont, keinesfalls und keinen Millimeter von seinen Standpunkten abzuweichen.
Zeitgleich bleibt das Rektorat bei seinem undemokratischen Kurs und instrumentalisiert wieder mal die lokalen Medien. Bisheriger Höhepunkt waren ein Bildbericht sowie ein "Kommentar" in der WDR-Lokalzeit von Freitag, in dem die BesetzerInnen als "wirklichkeitsfremde" Spinner diffamiert wurden. Erstaunlicherweise entsprach der "Kommentar" des WDR-Redakteurs in weiten Teilen im Wortlaut dem, was Vertreter des Rektorats 24 Stunden zuvor gegenüber AStA-Mitgliedern kundgetan hatten...

SOLIDARITÄT AUCH VON UNGEWOHNTER SEITE

Neben zahlreichen Gruß- und Solidaritätsadressen aus allen Teilen und Schichten des Landes äußern sich auch DozentInnen und MitarbeiterInnen der Hochschulverwaltung zunehmend offen positiv zu der Rektoratsbesetzung. Die zuständigen Stellen weigern sich, an einer Beendung der Besetzung mitzuwirken und für das Verhalten des Rektorats in die Bresche zu springen. Sogar der Sicherheitsdienst der Universität verweigert stellenweise den Gehorsam, hält sich aus den besetzten Räumen fern und drückt hier und da bei Aktionen in der Uni ein Auge zu.

BEREITSCHAFT ZUM DURCHHALTEN

Auch wenn das Plenum der BesetzerInnen noch keine endgültige Entscheidung getroffen hat: Die einzelnen AktivistInnen lassen eindeutig durchklingen, dass sie sich weder einschläfern noch einlullen lassen. Solange die Forderungen - Rücktritt des Rektorats, Demokratisierung der Hochschule, Nein zu Studiengebühren - nicht erfüllt werden, wird die Besetzung des Rektorats nicht beendet.
Zu Wochenbeginn und spätestens mit Beginn der Semesterferien ist mit weiterem Zulauf aus der Studierendenschaft zu rechnen. Parallel dazu sind es die kleinen Aktionen am Rande und der ungewohnte Geist der Freiheit, die immer wieder den Ansporn zum Weitermachen liefern.
Vorausschauende Stimmen warnen vor einer Abspeisung des Widerstandes mit scheinbaren Zugeständnissen - oder einer Spaltung je nach Intensität der jeweiligen Aktionsform. Diese Bedenken werden unter den BesetzerInnen offen thematisiert und bisher weitgehend entkräftet.

PERSPEKTIVE

Bisher übt sich das Rektorat zur Besetzung in gespielter Toleranz - und hofft, dass die Proteste abklingen und verstummen werden, wenn Spaltung und Eingelulle auf anderer Ebene gelungen sind.
Zur Zeit läßt der Rektor durch die Medien verlauten, dass er mit einem Ende der Aktion am Montag rechnet. Diesen Gefallen werden die BesetzerInnen ihm sicher nicht tun - warum auch?
Ob das Rektorat seinen Kurs verschärft - am Ende vielleicht sogar eine gewaltsame Räumung veranlaßt - wird sich ab dann zeigen. Etliche BesetzerInnen - und AktivistInnen, die sich hier bisher Kräfte schonend im Hintergrund halten - haben bereits angekündigt, es darauf ankommen zu lassen und die antidemokratische, extrem gewaltbereite Haltung des Rektorats einmal mehr deutlich zu machen.
Sollten hingegen Forderungen der BesetzerInnen tatsächlich erfüllt werden, wäre das ein erster kleiner Erfolg im Kampf gegen Studiengebühren - und eine Verlagerung der Aktionen hin zu den weiteren Verantwortlichen wäre denkbar.
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Ergänzungen

kreativ bleiben

... 04.02.2006 - 17:48
erstmal großes Lob, dass die Besetzung nun schon ein bisschen andauert und anscheinend nicht einzuschlafen droht. Gerade das Einschlafen des Protests bei einer Besetzung ist eine Gefahr, deswegen ist es wichtig an dem Besetzen Ort viel Stattfinden zu lassen (sein es Seminare, Feuerjonglage, Spieleabende, Parties was weiß ich) und immer für neue Öffentlichkeit zu sorgen, nicht nür über mundpropaganda.

Durchhalten...

Solidarische Grüße

- 04.02.2006 - 18:31
Erstaunlich, dass sich sogar der Sicherheitsdienst einigermaßen solidarisch zeigt...Kopf hoch, wenn ihr von so vielen Leuten unterstützt werdet, kann man wenigstens hoffen, dass das Rektorat einknickt.

Spaltung und Entpolitisierung entgegentreten!

Unterstützungsgrüppchen 06.02.2006 - 14:51
Nach den durchweg neutralen Berichten in den ersten Tagen (abgesehen von einem unsäglichen WDR-Beitrag) setzen nun die Versuche der Medien ein, den Widerstand an der Uni Bielefeld zu brechen.

In einem Beitrag der Neuen Westfälischen (NW) von heute wird phantasiert, dass ein Teil der protestierenden Studies einer "Kompromissformel" in Sachen Studiengebühren zugeneigt wäre.

Im weiteren seien die BesetzerInnen "auf Distanz zu Aktionen wie Eierwürfen, Rektor besprüht, übelste Beschimpfungen und Herabsetzungen des Rektors" gegangen. Es sei von "Ausschreitungen" die Rede gewesen, die "von Einzelnen" provoziert gewesen seien.

Im weiteren gibt der NW-Artikel sich alle Mühe, die Rektoratsbesetzung und den Protest als vergnügliches Zeltlager darzustellen: "Die Studenten haben sich eingelebt, 'nur auf dem Teppich schläft es sich etwas hart'"

Diesen leicht durchschaubaren Spaltungs- und Entpolitisierungsversuchen müssen die BesetzerInnen nun entschieden und in aller Deutlichkeit entgegentreten. Eine Gegendarstellung zu dem Zeitungsbeitrag wäre da nur ein erster Schritt.

Sollten sich manche der angeblichen Aussagen als wahr herausstellen, müssen das Plenum und alle BesetzerInnen dafür sorgen, dass wirre unsolidarische Einzelmeinungen nicht weiter im Namen der BesetzerInnen nach außen getragen werden können.

Wir Studierenden kämpfen gemeinsam für unsere Ziele!
Entpolitisierung und Spaltung entgegen-treten!!

Solidarisches aus Kiel

Tristan 08.02.2006 - 20:10
großes lob an euch! gute aktion!
finde es super, dass es bei euch so viele geworden sind. haltet durch, ihr kämpft für eine gute sache

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 3 Kommentare

Weiter so!

Ex-Stefii-Besetzer 04.02.2006 - 19:10
Die allerbesten Grüße aus Karlsruhe! Macht weiter so und lasst euch nich unterkriegen!

Alles besetzen,was besetzt gehört!

Glückwunsch

aus berlin 04.02.2006 - 20:00
Jau, das ist genau das richtige!
Allen stellen / institutionen, die meinen irgendwas ausexekutieren zu müssen (und sich dann persönlich rausziehen wollen mit dem hinweis, nicht verantwortlich zu sein), muss auf die pelle gerückt werden!
Keine ruhezonen, kein privatleben, kein netter alltag für funktionale zombies im 'bildungs'bereich, egal ob sie in der politik oder in leitender position oder im verwaltungsapparat tätig sind!

Glückwunsch und Soli-Grüße

Duisburger 11.02.2006 - 10:33
Solidarische Grüße aus Duisburg!
Haltet weiter durch und lasst euch nicht abspeisen oder bedroher...
Ein Zugriff auf aüßere Gewalten von Seiten des Rektors ist auch ein wsymptomatischer Akt mit guter Außenwirkung...also kein schiss vor ner Räumung haben, dem Rektor flattert da eh dat Hemd ;-)