Tausendfacher Protest statt Kongress

Ralf Streck 24.01.2006 10:57 Themen: Repression Weltweit
Letzte Woche hat der spanische Nationale Gerichtshof die Aktivitäten der baskischen Partei Batasuna (Einheit) erneut "vorläufig" verboten  http://de.indymedia.org//2002/09/28672.shtml , obwohl die Partei seit drei Jahren schon verboten ist. Damit sollte deren Parteitag am vergangenen Samstag in Bilbao verhindert werden. Statt im Kongresszentrum versammelten sich viele Tausend Menschen davor  http://de.indymedia.org/2006/01/137102.shtml , um für die politischen und zivilen Rechte zu demonstrieren. Wir sprachen mit Auslandssprecher der Partei Joseba Alvarez über die Vorgänge und die Zukunft.
Was läuft hier vor dem Kongresszentrum in Barakaldo gerade ab?

Eine Gruppe von Bürgern hatte dazu aufgerufen, die zivilen und politischen Rechte aller im Baskenland zu verteidigen und gegen das Vorgehen des Richters Fernando Grande-Marlaska zu protestieren. Dem Aufruf haben sich zahlreiche Parteien, Gewerkschaften angeschlossen. Bis auf die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) sind alle baskischen Parteien hier vertreten. Tausende sind gekommen, um dem politischen Akt beizuwohnen. Dazu sind 35 Vertreter von linken Parteien aus der gesamten Welt hier. Die wollten am Parteikongress teilnehmen und Beobachten jetzt die Vorgänge um das Verbot und was sich derzeit im Baskenland ereignet.

Und das ist möglich, obwohl ihre Partei vor drei Jahren verboten worden war?  http://de.indymedia.org//2003/03/44658.shtml

Seitdem wir im November 2004 die Friedensinitiative vor 15.000 Menschen im Radsportstadion von Donostia vorgestellt haben  http://de.indymedia.org//2004/11/99236.shtml , führen wir den Prozess um eine mögliche friedliche Lösung des Konflikts mit den spanischen und französischen Staaten an. Der Prozess hat nun einen Punkt erreicht, wo wir über die Relegalisierung der Partei sprechen, die faktisch nie in die Illegalität gedrängt werden konnte. Das Vorgehen des Richters ist die beste Bestätigung dafür.  http://de.indymedia.org/2006/01/136795.shtml Wir sind weiter auf allen Ebenen Gesprächspartner, arbeiten in aller Öffentlichkeit. Das passt dem rechten Rand der regierenden Sozialisten (PSOE) und vor allem der postfaschistischen starken Volkspartei (PP) nicht. Die haben erheblichen Druck gemacht, um unseren Parteitag zu verhindern. Die PP hat sich dabei gegenüber der PSOE-Regierung durchgesetzt.

Um was geht es der PP?

Die PP will den gesamten Prozess um eine friedliche Lösung für den Konflikt torpedieren. Diesmal hat sie es geschafft, einen Stein in den Weg zu legen und es erreicht, unseren Parteitag zu verhindern. Es ist klar, dass die Angriffe der Ultrarechten zunehmen und an Schärfe gewinnen werden, umso weiter der Prozess vorankommt. Das wird den Friedensprozess aber nicht sprengen, wie sich heute hier in der ganzen Breite zeigt. Dieser gemeinsame Protest wird wiederum der Grundstein dafür sein, in der Folge gemeinsame Initiativen zu starten, um den Prozess voranzutreiben.

Es ist aber doch erstaunlich, dass eine seit drei Jahren verbotene Partei öffentlich über ein neues Programm und eine neue Führung diskutieren kann.

Als im spanischen Staat, im französischen Staat sind wir ja auch offiziell weiter legal, das Verbot gegen uns ausgesprochen wurde, haben wir darüber diskutiert, ob wir aus uns illegalisieren lassen oder weiter in aller Öffentlichkeit arbeiten. Wir haben uns, trotz der zu erwartenden Repression, Inhaftierungen, etc zur öffentlichen Arbeit entschieden, weil wir schließlich eine gesellschaftliche Realität vertreten, die man nicht verbieten kann.  http://de.indymedia.org//2003/03/43015.shtml Wir haben also auf der Straße, den Fabriken und Schulen unsere Arbeit fortgesetzt. Sie konnten uns zwar den Namen nehmen und aus den Institutionen zu verbannen, etwa 1000 gewählte Vertreter wurden ausgeschlossen, aber nicht aus der Gesellschaft.  http://de.indymedia.org//2005/04/111933.shtml Wir sind eben keine Partei im herkömmlichen Sinn, sondern der Ausdruck einer breiten Bewegung für ein unabhängiges, sozialistisches und vereintes Baskenland. Dass die patriotische Linke auf fast 300 öffentlich angekündigten Parteiversammlungen diskutiert ha, an denen sich mehr als 7000 Menschen beteiligten, spricht für sich.

Also wurde nur der Endpunkt eines Vorgangs verhindert, die Richtung und die neue Führung sind längst bestimmt?

Ja. Im Kongresszentrum sollte die neu bestimmte Führung und das Programm für die nächsten vier Jahre vorgestellt werden, wie es diskutiert und mit mehr als 100 Einwendungen verändert wurde. Vor einem Jahr haben wir einen Lösungsweg vorgeschlagen  http://de.indymedia.org/2004/11/99240.shtml und nun wollten wir ein neues Modell für das Baskenland vorschlagen. Das konnte hier verhindert werden. Aber wir werden das Nachholen, wann und wo geben wir demnächst bekannt.

Es war also mehr ein propagandistischer Akt ohne große praktische Bedeutung.

Nein. Die PP versucht alles und wird alles versuchen, um einen Friedensprozess zu hier torpedieren. Wenn die Sozialisten Lösungen für die Probleme in Katalonien  http://de.indymedia.org/2006/01/137156.shtml /  http://de.indymedia.org/2006/01/137108.shtml und dem Baskenland finden, die Renten anheben und die Gewerbesteuern senken, so wie sie es anpeilen, dann bleibt die PP mindestens bis 2012 in der Opposition. Sie setzt deshalb die Kirche ein  http://de.indymedia.org//2005/12/134892.shtml , um Veränderungen zu blockieren, ihre Anhänger im Militär  http://de.indymedia.org//2006/01/136241.shtml machen Druck und drohten mit einem Putsch, nun setzen ihre Mannen in der Justiz  http://de.indymedia.org/2006/01/136309.shtml ein, um die PSOE-Regierung zu destabilisieren. In dem uns die PP den Kongress verbieten lässt, zeigt sie der PSOE ihre Stärke und verdeutlicht deren fehlenden Mut. Die müssen sich entscheiden, ob sie einen Friedensprozess wollen oder sich der PP unterwerfen. Im Übrigen, so wie auch der Vertreter von Sinn Fein auf der Kundgebung erklärte, passieren solche Sachen in jedem Friedensprozess. Der Kongress von Sinn Fein wurde dreimal verboten.

Muss die PSOE also in der Justiz etwas aufräumen, wo die PP an den Schaltstellen ihre Leute platziert hat?

Klar muss sich die Regierung überlegen, ob sie sich durch einen Richter im Nationalen Gerichtshof einen Friedensprozess blockieren lässt, weil der nach den politischen Vorgaben der PP agiert.


© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 24.01.2006
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