22C3: Das CongressRadio berichtet

Anne Fo. (Darmstadt) 28.12.2005 12:42 Themen: Kultur Medien Netactivism
Interview mit Oliver, der seit einigen Jahren immer das CongressRadio zum jährlichen Chaos Communication Congress in Berlin organisiert.
Das CongressRadio berichtet seit einigen Jahren vom jährlichen Chaos Communication Congress in Berlin. In den letzten Jahren wurde dabei immer auf einer eigenen UKW-Frequenz, bzw. 2004 beim ehemaligen DJ-Piratensender TwenFM gesendet, der seinerzeit an einem DAB-Promotionprojekt teilnahm und deshalb auch über eine besondere UKW-Frequenz zu empfangen war.

Dieses Jahr kann mensch in Berlin-Brandenburg das CongressRadio jedoch nicht per UKW, sondern „nur“ per Podcasting empfangen. Natürlich kann auch jede/r außerhalb Berlins das Podcasting- sowie Download-Angebot des CongressRadios nutzen, aber je nachdem wo mensch wohnt mit etwas Glück bei einigen Freien Radios in der BRD, Österreich oder der Schweiz, da diese UKW-Radiostationen exklusiv einige Beiträge des CongressRadios ausstrahlen können.

Ich sprach deshalb mit Oliver, der das Projekt seit dem 20. Congress organisiert und der u.a. Auch beim Bundesverband Freier Radios sowie der radiokampagne.de in Berlin-Brandenburg aktiv ist und Workshops und Seminare für alternative Medienschaffende durchführt.

Anne: Warum willst Du jedes Jahr mit einer temporären Radiostation von einer Veranstaltung berichten, die ja ziemlich stark im und mit Internet verbunden ist, technisch wie inhaltlich?

Oliver: Das ist ganz einfach: Als Leute von der radiokampagne.de für den 19. Chaos Communication Congress über die Möglichkeiten der Berichterstattung im Radio nachdachten, gab es ja keine andere Möglichkeit, als selbst eine Radiostation auf die Beine zu stellen, denn es gab ja damals und bis heute leider immer noch kein nicht-kommerzielles Lokalradio in Berlin und Brandenburg. Und auch die öffentlich-rechtlichen Radiosender hatten kein Interesse, ihre Informationshoheit mit Leuten zu teilen, die nicht die ARD-Hörfunkausbildung durchlaufen haben. Und Privatradios haben nun überhaupt gar kein Interesse an Berichterstattung oder sonstigen Inhalten, die ihre Hörerschaft vom eigentlichen Zweck dieser Dudelsender ablenken könnten, nämlich möglichst lange das Privatradio eingeschaltet zu lassen, damit deren Werbekunden glücklich sind.

Und natürlich war damals auch noch nicht an eine massenhafte Verbreitung von breitbandigen Internetzugängen zu denken, wie sie heute, Ende 2005 immer mehr und fast flächendeckend Wirklichkeit werden. Ich selbst war damals noch mit einem Modem unterwegs, später per ISDN und jede Minute hat mich Geld gekostet und deshalb konnten oder wollten sich viele Internetbenutzer keine Live-Audio-Streams anhören.

Also musste wie gesagt für eine Verbreitung über UKW alles selbst organisiert werden. Das bedeutete zum einen, viel Technik aufzubringen, aber auch – und im Falle Freier Radios ist das ja oft viel wichtiger – viel Inhalt rüberzubringen. Das war ein nicht zu unterschätzdender Aufwand, denn ein Haufen Leute muss die Vorträge besuchen, Interviewgäste einladen und dann die Interviews durchführen, natürlich wurde auch Musik benötigt zwischen den Interviews und Berichten und das ganze muss dann noch moderiert werden.


Anne: Das waren also die Gründe für das erste CongressRadio. Wie ging es dann weiter in den nachfolgenden Jahren?

Oliver: Beim 20. Chaos Communication Congress hatten wir das Glück, dass das Ausland in Berlin für ihr Projekt „radioriff“ eine Veranstaltungsfrequenz für vier Wochen beantragt hatte, auch tatsächlich die Genehmigung und Sendeerlaubnis erhielt und die Kosten für diese UKW-Frequenz bezahlen konnte. Die radiokampagne.de sendete die letzten drei Wochen dieses Veranstaltungsradios dann das „radioriff auf reisen“ und war jeden Abend ab 20 Uhr zu Gast in einer anderen Berliner Location. Das konnte ein Club sein oder eine Kultureinrichtung, die c-base in Mitte oder halt der halt 20. Chaos Communication Congress, der natürlich nicht fehlen durfte.

Ziel von „radioriff“ und „radioriff auf reisen“ war es unter anderem, zu zeigen, dass in Berlin Dutzende wenn nicht sogar noch mehr Orte und Einrichtungen gibt, die in den Massenmedien kaum oder gar nicht vorkommen. Und damit kommen auch die dort behandelten Themen nicht vor. Also die Ausgangslage, die wir schon beim 19. Congress hatten. Und jetzt beim 20. Congress bin ich dann wohl auch auf den Namen „CongressRadio“ gekommen, denn im Jahr davor hieß das Radio noch anders, naja, jedenfalls seit den Wochen vor dem 20C3 organisiere ich nun jedes Jahr immer ab Herbst das kommende CongressRadio, damit halt all die dafür notwendigen Leute angesprochen und koordiniert werden. Denn alleine kann niemand so etwas schaffen, es braucht eine Gruppe, ein Team und deshalb bin ich beim CongressRadio selbst dann endlich auch wieder mehr im Hintergrund, bzw. Teil der Gruppe.

Vielleicht noch kurz zum CongressRadio beim 21. Chaos Communication Congress, das war nämlich wieder ganz anders als die beiden Male davor. Beim 21C3 gab es kein Veranstaltungsradio, da die dafür vorgesehene und freigehaltene Frequenz von einer Tochterfirma der Deutschen Telekom besetzt wurde, die darüber versuchte, der Berliner Bevölkerung doch DAB, also grob gesagt digitales UKW-Radio schmackhaft zu machen und den Absatz der neuen Radioempfangsgeräte für die Industrie anzukurbeln. Und bizarrerweise war unter diesen ansonsten grottenschlechten DAB-Radios auch ein ehemaligen DJ-Piratenradio, zu dem die radiokampagne.de und andere nicht-kommerzielle Radioinitiativen in Berlin natürlich intensiven Kontakt hatten und haben.

Und so brauchte es nur eine einzige E-Mail und wir hatten bei TwenFM, so heißt das ehemalige DJ-Piratenradio, eine tägliche Live-Sendung für den 21. Chaos Communication Congress und das finde ich heute noch so einen Hammer, wenn man sich überlegt, wie kompliziert und bürokratisch z.B. der öffentlich-rechtliche Rundfunk arbeitet und dagegen schaffen wir freie Radiomacher es mit einer einzigen E-Mail, eine Live-Sonderberichterstattung zu und über eine große und bedeutende Veranstaltung wie den Chaos Communication Congress ins reguläre Radioprogramm zu hieven.

Das zeigt auch, wie dringend Freie Radios in Berlin und Brandenburg gebraucht werden. Leider fehlt es ja an Leuten, die sich auch dafür einsetzen wollen. Denn dieses Jahr gibt es nicht mal mehr TwenFM, die uns in Berlin auf der ehemligen Veranstaltungsfrequenz Sendezeit zur Verfügung stellen können, das ist schon sehr sehr bedauerlich und eine Schande für die angebliche Medienhauptstadt. Hier und in Brandenburg hat schließlich der Rundfunk vor etwas über 75 Jahren begonnen und seit Jahrzehnten ist „der Äther“ unter der Kontrolle von Behörden und die entscheiden einfach für die Bevölkerung, wer senden darf und wer nicht.

Anne: Ist das nicht auch ein Thema für den Chaos Communication Congress?

Oliver: Ja natürlich, aber nicht nur. Der Mangel an nicht-kommerziellem Rundfunk und die Medienpolitik allgemein sollten das Themen all derjenigen sein, die sich für Meinungsfreiheit, Bürgerrechte, Solidarität und Toleranz interessieren oder einsetzen. Indymedia ist ja ein Teil der Bestrebungen, den Massenmedien etwas entgegenzusetzen, nicht-kommerzieller Lokalfunk ein anderer und Weblogs, Wikis und Podcasting gehört natürlich auch dazu.

Anne: Was passiert dieses Jahr beim CongressRadio?

Oliver: Mangels einer UKW-Radiostation in Berlin bleibt uns ja nur das Internet als Verbreitungskanal. In den letzten Wochen und Monaten zeigt sich hier eine neue Möglichkeit. Jemand kam auf die Idee, die RSS-Newsfeeds zu nutzen, um eine Art Radiosendung an alle Leute zu verschicken, die diesen RSS-Newsfeed aboniert haben. RSS ist eine Internettechnologie, die es den Benutzern ermöglicht, Inhalte einer Website oder auch nur Teile davon so zu abonnieren, dass mit dem zeitpunkt der Veröffentlich automatisch den Abonnenten mitgeteilt werden. Die Abonnenten müssen also eigentlich gar nicht mehr regelmäßig auf der Website nachschauen, ob es vielleicht etwas neues gibt, denn sie bekommen per RSS-Newsfeed die Texte sofort zugeschickt.

Die Verbreitung von Audio-Dateien über RSS-Newsfeeds hat dann auch einen neuen Namen bekommen, der sich an die Produktbezeichnung des wohl populärsten, portablen MP3-Players „iPod“ der Firma „Apple“ und das englische Wort „broadcasting“ anlehnt. Der neue Name lautet also „Podcasting“ und da ja „broadcasting“ so etwas wie Sendung, aber auch TV- oder Radioausstrahlung, Rundfunksendung , usw. Bedeutet, kann man als „Podcasting“ als Sendung oder Ausstrahlung für Abspielgeräte bezeichnen.

Wir können ja auch mal schnell nachschauen, was in der Wikipedia dazu steht, moment, ah, hier, da steht „Podcasting bezeichnet das Produzieren und Veröffentlichen von Audiodateien über das Internet im Format eines Weblogs mit speziellem RSS-Feed. Zunehmend fallen auch Videodateien unter diesen Begriff. Diese werden dann auch als Videocast bezeichnet“, vielleicht kannst Du das ja im Artikel nachher verlinken oder zitieren oder so.

Anne: Ja, vielleicht. Nochmal konkret, wie sieht das CongressRadio dieses Jahr aus?

Oliver: Oh, danke, das sollte ich ja noch erzählen. Im Grunde genommen sind wir dieses Jahr beim CongressRadio völlig frei. Frei von Zeitdruck und Redaktionsschluß, weil wir ja keine Live-Radiosendungen machen können. Aber auch frei von irgendwelchen Hörfunkjournalistischen Vorgaben. Wir könnten z.B. auch dieses Interview jetzt „podcasten“, wenn nicht gerade alle unsere Rekorder und Laptops in Benutzung wären. Ich persönlich möchte nicht so viele Monologe mit musikalischer Untermalung produzieren, weil es das im „normalen“ Radio schon genug gibt, sondern Gespräche und Interviews mit vielen interessanten Leuten, z.B. die die Vorträge halten und Workshops anbieten. Außerdem fände ich es interessant, die Besucherinnen und Besucher des Congresses zu Wort kommen zu lassen, das passiert ja immer viel zu selten und ist bei öffentlich-rechtlichen Radios sehr oft nicht mehr als ein Pflichtalibi oder Feigenblatt für Meinungsvielfalt oder Stimmungsmache, wie es oft bei den Privatradios zu hören ist.

Daneben wollen wir einige andere Sachen ausprobieren, für die in den letzten Jahren nie die zeit oder die Ruhe war. Ich bin ja eigentlich begeistert, wie wenig Technik wir jetzt nur noch benötigen, um unsere - ich sage mal - „Radiosendungen“ zu produzieren, kein Vergleich zu den letzten Jahren.

Und ich hoffe auf möglichst viele Zuhörerinnen und Zuhörer, damit unser CongressRadio kein Selbstzweck ist, sondern tatsächlich Leute erreicht und ihnen neue Themen oder Aspekte liefert, die sie vielleicht noch nicht kannten oder falls sie sich schon mit einem Thema auskennen dann die neuesten Entwicklungen und wie es dort vielleicht weitergeht. Denn es ist ja wichtig, einen Einstiegspunkt in ein Thema zu finden, von dem aus man sich dann weiter in das Thema einarbeiten kann. Und hier etwas beizutragen, das wäre doch klasse. Ja, so könnte man das alles zusammenfassen, aber es hat ja jede/r die Möglichkeit, sich unsere Website selbst anzuschauen und natürlich kann man uns auch darüber kontaktieren oder halt direkt auf dem Congress.

Anne: Vielen Dank für das Interview und dann noch viel Erfolg mit dem CongressRadio.

Oliver: Wir haben zu danken und Grüße auch an alle von Indymedia.

Website vom CongressRadio:  http://congressradio.de/
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