Neonazis in Bad Meinberg / NRW

E.G.A.L. 16.01.2006 13:01 Themen: Antifa
Neonazi-Überfall in Bad Meinberg
- NPD-Mitglied Sommer zu 9 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt -
- Verfahren gegen weiteren Täter eingestellt -
- Provinzposse und/oder Sympathien der Staatsanwaltschaft? -
- Keine Neonazis in Bad Meinberg und nirgendwo! -
Neonazi-Überfall in Bad Meinberg
NPD-Mitglied Sommer zu 9 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt
- Verfahren gegen weiteren Täter eingestellt -


Am 3. Januar fand vor dem Amtsgericht Höxter ein Prozess gegen das NPD-Mitglied Markus Sommer wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Tateinheit mit Sachbeschädigung und Körperverletzung statt. Der Neonazi wurde zu 9 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Die Vorgeschichte

In der Nacht zum 21. August 2005 kam es nach 3 Uhr morgens im Kurpark von Bad Meinberg zu einem neonazistischen Überfall auf eine Person im Beisein einer Zeugin. Der Übergriff geschah aus einer Gruppe von 7 Personen im Alter von 18 bis 25 Jahren heraus, alle ? bis auf neuerdings Sommer ? in Bad Meinberg wohnhaft.

Der Betroffene erhielt durch Sommer und einen weiteren Rechten mehrere Schläge ins Gesicht und auf den Hinterkopf. MARKUS SOMMER verhöhnte dabei den Betroffenen, er würde "nicht deutsch aussehen", und schrie: "Wir sind Deutsche!" Anschließend riss er seinen Arm deutlich und unmissverständlich zum gestreckten Hitlergruß aus und brüllte die Worte: "Heil Deutschland!".

Sommer, erst kürzlich nach Steinheim verzogen, war bereits im Jahr 2004 wegen Zeigens des Hitlergrußes vom Amtsgericht Brakel zu einer Geldstrafe verurteilt worden und schon wegen Diebstahl, Unterschlagung, Hausfriedensbruch und Trunkenheit am Steuer vorbestraft. Die Strafe wurde auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, außerdem muss der rechtskräftig Verurteilte (Sommer hatte den Urteilsspruch noch im Sitzungssaal angenommen) 160 Sozialstunden ableisten.

" ... noch kein Gesinnungstäter"

Vorsitzender Richter Dr. Andreas Hohendorf wollte ihm die Arbeitsstunden aber gerne ersparen, so betonte er mehrfach. Denn Sommer sei "noch kein Gesinnungstäter" ? und falls er wieder Arbeit finden würde und sein Alkoholproblem in den Griff bekäme, wolle das Gericht die 160 Stunden in eine Geldbuße umwandeln.

Markus Sommer, erstmals arbeitslos seit September 2005, versprach zukünftig "in Maßen zu trinken" und sich dabei "zusammenreißen" zu wollen. Zu seiner NPD-Mitgliedschaft und den am 21.08.2005 gerufenen Parolen wie "Heil Hitler", "Club 88" oder "Sieg Heil" äußerte er sich nicht ? er wurde aber auch nicht dazu befragt.

Soweit eine Höxteraner Provinzposse, doch noch nicht ganz ...

Der zweite Rechte, der auf den Betroffenen mehrfach einschlug, kam weder als Zeuge noch im Plädoyer des Oberstaatsanwaltes Hans-Peter Dietzmann gut weg: Dem 25-jährigen Dachdecker aus Bad Meinberg wurden "schmerzhafte Schläge" gegen den Betroffenen im Laufe der Verhandlung eindeutig nachgewiesen.

Staatsanwaltschaft verweist auf die Möglichkeit der "Privatklage"

Aber: Skandalöserweise hatte die zuständige Staatsanwaltschaft Detmold das Ermittlungsverfahren gegen JACEK MAKIELA wegen des Verdachts der Körperverletzung bereits Anfang Dezember 2005 eingestellt.

Zur Begründung wurde nicht nur auf die angebliche Vorstrafenfreiheit des Täters verwiesen. Nein, das ?Hauptargument? lautet, dass den Schlägen eine Beleidigung des Betroffenen vorausgegangen sein soll - nämlich ausschließlich die Äußerung "fuck off".

Auch deshalb sei eine Strafverfolgung kein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit. Deshalb bleibe es dem Betroffenen überlassen, unter eigener Abschätzung der Erfolgsaussichten gegen den Täter im Wege der "Privatklage" beim zuständigen Amtsgericht vorzugehen.

"Sühneverhandlungen" mit Neonazis?

Eine Privatklage in Strafsachen kann erst betrieben werden, nachdem ein Sühneversuch vor dem Schiedsmann / der Schiedsfrau oder sonstige Vergleichsbehörden erfolglos geblieben ist und eine entsprechende Sühnebescheinigung mit der Einreichung der Privatklage dem Gericht vorgelegt wird:

Die Durchführung von "Sühneverhandlungen" verfolgen offiziell das "Ziel der gütlichen Schlichtung streitiger Rechtsangelegenheiten zur Vermeidung von Privatklageverfahren und Schlichtung kleiner bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten".

Ob die in dem Prozess vor dem Amtsgericht Höxter getroffenen Feststellungen die Detmolder Staatsanwaltschaft zum Umdenken verleiteten kann?

Anlass hätte sie auch im eigenen Interesse: Die von ihr - auch zur Begründung der Verfahrenseinstellung - angeführte Vorstrafenfreiheit Makielas hat sich jedenfalls als eindeutig falsch herausgestellt.

Keine Neonazis in Bad Meinberg und nirgendwo

Ob sich Neonazis irgendwo festsetzen und die Möglichkeit bekommen, ihre Propaganda zu verbreiten und / oder Angriffe auf Antifaschistinnen und Antifaschisten zu begehen, bleibt eine politische Frage, eine Frage der Nichtakzeptanz im Ort. Das heißt natürlich nicht, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte nicht versuchen sollten, ihre strafrechtlichen Möglichkeiten der Verurteilung von Neonazis so weit wie möglich auszuschöpfen.

Es reicht aber nicht, sich darauf zu verlassen. Um wirklich dem Treiben der Neonazis etwas entgegenzusetzen, sind wir alle gefragt. Das bedeutet in erster Linie, die Aktivitäten der Neonazis genau zu beobachten und an die Öffentlichkeit zu bringen. Das bedeutet außerdem, immer wieder öffentlich zu zeigen, dass Rechtsextreme keine Akzeptanz finden, bei keiner Gelegenheit, nicht in Bad Meinberg und nirgendwo.

AntifaschistInnen aus Lippe

Pressespiegel: http://www.hiergeblieben.de
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Ergänzungen

Pressespiegel

... 17.01.2006 - 08:41
Lippische Landes-Zeitung , 14.01.2006 :


(Horn-Bad Meinberg) Den Anfängen wehren / "Nächtlicher Angriff", 22. Dezember 2005 / "Schläge im Kurpark vor Gericht", 5. Januar



Lippische Landes-Zeitung , 05.01.2006 :


(Horn-Bad Meinberg) Kurpark-Schläger vor Gericht



Radio Lippe , 05.01.2006 :


(Horn-Bad Meinberg) Neonazi verurteilt



Neue Westfälische , 04.01.2006 :


(Horn-Bad Meinberg) Verprügelt, weil er nicht deutsch aussah



Höxtersche Kreiszeitung / Neue Westfälische , 04.01.2006 :


(Horn-Bad Meinberg) Verprügelt, weil er nicht deutsch aussieht / Bewährung für einschlägig vorbestraften Neonazi aus Steinheim



Höxtersche Zeitung / Westfalen-Blatt , 04.01.2006 :


(Horn-Bad Meinberg) Rechtsradikaler schlägt zu / Tischler (21) aus Steinheim verurteilt



Lippische Landes-Zeitung , 22.12.2005 :


(Horn-Bad Meinberg) Nächtlicher Angriff / Jugendliche attackieren Spaziergänger im Kurpark: Schläge und Hitlergruß


Anm. zum Pressespiegel

P. 17.01.2006 - 08:45
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