Westerwald: "Kameraden verurteilt"

Antifa Westerwald 12.01.2006 19:19 Themen: Antifa
Vor dem Koblenzer Landgericht fand der Prozess gegen die Kameradschaft Westerwald statt. Mit mehr als 40 Mitgliedern gehörte die Kameradschaft Westerwald zu einer der grössten Neonazigruppen in Deutschland. Nach martialen Ermittlungen fielen die Urteile eher ernüchternd aus:
Pressemitteilung zu den Urteilen gegen Mitglieder der Kameradschaft Westerwald

Nach dem vorläufigen Ende der Prozesse gegen die Kameradschaft Westerwald wollen wir unsere Einschätzungen zum Prozess und der Lage im Westerwald zusammenfassen und folgendes feststellen:

Über 40 Wohnungen in drei Bundesländern wurden im Rahmen der Ermittlungen gegen die kriminelle Vereinigung „Kameradschaft Westerwald“ durchsucht, gegen 16 Angeklagte lief der Prozess in Koblenz, lediglich 3 der Nazis bleiben auch nach dem Prozess in Haft. Der Rest wurde mit Bewährungsstrafen und Geldstrafen belegt. Erst als es in der Region nichts mehr zu vertuschen gab, erst als es nicht mehr gelang Presse und Öffentlichkeit in Unkenntnis über die Umtriebe der Nazis zu lassen kamen die Ermittlungen gegen die Nazis auf Trapp. Man verkündete Erfolg nach Erfolg, fuhr betont „harte Linie“ gegen die Nazis, letzten Endes bleibt bei alle dem ein fader Beigeschmack.

Aufhänger des Showdowns war der Überfall auf ein Punkkonzert in Daaden, bei dem die Nazis Konzertbesucher angriffen und es Ihr erklärtes Ziel war die Veranstaltung gewaltsam zu beenden. Als die Nazis sich zu diesem Schritt entschlossen war die Situation im Westerwald schon längst eskaliert. Schon zwei Jahre vorher warnten Kenner der Naziszene vor den erschreckenden Ausmaßen die die Szene im Westerwald angenommen hatte. Schon lange vorher waren Nazikader aus ganz Deutschland im Westerwald zu Gast um den Nachwuchs einzuschwören, hochrangige NPD-Kader wie Udo Voigt, Sascha Wagner und der Nazi-Liedermacher Frank Rennicke waren Gast bei Veranstaltungen der Kameradschaft Westerwald.

Lange Zeit waren die Nazis unbehelligt, konnten sich in öffentlichen Räumen treffen, Liederabende in Kneipen veranstalten und ohne jede Behelligung den Hitlergruss in aller Öffentlichkeit zeigen. Im Westerwald konnten die Nazis so frei agieren weil die Gesellschaft es zuließ, Konservative Elternhäuser, blinde Sozialarbeiter und eine Polizei die jegliche Existenz von Neonazis leugneten machten die Kameradschaft Westerwald möglich. Selbst nachdem vor Gericht alle Einzelheiten über die Aktivitäten der Nazis bekannt wurden beschwerten sich die Angehörigen und Beobachter des Prozesses noch warum den „armen Jungs“ den hier in dieser Art und Weise der Prozess gemacht würde, dass was sie getan hätten wäre doch keine Tragödie. Diese Aussagen spiegeln wieder, was die meissten sich nicht trauen auszusprechen, aber viel denken.

Justiz und Polizei feiern sich, behaupten die Lage im Griff zu haben, doch auch nach den Festnahmen und den Prozessen geht der Naziterror weiter. Im Spätsommer greifen Nazis ein MigrantInnenwohnheim in der Nähe von Daaden an, kurze Zeit später wird ein jüdischer Friedhof verwüstet des weiteren veranstalten die Nazis im Oberwesterwald Konzerte die völlig unbehelligt durchgeführt werden können. All diese Fakten zeigen, dass man mit der „Kameradschaft Westerwald“ gerade mal die Speerspitze einer Entwicklung in der Region erreicht hat, deren Ausmaß von den Verantwortlichen gar nicht abgeschätzt werden kann.

Geistige Brandstifter wie der NPD-Kreisvorsitzende Christian Steup, der dem Vorstand der Kameradschaft Westerwald angehörte, kommen mit einer Geldstrafe davon obwohl sie selbst vor Gericht noch mit Sätzen wie „Ich bin stolz darauf mit diesen Kameraden hier zu stehen“ ihre Gesinnung unterstrichen.

Unterdessen betont der leitende Staatsanwalt noch mal, dass er gegen Gewalttäter links wie rechts in gleichem Maße vorgehen würde. AntifaschistInnen in der Region müssen daran nicht erinnert werden, überzieht sie die Polizei doch schon seit Monaten mit martialischen Polizeiaufgeboten wo immer antifaschistische Veranstaltungen stattfinden. Ob nun bei Infoständen oder der Demonstration am 15. Oktober in Betzdorf. Antifaschismus wird kriminalisiert während Nazikonzerte und offener Neonazilifestyle toleriert wird,

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Nazis im Westerwald sich neu organisiert haben und dieses Mal mit dem Wissen der Vergangenheit intelligenter und heimtückischer zuschlagen werden. Schon heute hört man in der Neonaziszene „Was es nicht gibt kann man nicht verbieten“ und so arbeiten die Nazis in Kleingruppen die weit ab von den Ermittlungen der Polizei agieren.

Der einzige Weg aus diesem Kreislauf auszubrechen ist eine konsequente Förderung antifaschistischer Jugendkultur und Öffentlichkeitsarbeit.
Solange es „normal“ ist, dass die Nazis sich öffentlich präsentieren können, ganze Ortschaften wegschauen wenn Progrome vor der Haustür geschehen und die Polizei schläft wenn sich Nazis aus dem gesamten Bundesgebiet hier selbst produzieren, solange wird sich nichts ändern und die Spirale wird sich weiter drehen.

Wir fordern Raum für antifaschistische Kultur, wir fordern Null Toleranz für Nazis und Ihre Unterstützer, wir fordern das sofortige Ende der Repressionen und der Kriminalisierung von AntifaschistInnen im Westerwald und anderswo.


Faschismus ist keine Meinung- sondern ein Verbrechen!


- Antifa Westerwald -
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