Der Knast und die Heizungsproblematik

Thomas Meyer Falk 21.12.2005 11:58 Themen: Repression
Der Knast und ...
Der Knast - und die Heizungsproblematik

Als ich 1998 in die Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal eingeliefert wurde, fiel mir in den Wintermonaten bald auf, dass hier offenbar frieren zur Sanierung der Staatsfinanzen angesagt war. Die Anstalt, erbaut vor über 150 Jahren, verfügt über ein antiquiertes Heizungssystem, welches zentral „An“ oder „Aus“ gestellt wird - und die meiste Zeit steht die Heizung auf „Aus“!

Heizzeiten sind (bis heute) in den Wintermonaten in der Regel 5 Uhr 45 bis 7 Uhr 45, 11 Uhr bis 12 Uhr 30 und von ca. 16 Uhr bis 19 Uhr 30. Während des übrigen Tages - insbesondere aber der Nachtzeiten, ist die Heizung aus. Und da heißt nicht etwa (nur) leicht abgesenkt, sondern kalt! Und ist die Heizung an, verbrennt man sich die Finger, so heiß wird der Heizkörper.

Die Folge davon ist, dass wer längere Zeit in solch einer Zelle untergebracht ist, irgendwann zu frieren beginnt; zumal die Außenwand wie ein Kühlaggregat wirkt, denn das Gemäuer von 1848 ist in keiner Weise gedämmt.
Ein abgeklärter Schließer meinte 1998 zu mir, ich solle einfach 50 Liegestütze machen, dann werde mir gewiss warm genug.

Seinerzeit führte ich diverse Prozesse gegen die JVA und scheiterte mit allen; die Anstalt verteidigte sich u.a. mit dem Argument, es sei eine Renovierung des Heizungssystems geplant. Nun ja, mittlerweile und 7 Jahre später ist ein von vier Hafthäusern tatsächlich renoviert und mit einer besseren Heizungsanlage ausgestattet.
Wird weiterhin in diesem Tempo renoviert, dürfen sich wohl alle Bruchsaler Gefangenen im Jahre 2020 vielleicht über adäquat beheizte Zellen freuen - und so lange heißt es: Frieren.

Selbstverständlich kann man sich auch wärmer anziehen, aber das hilft nur bis zu einem gewissen Punkt. Und nachts könnte ich das Fenster fest verriegeln, aber auch dies hülfe nur in engen Grenzen, angesichts der fehlenden Wärmedämmung der Außenwand.
Aber etwas Frischluft braucht der Mensch in seiner 8 qm-Zelle, zumal wenn die Toilette offen im Zelleneck steht, räumlich also nicht abgetrennt ist.

Und so packe ich mich nachts im Bett mit Schal und Handschuhen ein. Aber während der Winterzeit abends mal aufbleiben und am Tisch sitzen, um Briefe zu schreiben, wird so ein wenig problematisch.

Dass in einem Land wie der BRD im 21. Jahrhundert in Gefängnissen Zellen tagsüber nur stundenweise und nachts gar nicht beheizt werden, ist doch - gelinde gesagt - erstaunlich.

Mit frostigem Gruß

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA - Z. 3117, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
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Ergänzungen

Problem nicht nur in Bruchsal

Bremer 21.12.2005 - 19:59
In Knast Bremen Oslebshausen war es bis vor kurzem auch so. Die Heizungsanlagen zum Teil kaputt und das Mitten im Winter, der Bau nicht isoliert etc.. Daran wurde lange Zeit nichts geändert. Begründung dafür: Es sei schließlich ein Neubau des Knastes geplant und dann würde alles besser. Bis dahin die Heizung zu repapieren würde sich nicht lohnen. Inzwischen ist der Neubau auch gestrichen: Kein Geld da. Aber immerhin scheint die Heizung wieder zu gehen (wer mehr weiß korrigiere mich). Dafür durften die Gefangenen aber mindestens einen Winter lang frieren.

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