DGB und ATTAC lösen Erstaunen aus

Martin Behrsing 03.01.2006 18:13 Themen: Soziale Kämpfe
Wünsche der regionalen Initiativen deutschlandweit übergangen

Bonn. Das Erwerbslosen Forum Deutschland ist über die 2 Demonstrationsaufrufe gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie des DGB und ATTAC in Berlin und Straßburg erstaunt. Ähnlich äußerte sich auch das Aktionsbündnis Sozialproteste, ein Zusammenschluss vieler regionaler sozialer Initiativen in der Bundesrepublik. Der DGB mobilisiert zum Dienstag, 14. Februar nach Straßburg und ATTAC plant, zum 11.02.2006 eine Beteiligung an der Großdemonstration gegen die Bolkesteinrichtlinie in Straßburg, ruft aber für den gleichen Tag zu Aktionen in Berlin auf. Damit setzt sich ATTAC über regionale Strukturen und Wünsche der Initiativen und Netzwerke in Berlin hinweg, die bisher eine Beteiligung an der Großdemonstration am 11.02.2006 in Straßburg geplant haben. In diesen Zusammenhang weist der Berliner Politikwissenschaftler Peter Grottian darauf hin, dass entgegen seiner gestrigen Terminbekanntgabe zur Großdemo in Straßburg, er nicht Samstag den 14. Januar 2006 gemeint hatte, sondern Samstag den 11. Februar 2006.
„Wir wissen nicht, warum der DGB und ATTAC, sogar nach ausführlichen internen Absprachen zwischen diesen beiden Organisationen, von der ursprünglichen Linie abweichen und für 2 Großdemonstrationen in unterschiedlichen Städten mobilisieren will. Wir können zwar verstehen, dass der DGB gemeinsam mit dem EGB und Frankreichs größter Gewerkschaft, der CGT, gemeinsam demonstrieren will, jedoch scheint es nicht bedacht worden, dass an einem Dienstag wohl kaum eine nennenswerte Anzahl Arbeitnehmer aus Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern an der Großdemonstration in Straßburg teilnehmen können. Auch ist nach unseren Erkenntnissen eine Großdemonstration am 11.02.2006 weder mit den regionalen Gruppen in Berlin abgesprochen, noch ist es von diesen in Betracht gezogen worden,“ so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland.

Das Erwerbslosen Forum Deutschland und das Aktionsbündnis Sozialproteste appellieren an den DGB und ATTAC, deren Entscheidung zu überdenken und die Wünsche der vielen regionalen Gruppen und europäischen sozialen Bewegungen zu berücksichtigen, die sich für eine gemeinsame Großdemonstration am 11.02.2006 in Straßburg ausgesprochen hätten. Ein Protest gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie könne nur ein gemeinsamer europäischer Ausdruck der Gewerkschaften und der sozialen Bewegungen sein. Nationale Aktionen sollten allenfalls am Tag der Lesung in den europäischen Ländern stattfinden, da während der Woche nicht viele Menschen mobilisiert werden könnten. In diesem Zusammenhang kritisierte Behrsing auch die Äußerungen von Michael Sommer, der kurz vor Weihnachten in einem Interview gegenüber der Frankfurter Rundschau gesagte hatte, dass man es nicht zulassen dürfe, dass polnische oder slowakische Arbeitsbedingungen zum Standard für Darmstadt, Kassel oder Jena werden. „Dies ist für uns zu eng auf Deutschland ausgerichtet. Gerade bei der Verhinderung der Dienstleistungsrichtlinie muss es darum gehen, dass auch polnische und slowakische Arbeitnehmer in ihren Arbeitsbedingungen einen besseren Standard haben, “ so Martin Behrsing

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Ergänzungen

vergeßt den dgb

tagmata 03.01.2006 - 20:07
der dgb ist ein fossil des 20. jahrhunderts. als quelle für geld und logistik manchmal brauchbar, als organisator von protesten, denen mensch sich dann anschließen kann, auch, aber niemals, NIEMALS sollte dem dgb bei einem eigenen projekt irgendein signifikanter einfluß gewährt werden. mit einzelpersonen kannst eh immer zusammenarbeiten, es geht um die organisation.

attac-deutschland scheint sich zu einem echten problem auszuwachsen. die häuptlinge sind dabei, den draht zur basis zur verlieren, und das ganze droht zu einer art dgb mit alleinpolitischem anspruch zu werden. da muß dringend gegengesteuert werden, und zwar auf persönlichem niveau: die probleme - und vor allem ansprüche - der basis müssen den höheren ebenen dringend mal klargemacht werden. aber das darf nicht als anschiß rüberkommen (dann wird es bewußt ignoriert) und auch nicht in einer dieser altbekannten formen, roundtable-gespräch, offener brief oder sonstwas; dann würde es nämlich einerseits unbewußt ignoriert (knicken, lochen, abheften) und es verstärkt das problem eher noch: das problem nämlich, daß menschliche kommunikation bei attac zunehmend durch formalisiert-hierarchische kommunikation ersetzt wird.

vielleicht ist es machbar, mal ne delegation zu fairem kaffee und kuchen bei den spitzenattacis vorbeizuschicken und ihnen in aller ruhe zu erklären, was mensch sich selbst bei der sache vorstellt, und sich von ihnen erklären zu lassen, warum sie das machen, was sie machen. erklären, wohlgemerkt, nicht anpampen*. ich glaube, die realitäten des "kampfs für eine bessere welt" oder whatever der attac-elite einerseits und großer teile der basis andererseits gehen nämlich sehr auseinander - und beide seiten dürften davon überzeugt sein, daß ihr weg der richtige und moralisch aufrichtige ist.

ich glaube nicht, daß irgendwer in der attac-elite ihren kampf verwässern oder verkaufen will. wenn man die geschichte sozialer bewegungen und kämpfe betrachtet, kommt eine degeneration und anpassung, ein aufgeben des gesamtzusammenhangs zugunsten des kleinklein, fast nie aus böswilligkeit oder intention zustande, sondern es ist das produkt eines entfremdungsprozesses zwischen basis und organisation, an dessen wurzel ein kommunikationsdefizit liegt (also eine ungleichgewichtung der kommunikation von unten nach oben und von oben nach unten). attac war von der intention her als bessere alternative zu hierarchischen strukturen gedacht; klar ist das ne sache, die in frankreich bessere rahmenbedingungen zur umsetzung hat als in deutschland, aber, fucking, auch hier KÖNNEN wir es, rein technisch gesehen. und es ist sehr schmerzhaft zu sehen wie attac-deutschland sich in den letzten paar jahren auf einen weg begibt, an dessen ende sich nichts weiter absehen läßt, als daß die fehler und untauglichen modelle der vergangenheit rekapituliert werden - um so tragischer, als daß die verantwortlichen nachher völlig aufrichtig behaupten können, nur das beste gewollt zu haben. die fehler, die bei attac-d grad gemacht werden, sind keine neuen. so ziemlich jede soziale bewegung, die an sich selbst gescheitert ist, durchlief diese phase, in der sie sich hierarchisierte und bürokratisierte; und das war die phase, in der die grundlagen für das spätere scheitern gelegt wurden. das ist sozusagen 'ne waffe des systems - eine, die so gut funkioniert, daß sie von niemandem herbeigeknüppelt werden muß, weil's einfach so tief drinsitzt in uns allen.

aber wer nicht weiß, was leute wollen, die man repräsentiert, kann nicht das beste für sie möglich machen. und wer nicht weiß, was leute, die einen repräsentieren, können, weiß auch nicht, wo sie einem weiterhelfen können und wo man sich nach anderen wegen umschauen muß. und das endresultut ist so was wie im artikel beschrieben wird.


* die prämisse, die allen beteiligten UNBEDINGT klar sein müßte, wäre, daß aus einem solchen gespräch keine unmittelbaren lösungen oder maßnahmen und um gottes willen keine schuldeingeständnisse oder befriedigung recht zu haben, wie scheiße die andere seite doch ist, erwachsen sollte bzw im letzteren fall dürfte. es müßte ein reiner austauch von information und perspektiven sein: wir erzählen euch, wie sich die sache für uns darstellt, wo uns der schuh drückt, und ihr erzählt uns von euren problemen, was ihr gerne durchziehen würdet aber nicht hinbekommt und warum. bloß keine mistigen pohrasen wie: "ihr müßt doch verstehen..."; es darf bei so einer aussprache nicht darum gehen, daß eien seite die andere *überzeugt*, sondern einzig und allein darum, daß beide seiten fakten lernen, die ihnen vorher noch nicht bekannt waren, und *später* drüber reflektieren**. denn so lange niemand wirklich weiß, wie sich die realität für die andere seite darstellt, ist es de facto nicht recht, nach schuldigen zu suchen, wenn mensch daran gelegen ist, die problematik wirklich konstruktiv aufzulösen.

** und wenn irgendwelche attac-vips so weit sind, daß sie nicht mehr ein solches gespräch führen können, ohne ihre wortwahl taktisch zu überdenken oder ihre fakten mit ihrer karriere im kopf bemessen: ein tausendfaches pfui über euch! die kannegießers und hundts und ackermanns sind euch moralisch weit überlegen: sie machen wenigstens keinen hehl daraus, daß sie sozialparasiten sind. (die leute, die ich meine, wissen, daß sie gemeint sind, und welche kampagne gemeint ist)

Attac mobilisiert am 11.2. nach Strasbourg

Korrektur 04.01.2006 - 13:12
Das ist nun wirklich Quatsch, was da verzapft wird. Da benebelt das Feinbild mal wieder den Verstand.

Attac mobilisiert am 11.2. nach Strasbourg, wie jeder dieser Seite entnehmen kann:

 http://www.attac.de/bolkestein/

War ein bisschen anders als hier dargestellt

Gerold Schwarz 04.01.2006 - 14:30
Sämtliche europäischen Attacs sind nun wirklich nicht besonders glücklich mit dieser Entwicklung. Insbesondere bei attac D als auch bei attac F gibt es wirklich großen Frust darüber, und zwar auf allen Ebenen, dass wir nicht gemeinsam mit den großen europäischen Gewerkschaften am 11. Februar in Strasbourg auf die Straße gehen und der Bolkestein-Richtlinie nach dem 19. 3. 2005 in Brüssel zum zweiten Mal die rote Karte zeigen.

Wir haben, gemeinsam mit unseren französischen Freunden sowohl bei attac Frankreich als auch beim französischen Bolkestein-Bündnis als auch mit den dortigen alternativen Gewerkschaften (Solidaires und SUD) die großen französischen Gewerkschaften wirklich angefleht, gemeinsam nach Strasbourg zu mobilisieren. Doch einige Stunden nach der Abstimmung im Binnenmarkt-Ausschuss des Europäischen Parlaments zückte der Europäische Gewerkschaftsbund EGB eine Pressemitteilung, in welcher er für den 14. Februar mobilisert (Quelle:  http://www.etuc.org/a/1886 ).

Tatsächlich haben sich innerhalb des EGB sowohl DGB als auch verdi, IGM und IG BAU sogar vehement FÜR die gemeinsame Mobilisierung am 11. 2. ausgesprochen, und zwar genau mit dem Argument der schwachen Mobilisierung unter der Woche. Da aber für eine Mobilisierung zu einer Demo in Frankreich letzten Endes immer die frz. Partner ausschlaggebend sind, blieb auch den anderen europ. Gewerkschaften nichts anderes übrig, als diese Entscheidung der CGT zu akzeptieren. Da nun die europ. Gewerkschaften am 11. 2. eben NICHT gemeinsam nach Strasbourg mobilisieren, finde ich die Frage durchaus berechtigt "was nun?", denn schließlich kann attac (weder in F noch in D) nicht ein paar hundert Busse orgnaisieren, um mal schnell mit 50.000 Leuten nach Strasbourg zu marschieren. Da aber die deutschen Gewerkschaften trotz Gegenwind aus Paris und Brüssel dennoch irgendwie an ihrer Mobilisieurungsabsichten für den 11. 2. festhalten wollen, eine Mobilisierung nach Berlin bereits in Planung war und eine nach Strasbourg eben ausfallen musste, kam es eben tatsächlich zu zwei Aufrufen: einer für die Akteure im Süden nud Westen nach Strasbourg, und einer für die im Norden und Osten nach Berlin. Das ist das ganze Geheimnis: keine Verschwörung, keine gekauften attac-Spitzen, kein Masterplan zur Zerschlagung des europäischen Widerstands gegen Sozialkahlschlag (siehe hierzu auch  http://de.indymedia.org/2004/09/94596.shtml ,  http://de.linefeed.org/2004/11/97677.shtml ,  http://de.indymedia.org//2005/09/126721.shtml ).

Über die Gründe für diese Entscheidung der CGT kann nur spekuliert werden. Da gibt es einerseits eine Konkurrenz innerhalb der verschiedenen frz. Tendenz-Gewerkschaften um Mitglieder durch die Möglichkeit eines zusätzlichen bezahlten Urlaubstages zur Demo, andererseits vielleicht auch noch einen immer noch heftig gärenden Konflikt zwischen dem Chef der CGT und deren mittleren Führungsebene anlässlich der Verfassungs-Kampagne im Frühjahr. Möglich wäre auch, dass versucht werden soll, vielleicht durch direkte Ansprache der EU-Abgeordneten einen Wechsel zu erreichen, da die politische Kultur Frankreichs einfach anders ist als in Deutschland. Gerade im internationalen Umfeld ist es wirklich wichtig, Unterschiede in Gesprächs-, Streit- und politischer Kultur erstmal zur Kenntnis zu nehmen, bevor man verbal wild sich schlägt und allen erstmal "Verrat", "Ausverkauf der guten Sache", "abgehobene Eliten" oder sonstwas unterstellt.


Viele Grüße

Gerold Schwarz
attac-Kampagnenorganisation "Les faces du NON"

Aufruf des Aktionsbündnisses

Martin Behrsing 05.01.2006 - 16:44
In Ergänzung zum Beitrag: Hier noch der Link zum Aufruf zur Großdemo in Straßburg am 11.02.2005 sowie die bisherigen Unterstützer. Wird fortlaufend ergänzt.

 http://www.die-soziale-bewegung.de/2006/bolkestein/aufruf_11-2-2006.html

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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tja so ist der dgb — redical

@ tagmata — ich