22C3: Die Haecksen

Keywan Najafi Tonekaboni, IMC NRW 30.12.2005 02:25 Themen: Gender Netactivism
Schon lange gehören die Haecksen zum Chaos Computer Club (CCC) und sind auf dem Congress durch eine eigene Location präsentiert. Trotzdem ist einigen noch immer unklar, was die Hackerinnen wollen und warum sie (möglicherweise) wichtig sind. Eine kleine Reportage über die Haecksen, ihre Geschichte und ihre Pläne.
Wer sich auf dem Congress durch das Hackcenter schlängelt findet in der hintersten Ecke einen ruhigen, leicht abgesperrten Bereich, welcher durch Sofas und Abgeschiedenheit eine angenehme Gemütlichkeit ausstrahlt. Hier haben sich die Haecksen eingerichtet und "bespielen" diesen Bereich. Einige Haecksen finden sich meist vor Ort und stehen den Besucherinnen und Besuchern (vor allem ersteren) offen gegenüber. Tee, Kekse und Kuchen runden die Sache noch ab.

Aber wer sind die Haecksen eigentlich. Es ist der virtuelle Erfa-Kreis(Erfahrungsaustausch, meist lokale Gruppen) des CCC, in dem sichunterschiedlichste Frauen vernetzt haben. Sie wollen zeigen, dass "Mädchen undFrauen selbstverständlich kreativ mit Technik umgehen können". Das Spektrum istweit gestreut, es reicht von Informatikerinnen und Physikerinnen überAdministratorinnen und Designerinnen bis hin zu Journalistinnen undKünstlerinnen. Es sind Schülerinnen, Studentinnen und Frauen aus demBerufsleben dabei. "Es ist eine Art ideale Alterspyramide", meint Katharina."Aber es sind schon viele junge Leute dabei", wirft Yella ein. Die Haecksensind im gesamten deutschsprachigen Raum verteilt und kommunizieren überwiegendüber ihre Mailingliste. Ihre Website nennt eine Zahl von annährend HundertHaecksen.

Die Idee mit den Haecksen kam Rena Tangens, als sie 1988 das erste Mal auf dem Kongress war und erschrocken feststellen musste, dass ausser ihr nur zwei weitere Frauen unter den 350 Teilnehmern waren. Aus diesem Grund machte sie1989 einen Haecksen-Workshop und prompt kamen auch mehr Frauen. An die ersteRunde unter den Frauen kann sich Rena noch gut erinnern: "Wir stellten unsuntereinander vor um einen Überblick zu bekommen. Die eine sagte, 'Ich kann nurGrafik am Mac', die Andere 'Ich kann nur Unix, kein MSDOS'. Das war typisch fürFrauen. Ein Typ hätte gesagt 'Ich bin Experte in Unix und alle anderenBetriebssysteme sind scheiße.'" Es gab auch weitere Diskussionen zuProgrammierstilen und zur Frage, wo die Probleme liegen. Eine Aussage war,Männer können Technik nicht erklären, sondern müssen es immer selber machen.Dadurch kam die Idee einen Film zu drehen, wo die Hacker gefragt wurden, wasein Druckertreiber ist. Dieses erste Hacker-Projekt wurde 1990 mit BarbaraThoens angegangen und es entstand der Kurzfilm "Hacker packen aus", welcherwieder ein Jahr später auf dem Kongress gezeigt wurde. Die damaligeHaecker-Prominenz schnitt wohl nicht besonders gut in diesem Film ab.

Ebenfalls 1991 gab es die Anfrage, ob die Haecksen einen eigenen Raum wünschen.Seit dem gab es auf dem Kongress jedes Jahr einen eigenen Raum, auch wenn seitder Kongress nach Berlin umgezogen ist, erbittert um diesen gekämpft werdenmuss. Rena Tangens hat sich bei den Haecksen zurückgezogen und konzentriertsich auf andere Projekte. Rena dazu: "Es haben sich neue, jüngere Frauengefunden, die den Raum übernommen und dafür gekämpft haben." Dieses Jahr stelltsomit wieder ein Novum dar, da die Haecksen keinen eigenen Raum haben, sondernlediglich einen abgetrennten Bereich im hinteren Hackcenter. Dieses Jahr konntesich niemand finden, die sich um die intensive Organisation des Haecksen-Raumeskümmert und dass die Haecksen verstreut sind, tat ihr übriges. Die im Clubübliche Verpeiltheit macht somit auch nicht vor den Haecksen halt. Zum nächstenJahr soll aber versucht werden, ein Team zusammenzukriegen, welche die Arbeitauf viele verteilt. "Vielleicht kommt dabei das Gleiche raus, aber mit einemanderen Background", meint Katharina. Yella sieht die Sache auch positiv:"Viele (der eigentlichen Haecksen-)Vorträge haben es ins normaleVortragsprogramm geschafft und sind dort präsent. Wer die Haecksen übersiehthat den Congressguide nicht gelesen." Auf der anderen Seite wird aber auch anverschieden Stellen gemunkelt, der Haecksenraum habe für die Kongressleitungkeine Priorität. Es ist eine interessante Frage, ob der chronische Raummangelnun akut oder vorgeschoben ist.

Warum ist ein Raum oder Bereich für die Haecksen wichtig. VieleKongress-Besucherinnen sehen diese Separation auch kritisch. "Es ist ein Ort,wo man sich nicht ständig erklären muss, warum man als Frau hier ist, sichnicht nach allen Seiten definieren muss", erläutert Yella. Daher ist dieAbgrenzung zum restlichen Hackcenter wichtig. Der Raum steht aber prinzipiellallen offen. Lediglich spezielle Veranstaltungen, wie das Frühstück sindexclusiv. Es gibt auch ambivalente Sichtweisen, wie eine prinzipielle Kritik,aber trotzdem praktische Unterstützung. Die Wahrnehmung verteilt sich aberscheinbar auf die beiden Pole, die Arbeit der Haecksen ist gut und wichtigauf der einen Seite und unnötig, überflüssig oder gar gegen die Hackerideale(Gleichbehandlung) auf der anderen Seite. Diese Wahrnehmung ist aber nichtgeschlechtspezifisch. Yella weiter: "Viele Frauen halten das für wichtig undschauen auch vorbei, aber wollen natürlich nicht die ganze Zeit hier sein."

Die Haecksen als Netzwerk von Frauen im Computerbereich ist nicht unbedingteinmalig. Es gibt die Business-orientierten Webgrrls, die LinuxChix's, die "Cyperfeminists" im Old Boys Network (OBN) um Cornelia Sollfrank oderdie Hardware-orientierten GenderChangers aus Amsterdam."Spezialisierung ist für uns nicht der Punkt", äußert Katharina. Die Haecksensind Frauen im CCC und somit ähnlich weit gestreut wie der restliche Club. "Esgibt natürlich personelle Überschneidungen zwischen den unterschiedlichenNetzwerken", ergänzt Yella. Zur Idee des Netzwerk-Gedanken erläutert sie:"Durch den Ausstausch merkt man, dass es keine individuellen Erlebnisse sind,sondern geschlechtsspezifisch." Als Beispiel nennt sie die Anrufer, welche beimhören einer weiblichen Stimme immer noch darauf warten mit "der" Technikverbunden zu werden. "Es gibt Geschichten, die uns klarmachen, dass sowasnotwendig ist." Die Haecksen sollen Zugang verschaffen und ein Sprungbrettsein, Strategien für (gegen?) die männer-dominierte Welt auszutauschen. Yella weiter: "Auch Lernen, das Sexismus nicht hingenommen werden muss." Zentraler Punkt ist aber auch, die Begeisterung an der Technik untereinander zuteilen. "Es gibt in den einzelnen Gruppen und Orten immer die eine (Frau)", erzählt Katharina. Aber bei den Haecksen können sie sich treffen und austauschen.Für die Zukunft erhoffen sie sich eine 50/50 Verteilung bei Vortragenden und Kongress-BesucherInnen, auch wenn sie es noch für utopisch halten. Wünschenwert ist es auf jeden Fall.

Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

netzwerke

Lotti 02.01.2006 - 15:35
Das OBN - old boys network - ist seit Jahren nicht mehr aktiv. Einiges hat sich verlagert zu den Faces:  http://faces-l.net/index.php?option=com_community&Itemid=77# und dann gibt es seit einer kleinen Weile auch noch die Grep|grrls  http://grepgrrl.org/, die ihren Ursprung im PRINT Projekt in Dijon haben  http://print.squat.net/en/index.html.

Ansonsten gibt es noch allerhand im NGO-Bereich - wenn schon so unsägliche Sachen wie die webgrrls genannt werden (warum nicht gleich brigitte.de?), dann doch vielleicht lieber Projekte, die eine Veränderung der Verhältnisse zum Ziel haben. Z.B.  http://www.apcwomen.org/eng_index.shtml oder  http://www.genderit.org/en/index.shtml.

Beim Link-suchen habe ich noch was ganz hübsches gefunden - wär das nicht was für Indymedia?

 http://www.apcwomen.org/gem/ : "GEM is an on-line guide for conducting gender evaluations of initiatives that use Information and Communication Technologies (ICTs) for social change."

da fehlt so einiges...

mdma 05.01.2006 - 02:32
"At times in the past, the CCC has been criticized for being too male
and too insular. Just last year, a controversy broke out when the
small number of women taking part in the congress found their only
hack center overrun by men.

"Some of them said they didn't think a women's room was necessary,"
NC, a key organizer of the women's room, said at the time.
"They said, 'Just because you're a woman doesn't mean you get special
treatment.' We are marginalized in the CCC. Just take a look around."

Those concerns were heard. Women may have only accounted for 10
percent of the total attendance at last year's congress, but the CCC
hopes to build on that number, and to avoid past mistakes of making
women participants feel unwelcome.

So the website announcing this year's congress talks up the hack
center this way: "(T)here will be again a room with a fresher air, a
somehow different atmosphere and especially with more women." "
aus wired.com

es gab dazu noch einen laengeren artikel unter der ueberschrift:
"ccc women were odd man out" auch bei wired, aber der ist irgendwie nicht mehr zu kriegen.

das es keinen haecksen-raum mehr gibt, hat viele gruende, auch den, das sich teile der orag-crew von  http://www.haecksen.de/ nicht mehr so ganz auf dem congress zuhause fuehlen.

positiv ist aber, das die frauen nach und nach immer mehr in das allgemeine congress-programm eingesickert sind. immerhin etwas.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

Danke für diesen anschaulichen Artikel — (muss ausgefüllt werden)