25 Sudanesen sterben bei Räumung von Protest

Freedom of Movement 31.12.2005 16:04 Themen: Antirassismus Repression Weltweit
In Cairo wurde gestern ein seit Monaten bestehendes Protestcamp von mehr als 2000 PolizistInnen unter dem Einsatz von Wasserwerfern und Schlagstöcken geräumt. Mittlerweile ist von mindestens 25 Toten auszugehen. Die ca. 2500 Bewohner des Camps wollten für ihren Status als Flüchtlinge kämpfen und eine Perspektive auf Schutz in den USA, Kanada oder der EU aushandeln.
Da leider immer noch nichts auf indymedia erschienen ist, fasse ich hier mal die wichtigsten Fakten aus den Nachrichten zusammen. Nähres findet ihr in den Zeitungsartikeln, die online sind. Wenn es bereits weitergehende Informationen von Basisgruppen gibt, so habe ich sie nicht gefunden-> bitte ergänzen.

Das Camp war bereits vor drei Monaten in einem zentralen, wohlhabenderen Viertel Kairos (einige Berichte sprechen von einem begrünten Mittelstreifen, andere von einem Park) in der Nähe von UN-Büros (vermeintlich UN-Flüchtlings"Hilfs"Werk UNHCR) errichtet worden. Den sudanesischen MigrantInnen in Ägypten war nach der formalen Beendigung des Bürgerkrieges der Flüchtlingsstatus vom UNHCR aberkannt wurde, was sie in den Augen des UNHCR vor allem aber der ägyptischen Regierungen (der der USA, EU, etc. sowieso) Rückkehrpflichtig machte und ihre Chancen für ein Leben, dort wo sie hinwollen, weiter verschlechterte. Nach Behördenangaben habe es zahlreiche Verhandlungsversuche mit den Protestierenden gegeben, allerdings erfolglos. Angebote der Sadt bzw. des UNHCR, wären ein Übergangslager und die exemplarische Prüfung des Asylanspruchs einiger Fälle gewesen. Auch unmittelbar vor der gewaltsamen Räumung seien Verhandlungen ergebnislos abgebrochen worden.

Die Polizei attackierte das Camp zunächst mit Wasserwerfern, und zerstörte so die behlfsunterküfte und Zelte, anschließend ging sie mit Schlagstöcken (sehen auf den Bildern ziemlich lang und fies aus) gegen die Campbewohner vor. Nach der Räumung war zunächst offiziell von zehn Toten, darunter Kinder und alte Menschen, die rede, die in der Panik umgekommen sei. Eine Untersuchungskommission (?) fand jedoch später in einem Leichenhaus 25 Leichen, die sie dem Vorfall zuordnet. Kofi Annan und das UNHCR sprechen von einer Tragödie. Unterstützung kommt hingegen von der Sudanesischen Regierung, die Verständnis für das Vorgehen der Ägyptischen Sicherheitskräfte äußerte.

Kurz einige Hintergründe: Im Sudan tobte ein Bürgerkrieg zwischen dem islamisch geprägten Norden (Zentralregierung) und dem christlich geprägten Süden. Faktisch geht es dabei natürlich um die Ausbeutung der sehr ungleich verteilten natürlichen Reichtümer (Öl). Quasi parallel dazu gibt es immer wieder Massaker in der Region Dafur (über deren Hintergrund ich nicht viel weis). Unter dem Druck der Westmächte wurde im Mai ein Friedensabkommen unterzeichnet und der Bürgerkrieg formal beendet. Das Friedensabkommen jedoch zielt auf die Abspaltung des Südsudan ab, was zu einem erneuten Bürgerkrieg führen wird. Das Öl ist im Südsudan und vornehmlich in chinesischen Händen, kann aber nur über Nordsudan abtransportiert werden. Um China die Vormacht streitig zu machen und immense Gewinne einfahren zu können, sind gegenwärtig v.a. deutsche Firmen (Siemens, Thormälen Schweisstechnik) damit beschäftigt, bis zum Referendum eine Infrastruktur für den autonomen Export des Öls herzustellen. Im Rahmen der AMIS-Mission hat die Bundesregierung 2004 die Entsendung von 200 Soldaten in den Sudan beschlossen und dieses Mandat am 16. Dezember 2005 (also deutlich nach "Ende" des Bürgerkriegs) bis Juni 2006 verlängert. Die Regierung geht allerdings von einem dauerhaften Engagement im Sudan mindestens bis zur Abspaltung des Südsudan aus. Daneben sind inoffiziell deutsche Militärberater und Geheimdienste im Sudan aktiv.
 http://imi-online.de/download/JW-Sudan.pdf

Die Sicherheitslage ist in ganz Sudan weiterhin explosiv und es ist klar, dass Menschen von dort, speziell aus Dafur, hier ein Recht auf Schutz haben. In Ägypten befinden sich Schätzungen zufolge bis zu 1,5 Mio. Sudanesen, mindestens jedoch 500.000. Die meisten wollen weiterreisen, da auch in Ägypten für sie kein Status und keine Sicherheit gewährleistet ist und es außerdem schlicht zuviele wären, um in dem relativ armen Staat aufgenommen zu werden.

Das UNHCR soll sich offiziell um die Flüchtlinge und deren Rechte kümmern, spielt aber eine sehr ambivalente Rolle, da es auf die Unterstützung der reichen Staaten angewiesen ist und sich diese immer wieder erkauft. Zwar achtet es machmal auf die Einhaltung von Mindeststandarts und richtet mahnende Worte an die Regierungen, baut Lager für Kriegsflüchtlinge, lässt sich aber insgesamt dabei einspannen, die Fluchtbewegungen teils militärisch zu verhindern oder in den Nachbarländern zu stoppen, sowie Gebiete für sicher zu erklären, in die Menschen dann "Rückgeführt" werden können. Manche westliche Militärintervention wäre ohne den humanitären Flankenschutz des UNHCR gar nicht mehr möglich.

Welcome all Refugees from Capitalist War!
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 http://news.google.de/news?hl=de&client=firefox-a&rls=org.mozilla:de-DE:official_s&as_qdr=all&q=Cairo%20OR%20Kairo&btnG=Suche&sa=N&tab=wn
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Ergänzungen

Foto vom Angriff

... 31.12.2005 - 16:13
Hier mal ein Foto, auf dem man sieht, wie die Polizei mit Holzlatten auf Leute einprügelt.
Regelmässige News über den besonders von Deutschland vorangetriebenen Krieg gegen Flüchtlinge gibt es übrigens hier:
 http://www.german-foreign-policy.com/de/news/

Augenzeugenbericht

no 01.01.2006 - 14:14
In einem ägyptischen Blog habe ich einen ausführlichen Augenzeugenbericht mit Bildern zum Vorfall gefunden.  http://www.norayounis.com/2005/12/30/74

Schwachmaten

jkljl 01.01.2006 - 20:52
Warum steht im Artikel "PolizistInnen"?. In all den Bildern und Videos, gabs nicht eine einzige Polizistin zu sehen; dürften in Ägypten auch nur wenige sein. Man kanns auch übertreiben mit Political Correctness.

Ein wenig mehr zu Darfur und dem Öl

maat 01.01.2006 - 21:08
Die Ölfelder im Süden gehören größtenteils den chinesischen, malaysischen und indischen staatlichen Erdölfirmen, aber auch TotalFinaELf. Im Sudan, wie überhaupt in der gesamten Sahelzone, gibt es noch sehr viel unentdecktes Erdöl, u.a. in Darfur. Die Bevölkerung wird nach einem Schema vertrieben, das bereits im Süden Anwendung fand: Dort hatte die deutsche Firma Mannesmann den Bau der Pipeline unter der Bedingung zugesagt, die sudanesische Regierung müsse die Sicherheit ihrer Arbeitskräfte sicherstellen; daraufhin wurde die örtliche Bevölkerung gewaltsam vertrieben. Das geschieht jetzt in Darfur. Inzwischen sind viele Menschen aus Darfur in den (ebenfalls neuerdings über Kamerun Öl exportierenden) Tschad geflohen. Sudanesische Verbände und Freischärler verfolgen diese Flüchtlinge dermassen, dass sich der Tschad genötigt sah (?) am 18. Dezember offiziell den Kriegszustand mit Sudan auszurufen. Sehr lesenswerter Hintergrundbericht von 2003 bei Human Rights Watch, incl. einer Karte der Erdölfelder:  http://www.hrw.org/reports/2003/sudan1103/. Auch immer wieder lesenswert:
 http://www.sudantribune.com/

Kaum war der Bürgerkrieg mit dem Süden offiziell beendet und eine gemeinsame Regierung gebildet worden, starb John Garang, süd-Rebellenführer, bei einem Flugzeugabsturz auf dem Rückweg von Uganda.

Bericht auf no-racims.net

muss ausgefüllt werden 02.01.2006 - 16:58
Auf no-racism.net ist am 30. Dezember 2005 ein Bericht dazu erschienen:
Mehrere Tote bei Angriff auf Flüchtlingscamp in Kairo
 http://no-racism.net/article/1505

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