Ein Zeichen der Solidarität über Kontinente

Peter Nowak und Arian Wendel 19.12.2005 21:59 Themen: Repression
Die US-Bürgerrechtlerin Angela Davis nahm am vergangenen Wochenende am Internationalen Symposium gegen Isolation in Paris teil. Peter Nowak und Arian Wendel sprachen mit ihr.
1.Frage: Sie engagieren sich seit Jahrzehnten für politische Gefangene in aller Welt. Woher nehmen Sie die Kraft dafür?

A.D.: Ich war vor mehr 35 Jahren selber politische Gefangene in den USA, musste mit einem Todesurteil rechnen und konnte so am eigenen Leib erfahren, welchen Einfluss eine starke, internationale Solidaritätsbewegung haben kann. Der damalige US-Präsident Richard Nixon und der damalige Gouverneur von Kalifornien Ronald Reagan - beide erklärte Reaktionäre - schafften es nicht, mich auf den Elektrischen Stuhl zu bringen. Heute will ich etwas von der Solidarität, die ich erfahren habe, weiter geben.

2.Frage: Sind die Bedingungen für eine solche Solidaritätsarbeit heute nicht besonders schwer?
A.D.: Sicher sind nach dem 11.September die Bedingungen nicht einfacher geworden. Mit dem Patriot-Act werden nicht nur die
Rechte politischer Organisationen eingeschränkt. Eigentlich sind alle Bürger der USA betroffen. Aber auch als ich inhaftiert war, waren die politischen Verhältnisse keineswegs ideal. Solidarität ist gerade in Zeiten wie heute besonders notwendig.

3.Frage: Die Hinrichtung des ehemaligen Gründers einer Strassengang und späteren Kinderbuchautors Tookie Williams hat vor einigen Tagen weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Warum gelang es trotzdem nicht sein Leben zu retten?
A.D.: Er ist aus politischen Gründen hingerichtet worden. Tookie Williams hatte sich erst im Gefängnis für gesellschaftliche Fragen zu interessieren begonnen. Er hat sich politisiert und hat seine politische Identität bis zum Schluss nicht verleugnet. Das hat ihm sein Leben gekostet. Als reuiger Krimeller wäre Williams vielleicht begnadigt worden, doch als politischer Aktivist nicht. Schliesslich ist Gouverneur Schwarzenegger Protagonist des rechten Flügels der Republikanischen Partei. Er hat ausdrücklich in seiner Ablehnung des Gnadengesuchs erklärt, dass sich Williams unter Anderem auf den langjährigen politischen Gefangenen und späteren Präsidenten von Südafrika Nelson Nelson Mandela sowie auf dem im US-Gefängnis ermordeten Black-Panther-Aktivisten George Jackson berufen hat.
Mit der Hinrichtung von Tookie Williams machte er deutlich, dass ihnen die Weltmeinung egal ist. Dieser Trend hat sich nach dem 11.September verstärkt und macht Solidaritätsarbeit sicher nicht leichter.

4.Frage:Der Kampf der politischen Gefangenen in der Türkei, der auf dem Symposium im Zentrum stand, ist in Europa kaum bekannt. Gibt es in den USA mehr Informationen darüber?
A.D.: Auch in den Medien der USA sind die Informationen darüber gering. Am besten wird man über as Internet informiert. Ich habe über den aktuellen Kampf der türkischen Gefangenen
über irische Genossen erfahren, mit denen ich schon seit Jahren in freundschaftlichen Kontakt stehe. In Irland gibt es schon seit Jahren eine rege Solidaritätsarbeit für die Gefangenen in der Türkei. Ich habe mich dann genauer über die Haftbedingungen und den Kampf der Gefangenen beschäftigt. Weil die Isolationshaft unter Anderem in den USA entwickelt wurde, sah ich mich besonders in der Verantwortung. Hinzu kommt noch ein biographischer Grund. Als ich vor 35 Jahren im Gefängnis sass, bekam ich Solidaritätsgrüsse türkischer Gefangener, die auf Toilettenpapier geschrieben waren. Der Kassiber wurde erfolgreich aus einem türkischen Gefängnis heraus geschmuggelt und hat mich erreicht. Er hatte mir damals Mut gegeben. Heute brauchen die türkischen Gefangenen ein Zeichen der Solidarität über alle Kontinente.
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