Stuttgart - Demo gegen Studiengebühren

eeaak! 15.12.2005 22:58 Themen: Bildung
Heute wurde im Landtag von Baden-Württemberg beschlossen, Studiengebühren auch hierzulande einzuführen.
Aus diesem Grund haben sich mehr als 2000 Studenten entschlossen auf die Straße zu gehen
Nachdem heute im Landtag in Stuttgart das Landeshochschulgebührengesetz durch CDU und FDP beschlossen wurde - ab SS2007 kostet das Semester mind. 500 Euro-, haben sich über 2500 Studenten entschlossen dies nicht ohne weiteres hinzunehmen; sie haben die Vorlesung Vorlesung und das Seminar Seminar sein lassen, um gemeinsam gegen diese Sozialrepression der Landesregierung zu kämpfen.
Wäre die Demo nicht um 10 Uhr gewesen, dann wären es wohl mehr Menschen geworden, aber viele konnten so das günstige Baden-Württemberg-Ticket nicht nutzen, und die Fahrt von Ulm nach Stuttgart und zurück kostet z.B. per DB mindestens 20 Euro pro Person, und das ist für einen Studenten, der von 350 bis 400 Euro im Monat leben muss, dann doch viel Geld.

Bereits um 10 Uhr wurde begonnen durch die Vorlesungen und Seminare in Gebäude KI und KII zu gehen und noch den ein oder anderen dazu zu motivieren, mit auf die Straße zu gehen.
Zu denjenigen, die bereits zwischen den Uni-Hochhäusern auf den Beginn der Demo warteten, sprachen währenddessen Vertreter diverser Gewerkschaften (Verdi, GEW, ... ) und einige Studenten, wobei die Stimmung der Studenten bei dieser Auftaktkundgebung dann durchaus als "kämpferisch" gewertet werden kann.

(Zu dieser Zeit hatte die Polizei bereits den Landtag mit einem massiven Aufgebot abgeriegelt und mehrere Hundertschaften in den Seitenstraßen rund um den Landtag und in der Innenstadt versteckt.)

Nach einigen aufmunternden Worten durch Aktivisten und Studenten setzte sich dann der Zug von der Uni über die Geschw. Scholl-Straße langsam in Richtung Friedrichstraße und Theodor-Heuss-Straße in Bewegung, nicht ohne durch laute Parolen, Trillerpfeifen und Trommeln auf sich aufmerksam zu machen.

Der genehmigte Demoroute lief dann über die Theodor-Heuss-Straße, Hoch zur CDU-Zentrale, und wieder zurück zur Uni.
Im Großen und Ganzen lief die Demo trotz übertriebener Polizeipräsenz (Helm und Knüppel und gepolsterter Kampfanzug.) problemlos.
Einen Grund für die Abfilmung aller Demonstranten durch die Polizei gab es eigentlich auch nicht.

Es gab jedoch eine einzelne Verhaftung wegen Verstoß gegen das Vermummungsverbot, der eingecashte konnte jedoch durch eine spontane solidarische Besetzung der Theodor-Heuss in voller Breite durch die Demoteilnehmer (genehmigt war wohl nur eine Straßenseite) wieder freibekommen werden. Dieser Demoteilnehmer hatte eine Karnevalsmaske getragen, was als "Vermummung" gewertet wurde.

Während die Demo dann von der CDU-Zentrale wieder zurück in Richtung Uni zog, begaben sich einige in Richtung Landtag, wo sie von massiven Polzeiaufgeboten und Sperrgittern empfangen und z.T. ziemlich rüde wieder zurückgeschickt wurden (Androhung von Verhaftungen, sollte ein Transpi auftauchen...)
Andere Teilnehmer begaben sich dann langsam in Richtung Hauptbahnhof, um dort auf dem Arnulf-Klettplatz die Hauptstraße zu blockieren und so auf ihre Lage aufmerksam zu machen, nachdem der Platz nicht weit weg von der Uni ist. Die Polizei setzte daraufhin sofort eine Hundertschaft in Bewegung, um die Studenten von der Kreuzung zu entfernen. Unmittelbar nach einer knappen, wegen der Lautstärke auf der Kreuzung kaum verständlichen Aufforderung rückten die Cops mit Knüppel in der Hand im Trab an.
Die Menge setzte sich daraufhin in Bewegung, um in Richtung Fußgängerzone weiterzudemonstrieren.

Wie in Stuttgart üblich folgten die Knüppelträger nicht den Demonstranten in die Fußgängerzone, so dass dort lediglich ein obligatorisches "Dokuteam" der Polizei den Demozug von einer der mobilen Kameraplattformen aus abfilmte. Womöglich haben die Cops Angst, dass das einen schlechten Eindruck für die saubere Stadt macht...
Die Demo konnte dann durch den Weihnachtsmarkt am Schlossplatz und über die Königsstraße in Richtung Rotebühlplatz ziehen, von wo aus man zu der nur wenige Meter entfernten CDU-Zentrale gehen wollte, um vor selbiger noch mal zu demonstrieren. Dies wurde aber durch eine ziemlich aggressiv auftretende Polizeieinheit verhindert, die die Straße abriegelte.
Und nachdem Demoteilnehmer aufgetaucht waren, kamen sofort nochmal Behelmte Knüppelträger als Verstärkung angerannt.

Also zog die Demo (mehr oder weniger langsam von der Polizei zurückgedrängt) in Richtung Rotebühlplatz und dann weiter zum Wilhelmsplatz, wo erneut die Kreuzung durch ein Sit-in besetzt wurde.

Die Stuttgarter Bereitschaftspolizei setzte aber auch hier mehrere Hundertschaften ein, so dass nach nur einer knappen Aufforderung zur Räumung (der im übrigen alle direkt nachkamen!) sofort eine Einheit angerannt kam, die einige Demoteilnehmer dann auf einen Gehweg drängte, um diese dort zu verhaften. Nun befanden sich noch mehrere hundert Demonstranten auf Gehsteig an der Hauptstädter Straße, die aber recht schnell von der Polizei eingekesselt wurden. Denjenigen, die den Gehsteig an der Hauptstätter Straße verlassen wollten wurde dies zunächst verwehrt, wobei die Polzei aber genau diese Menschen dazu wieder per Lautsprecher aufforderte, den Gehweg zu räumen.
Unmittelbar nach dieser Aufforderung kam dann ein gepanzerter, vermummter Greifertrupp angerannt, der nochmals einige Verhaften wollte. Glücklicherweise kam es zu einem kurzen durcheinander, so dass viele den Gehsteig doch noch verlassen konnten, ohne mitgenommen zu werden.

Diese Maßnahmen der Polizei wurden von fast allen Passanten missbilligt, ein par alte Opis haben sogar was von "ist ja schlimmer als in den 68ern, was die Polzei da macht" und "das ist völlig überzogen, die konnten ja nicht mal weggehen!, die wurden gleich wegverhaftet!" gesagt. Bei den Passanten am Wilhelmsplatz (z.T Weihnachtsmarktbesucher auf dem Weg zum Parkhaus, z.T Anwohner oder auch Leute, die im Stau standen) gab es von ca. 20 befragten nicht einen, der dieses Polizeiaufgebot rund um den Landtag für angemessen hielt. Die Prostituierten aus dem Bohnenviertel (Stuttgarter Rotlichtviertel am Wilhelmsplatz), die erst Angst vor einer Polizeirazzia hatten und vorsichtig aus der Einganstür lugten, sprachen von "hier krachts noch gewaltig in den nächsten Jahren" und "ich kenn das, bei uns in Korea hats auch so angefangen mit der Polizei und den studenten, du musst dich nicht wundern, wenn hier auch bald Leute wie du ohne Grund verprügelt werden, das ist ein scheiss Polizeistaat hier in stuttgart, fast wie bei uns in Korea".

Als Reaktion auf diesen Einsatz zogen diejenigen, die nicht verhaftet worden waren - immerhin sind um die 30 Leute eingefahren, und das obwohl den Aufforderungen der Polzei wo möglich sofort nachgekommen wurde! - dann direkt vor die gegenüberliegende Polzeiwache und belagerten dort den Eingang, woraufhin etwa 20 Polizisten den Eingang (eine kleine Stahltür mit Gitterglas, gerade mal 2m breit...) schützten.

Nach und nach zogen dann immer mehr Demonstranten ab, so dass dann so gegen 15 Uhr schließlich die Demo aus war - auch wenn einige noch hoch an den Pragsattel fuhr, um die eingefahrenen Leute aus dem Polizeiknast wieder in Empfang zu nehmen.


Um ein Fazit für die Demo zu finden: Diese Demo kann trotz der zahlreichen Verhafteten als durchaus gelungen gewertet werden, weite Teile der Bevölkerung haben durch die Aktionen auf den Kreuzungen und durch die Diskussion mit den Studenten, die nicht auf der Kreuzung saßen, oft Dinge erfahren, die sie so nicht wussten. Z.B. dass man teilweise von 300 Euro/Monat leben muss und dass man eben nicht den ganzen Tag ausschlafen kann, sondern meist schon jetzt neben dem Studium arbeitet.

Die Veranstalter der Hauptdemo haben gezeigt bekommen, dass man sein Ziel eher dadurch erreicht, dass man nicht vor der Polizei kuscht (wie etwa am 30.11, als sogar Ordner Demoteilnehmer weggetragen haben) . An dieser Stelle nochmal ein Danke an diejenige, die das Megaphon an sich genommen hat um zum Blockieren beider Straßenseiten aufzurufen, die Uni braucht aber noch mehr Leute, die den Hintern hochkriegen!

Einziger fader Beigeschmack ist die Tatsache, dass an der Uni in Stuttgart allein 21 000 Studenten eingeschrieben sind, dass es vielen aber wohl egal ist, wenn sie bald 500 bis 1000 Euro im Monat zahlen sollen... die werden wohl erst dann jammern, wenn die Gebühren zu zahlen sind!


eeak!/autanop

kontakt: autanop(bei)gmx.net

weitere Bilder der Demo und ein blog gibts unter www.streikblog.de
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Ergänzungen

KLASSE!!!

tut nichts zur sache 16.12.2005 - 18:11
Trotz einer geringeren Teilnehmerzahl war die Demo doch effektiver wie ich finde. Sie hat mit der Faust auf den Tisch geschlagen!

WEITER SO! Jetzt nur nicht aufhören. Das Gesetz ist noch lange nicht umgesetzt!!!

 http://ichzahlenicht.de/

hamburger und stuttgarter verhältnisse

egal 17.12.2005 - 00:45
naja. hamburg mag zwar mehr los sein auf den strassen, aber in stuttgart ist wohl das verhältnis eingesetzter polizeigewalt zur gewalt von demonstranten wesentlich mehr auf seiten der polizei.

wenn ich recht gezählt hab, dann waren da vor der demo schätzungsweise mindestens fünf hundertschaften in bereitschaft bzw. in der innenstadt. und ich bin mir sicher, dass da noch weitaus mehr oben am pragsattel, an der röhre usw. auf abruf standen - aber wie gesagt, ich hab einen kleinen spaziergang gemacht und mal die rumstehenden wannen bzw. die rumstehenden einsatzzüge abgeschätzt, daher die zahl.

zudem hab ich es in hamburg, wo ich das ein oder andere mal auch auf ner demo unterwegs war (hab da auch mal ne zeitlang gewohnt) nie erlebt, dass berittene bullen mitten in die leute reingeritten sind. das ist in stuttgart aber normal, wenn die streitrösser anrücken, dann reiten die früher oder später mitten in die demo rein.
das selbe gilt für die hundestaffeln, die in bawü immer wieder mal auf demos oder zur "objektabsicherung" eingesetzt werden: da dürfen die hunde ohne maulkorb und von einer dünnen lederleine gehalten hochsteigen und demonstranten aus nächster nähe anbellen.
wer schon mal vor so einem zähnefletschenden kampfhund gestanden hat, der weis was adrenalin ist.

auch wenn es bei uns in bawü fast keine wasserwerfereinsätze gibt - es gibt bei so ziemlich jeder spontandemo in stuttgart oder KA massive überpräsenz der polizei.
es gibt bei jeder spontandemo leute, die aus den nichtigsten gründen verhaftet und komplett ed-behandelt werden (zum beispiel: schal im rucksack gehabt, alternatives erscheinungsbild und während einer demo in der innenstadt unterwegs gewesen).

ach ja, ich hab in hamburg auch nie erlebt, dass offensichtlich unbeteiligte von der polizei mit absicht niedergeknüppelt werden, während dir in stuttgart sowas schon mal passieren kann. auch wenn du 15 jahre alt bist, eher in richtung "schicki-tussi" aussiehst, mit 12cm pfennigabsätzen durch die stadt stackelst und offensichtlich klamotten für hunderte von euros an hast. so eine wurde nur 30m weg von mir nämlich von der polizei mit einem stabilen eichenholzknüppel "am weglaufen gehindert". keine aufforderung stehenzubleiben - nix. die dachte nur, dass der lockere kessel nicht für sie gelten würde. dafür hatte sie innere verletzungen und eine platzwunde am kopf. eine gegenanzeige und eine dienstaufsichtsbeschwerde (mit hilfe von aktivisten) war ergebnislos...

von daher wunderts mich auch nicht, dass bei der demo jetzt die leute grundlos verhaftet wurden. da werden wohl die namen und die fotos beim vs bzw. beim staatsschutz archiviert. dann werden die leute freigelassen und beim nächsten mal umso mehr beobachtet.


ach ja, ganz nebenbei: ich weis, dass ich möglicherweise ein wenig paranoid bin (nach zwei hausdurchsuchungen durch zwei dutzend polizisten in 10 jahren bist du das automatisch).
aber zu glauben, dass die staatsschützer nicht alles mögliche und durchaus auch mal illegale unternehmen um den staat zu schützen, das ist beinahe dummheit. staatsschützer, das sind leute mit einer mentalität wie der schäuble, die würden auch schon mal foltern, wenn man sie das machen liese...

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