Gerichtshof verhindert Folterprozess

Ralf Streck 29.12.2005 12:03 Themen: Repression Weltweit
Kürzlich sollte in Madrid gegen Beamte der spanischen Militäreinheit Guardia Civil wegen Folter verhandelt werden. Der Prozess fand nicht statt, weil der Nationale Gerichtshof Nekane Txapartegi die Teilnahme verweigerte. Wir sprach mit der Baskin über die Hintergründe.
Über welche Vorgänge sollte verhandelt werden?

Es ging um meine Folteranzeige, nachdem ich am 9. März 1999 von der Guardia Civil nach dem Antiterrorgesetz am 9. März verhaftet wurde und fünf Tage in Kontaktsperre, ohne Kontakt zu meiner Familie, meines Anwalts verbrachte, in denen ich bestialisch gefoltert wurde.

Wie sah das aus?

Typen in Zivil hielten mir auf der Straße in der Stadt Tolosa eine Pistole an die Stirn und zerrten mich ins Auto. Schon auf dem Weg nach Madrid stülpten sie mir eine Tüte über den Kopf und zogen sie am Hals zusammen. Man kommt dem Erstickungstod nahe, ich fiel mehrfach in Ohnmacht. Dazu kamen ständige Schläge auf den Kopf. Sie fuhren mich in einen Wald, steckten mir eine Pistole in den Mund und drohten mich zu erschießen. Dann brachten sie mich ins berüchtigte Kommissariat von Tres Cantos. Dort ging das tagelang weiter, Tüte, Schläge, sexuelle Missbrauch. Sie rissen mir die Kleider vom Leib, betatschten mich und steckten mir diverse Gegenstände überall hinein. Dazu kam Schlafentzug, psychologische Folter, die Drohung Freunde zu foltern. Sehr schlimm war, dass ich gemeinsam mit einem Freund gefoltert wurde.

Was wollten Sie wissen?

Angeblich sollte ich Kurier für die bewaffnete Organisation ETA sein. Sie wollten Namen. Nach drei Tagen, die Folter wurde immer schlimmer, brach ich zusammen und lernte auswendig, was sie diktierten. Das musste ich mehrfach machen, plötzlich war ich keine Kontaktfrau der ETA mehr, sondern Mitglied der Organisation Xaki, der der verhaftete Freund angehörte. Deren Ziel war, international eine Öffentlichkeit über den baskischen Konflikt herzustellen.

Wegen der Aussagen sitzen Sie und andere auf der Anklagebank in dem Verfahren unter dem Aktenzeichen 18/98, in dem seit einem Monat gegen baskische Organisationen verhandelt wird, die alle der ETA untergeordnet seien. Es scheint, der Nationale Gerichtshof will nicht klären, ob Aussagen unter Folter gemacht wurden?

Mir wurde untersagt, dem Prozess gegen die Guardia Civil beizuwohnen, um gegen die Folterer auszusagen. Das Gericht gab mir nicht frei, weil es auf niemanden verzichten könne. Der andere Prozess musste abgesagt werden. Das ist erstaunlich, weil sich das Verfahren 18/98 in fünf klar abgegrenzte Bereiche gliedert. Derzeit wird über die 1998 geschlossene Zeitung Egin verhandelt, was mit meinem Fall, und der Mehrzahl der 56 Beschuldigten, nichts zu tun hat.

Ist es nicht erstaunlich, dass es einen Folterprozess gibt. Die Verfahren werden doch meist eingestellt, obwohl sogar die UNO die Folter in Spanien angreift.

So war das auch bei mir. Das erste Gericht erklärte sich für nicht zuständig und überwies den Fall nach Madrid. Dort wurde es provisorisch eingestellt, weil es keine Beweise für die Folter gäbe. Nach unserem Widerspruch muss verhandelt werden, weil es auch Formfehler gab.

Es ist aber schwer, Folter zu beweisen, wenn man völlig abgeschottet gefoltert wird.

Die Knastärztin war bei meiner Einlieferung über meinen Zustand so geschockt, dass sie bei der vorschriftsmäßigen Untersuchung einen Bericht anfertigte. Falls mir im Knast als Folge der Folter etwas passierte, wäre der Knast sonst verantwortlich. Damit habe ich etwas in der Hand, auch wenn dort nur ein kleiner Teil dokumentiert ist. Dann ist da die Familie, die bezeugt, dass ich keine Verletzungen hatte, als unsere Wohnung in meiner durchsucht wurde und die Gefangenen im Knast, die bezeugen können, wie ich sogar nach fünf weiteren Tagen in völliger Isolation noch aussah.

Welche Bedeutung hat der Folterprozess auf das Verfahren in dem Sie angeklagt sind?

Die Vorwürfe gegen mich basieren auf meinen Aussagen. Fast die ganze Anklage und das Verbot von Xaki beruhen auf Sachen, die ich oder Mikel Egibar auswendig lernen mussten. Man hat wohl kein Interesse daran, dass im Rahmen des Verfahrens, in dem die linke Unabhängigkeitsbewegung abgeurteilt werden soll, parallel in Madrid über die Folter verhandelt wird. Die Aussagen müssten sofort annulliert werden, wenn wir sie beweisen. Es würde auch klar, das dort auf Basis von Foltergeständnisse verhandelt wird.

Im Buch "Tondar - Geschichte und Widerstand politischer Gefangener" findet sich ein ausführliches Interview mit Nekane Txapartegi
Hrsg. Ralf Streck, Pahl-Rugenstein Verlag Bonn, ISBN 3-89144-348-X, 14,90 Euro

© Ralf Streck, Donostia – San Sebastian den 27.12.2005
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Einfach — Paul

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EU-Stimmrecht — Blanziflor

witzig — Ralf