2. Verhandlungstag gegen Christian S.-Berlin

Unabhängige Prozessbeobachterin 06.12.2005 22:22 Themen: Antifa Repression
Eigentlich hatte die Richterin Linke des Berliner Strafgerichts geplant einen kurzen Prozess gegen Christian S. und Leila zu führen. Durch zu offensichtliche Ungereimtheiten bei den Beweismitteln und ein hartnäckiges Team von AnwältInnen musste sie allerdings einlenken und nun ist ein weiterer Prozesstag am 13.12.2005 bis zur endgültigen Urteilsverkündung geplant.
Noch einmal kurz die story...
Christian und Leila wird vorgeworfen sich am 13.02.2005 in Dresden an antifaschistischen Aktionen gegen den dort stattfindenden Naziaufmarsch beteiligt zu haben. Zwei Berliner LKA Beamte, die dort verdeckt ermittelten, wollen die beiden bei einem Flaschenwurf in Richtung Polizeikräfte beobachtet haben. Weiterhin sollen sie sich gegen die Festnahme gewehrt haben. Leila hatte eine Tasche mit etwas übertriebener Antifa-Selbstschutz-Grundausstattung (Pfeffer, Teleskopschlagstock, Pyro) dabei, die allerdings nie zum Einsatz kam. Weitere Beweise als die Aussagen der Cops gibt es nicht. Das allerdings reichte aus um Christian die letzten neun Monate in Untersuchungshaft zu halten und ihn permanent zu schikanieren.

Zum Prozess
Bereits vor Eintreffen der ersten Zuschauer, die zum Prozess von Christian wollen, befinden sich Beamte des LKA am Strafgericht, um die Eintreffenden in Augenschein zu nehmen. Wegen des Verlegens in des Prozesses in den Hochsicherheitsbereich im Saal 500, werden die Einlasskontrollen zu einer langwierigen Prozedur. Als würde er keine Aufmerksamkeit erregen, notiert sich ein Beamter des LKA Berlin die Namen der Personen, die in der Einlassschleuse durchsucht werden. Auch der Presse wird ein Beiwohnen am Prozess an diesem Tag schwer gemacht. Einem Journalisten wird erst nach langen Diskussionen stattgegeben am Prozess teilzunehmen. Eine Einschränkung des Rechts auf Öffentlichkeit beim Prozess sieht die Richterin Linke schließlich auch nicht durch das rigide Verhalten des LKA Beamten am Einlass verletzt. Zum Prozessauftakt stellt deshalb ein Anwalt einen Antrag auf Herausgabe dieser Notizen. Nachdem der Beamte des LKA, der nicht unter Klarnamen auftrat und stattdessen seine Codiernummer 33793 angab, vor die Richterin zitiert wurde, gibt er offen zu, dass es sich dabei um eine übliche Maßnahme handele. Er notiere sich auch bei Demonstrationen die Namen der TeilnerhmerInnen als Gedächtnisprotokoll. Als Grund gibt er an, dass dies für den Fall sei, dass im Nachhinein etwas passiere. Doch notiere er sich schließlich nur die Namen der Personen, die er bereits kenne. Obwohl eine solche Maßnahme nicht rechtmäßig ist, lehnt die Richterin den Antrag schließlich mit dem Vermerk ab, dass keinem Zuschauer dadurch untersagt wurde am Prozess teilzunehmen und eine solche Maßnahme auch auf richterliche Anweisung erfolgen könne – das Recht auf Öffentlichkeit sei nicht eingeschränkt.
Nach diesem Eingangsszenario bemühen sich die Anwälte um eine ungehinderte Verteidigung und beantragen eine Überprüfung der codierten Beamten beim Bundeszentralregister zur Feststellung ihrer Glaubwürdigkeit als Zeugen vor Gericht auftreten zu können. Begründet wird dieser Antrag mit dem Anführen verschiedener Vorfälle der jüngsten Vergangenheit, in denen sich Beamte hervortaten durch gewalttätiges Vorgehen (Die Proteste beim Zapfenstreich, die Razzia in der Discothek Jeton in Berlin Friedrichshain oder den Übergriff eines Einsatzbeamten gegen seinen Kollegen im Zuge der Castor Transporte). Nichts anderes wurde verfolgt, nach Ablehnung des vorherigen Antrages von Seiten des Gerichts, ein Verfahren heranzuziehen, das vor dem Landgericht verhandelt wird. In diesem Prozess aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität tritt einer der Zeugen, der im Verfahren gegen Christian seine Anonymität aufs empfindlichste wahren will, teils mit Klarnamen teils unter seiner Codiernummer auf. Dieser Antrag wird schließlich zurückgestellt mit dem Vermerk, dass dies für die Beweisaufnahme im Prozess nicht von Belang sei. Anzumerken ist, dass Staatsanwalt Fenner bereits im Besitz versiegelter Umschläge der Senatverwaltung für Inneres ist, die Auskunft über die Identität der codierten Zeugen des LKA enthalten. Er sei jedoch nicht befugt diese zu öffnen. Ein Antrag auf Ladung von Frau Schrade aus der Senatverwaltung des Inneren, die befugt wäre eine Preisgabe der Identität anzuordnen, wird ohne Begründung abgelehnt.

Auf welche Beweismittel sich die Verteidigung von Christian und Leila stützen darf, bleibt allerdings ein Rätsel. Die als Beweismittel herangezogenen Videoaufnahmen vom 13. Februar
Weisen eklatante Lücken auf, die gerade den Tatezeitpunkt erfassen. Auf einen Antrag der Verteidigung ein anderes Verfahren heranzuziehen, um das vollständige Videomaterial der Geschehnisse zum vermeintlichen Tatgeschehen zu erhalten, erklärt Staatsanwalt Fenner, dass er davon ausgehe, dass es gar kein ungeschnittenes Filmmaterial mehr gebe. Ferner habe er sich um die Akte bemüht, aber nicht bekommen. Zudem verliest er ein Vermerk des KOK Fabian, dem zu Folge das gesamte Filmmaterial nach Berlin gesandt worden sei. Auch den kräftigen Argumenten der Verteidigung zum Trotz will die Richterin die Vernehmung des ersten Zeugen nicht zurückstellen, um auf das gesamte Filmmaterial zu warten und setzt eine Fortführung des Verfahrens durch.

Bühnenreif tritt er dann auf, der verdeckte Ermittler des LKA mit der Nummer: 56766. Identitätsverschleiert mit langen strähnig fettigen Haaren, ausgestopft, um die Figur zu verhüllen. In den Saal geleitet wird er effekthascherisch von drei weiteren Beamten der PMS als Sichtschutz für ihn. In kurzen Sätzen schildert er den vermeintlichen Verlauf der Tat, bei der er Christian von hinten beobachtet haben will wie dieser eine Flasche auf Polizeibeamte in Dresden geworfen haben soll. Die ihm nahe stehende Leila soll dann Christian noch Steine angeboten haben, die dieser aber ablehnte zu werfen. Nach dieser Beobachtung verständigte er die Einsatzkräfte des LKA Berlin, die in Dresden vor Ort waren, die Christian schließlich festnahmen. Weitere Fragen des Staatsanwalts, die lediglich eine Beantwortung mit Ja oder Nein zulassen, deuten sichtlich darauf hin, dass man von dem Zeugen hören will, dass ein Landfriedensbruch vorlag.
Unvorbereitet trifft ihn dann die Frage, ob er sich bedroht fühle. Das verneint die Nummer 56766 – auch wisse er nicht von Kollegen, die sich bedroht fühlen. Verunsichert spricht er ständig so leise, dass er wiederholt darauf hingewiesen werden muss sein Mikro einzuschalten. Erst durch einen Hinweis der Richterin, dass er auch Fragen zurückstellen könne, da diese nicht von seinem Aussagerecht als verdeckter Ermittler erfasst seien, bemüht er sich mit dem plumpen Verweis auf das in der Akte Dargelegte weitere Fragen nicht beantworten zu wollen.

Erlöst wurden von diesem Possenspiel ZuschauerInnen und die Angeklagten erst, als die Verteidigung darauf drängte, dass der inhaftierte Christian mit Essen versorgt werden müsse. Versuche der Richterin die Gerichtsdiener zu überzeugen, ob man dem Angeklagte Essen aus der Kantine holen könne, schlugen fehl.
Für Verwirrung sorgten dann standing ovations der ZuschauerInnen, nachdem auch Staatsanwalt Fenner sagte, dass man den Angeklagten nicht foltern wolle und die Verhandlung beenden solle, damit Christan etwas zu essen bekomme.

Auch am nächsten Verhandlungstag ist eine Unterstützung des Prozesses durch eine rege Öffentlichkeit notwendig. Am 13.12.2005 wird die Verhandlung um 9.15 Uhr in der Turmstraße 91 im Saal 138 fortgesetzt.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

1.Mai Berufungs-Prozess gegen Clemens

Soligruppe 06.12.2005 - 22:51
1.Mai Berufungs-Prozess gegen Clemens

Am 09. ,16, 23. und 30. Dezember 2005 findet vor dem Berliner Landgericht die Hauptverhandlung über die Berufung gegen das Urteil vom 6.11.2000 gegen Clemens aus Hamburg statt.

Vorgeschichte:
Ende April 2000 bekam C. Besuch vom Landeskriminalamt(LKA) Berlin, die ihm einen Brief(Gefährdungsansprache) übereichten: „nach polizeilichen Erkenntnissen sind Sie in der Vergangenheit als Teilnehmer an gewalttätigen Versammlungen festgestellt worden.“ „Gewaltbereite Kreise nutzen in den vergangenen Jahren die Veranstaltungen am 1.Mai zur Begehung von Straftaten. Wir weisen Sie darauf hin, dass gewalttätige Handlungen einen Verstoß gegen geltende Gesetze darstellen. Die Polizei wird ihrem gesetzlichen Auftrag entsprechend derartige Gesetzesverstöße konsequent verfolgen.“
„Falls Sie die Absicht haben, sich an den Veranstaltungen zum diesjährigen 1.Mai zu beteiligen, appellieren wir an Sie, dies friedlich zu tun.“

1.Mai 2000: Imperialistische Zentren angreifen! Soziale Revolution weltweit!
Innensenator Werthebach und die Polizeiführung heizten die Stimmung schon im Vorfeld vor dem 1.Mai an. Die formell angemeldete Route durch die Nobeleinkaufsmeile Friedrichstraße und durch das Regierungsviertel in Berlin-Mitte wurde von den Bullen verboten. Das Demo-Verbot für die Innenstadt und das Regierungsviertel wurden bis in die letzte Instanz gerichtlich durchgefochten und dann bestätigt.
Trotz der massiven Hetze im Vorfeld und etlichen Auflagen gegen die Demo gingen 15.-20.000 Menschen in Berlin-Kreuzberg auf die Straße.
Stunden nach der Demonstration wurde C. vor einem Imbiss in Kreuzberg von mehreren Beamten der zivilen Sondereinheit PMS (Politisch motivierte Straßengewalt) festgenommen. C. wurde in ein zivilen VW-Bus verschleppt, und an einen unbekannten Ort gefahren, hier wurde C. von mehreren Zivis zusammengeschlagen und beschimpft. C. erlitt mehrere Rippenbrüche und Prellungen am Körper. Danach stellte sich C. ohnmächtig, und wurde darauf zum Notarzt gebracht, von da aus ging es dann weiter zur Gefangenensammelstelle Tempelhofer Damm. Nach ein paar Stunden kam C. vor den Haftrichter, und Richter Staupe unterschrieb den schon zuvor formulierten Haftbefehl ,und ordnete Untersuchungshaft in der JVA-Moabit an. Begründung:„Der Beschuldigte verfügt über keine festen sozialen Bindungen, ist arbeitslos und ohne familiäre Bindungen.“ „Es steht zu besorgen, das der Beschuldigte versuchen wird, sich dem laufenden Verfahren zu entziehen.“ „Die Anordnung der Untersuchungshaft ist daher verhältnismäßig.“
Aufgrund der guten Arbeit von C. seinem Anwalt und der breiten Solidarität die seit der Verhaftung lief, bekam C. nach 3 Wochen U-Haft (gegen eine Kaution von 15.000.- Euro, und dreimal wöchentlich bis zum Prozess bei den Bullen melden) Haftverschonung.

Bilanz:
Am 1.Mai 2000 besetzten 6.500 Bullen aus mehreren Bundesländern mehrere Berliner Stadtteile.
Es gab 401 Festnahmen, 29 Haftbefehle, davon 18 Haftverschonungen, 11 Leute kamen in U-Haft.

Nachgeschichte:
Am 6.11.2000 wurde Clemens vom Amtsgericht Tiergarten wegen schweren Landfriedensbruch, Körperverletzung, und Sachbeschädigung zu 10 Monaten auf 3 Jahren zur Bewährung verurteilt.
Gegen das Urteil legten C. Verteidiger und die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Der politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft war das Urteil zu niedrig.
Das Strafverfahren gegen „unbekannte Polizeibeamte“ wegen Körperverletzung im Amt
(die C. zusammengeschlagen haben) gammelt in irgendwelchen Schubladen weiter vor sich hin.

Kommt zum Berufungs-Prozess gegen Clemens! Solidarität ist eine Waffe!
1. Prozesstag: Freitag, 09. Dezember 2005, Raum B305, 10 Uhr
2. Prozesstag: Freitag, 16. Dezember 2005, Raum B305, 10 Uhr
3.Prozesstag: Freitag, 23. Dezember 2005, Raum B305, 10 Uhr
4. Prozesstag: Freitag, 30. Dezember 2005, Raum B305, 10 UhLandgericht

Berlin, Turmstraße 91, Berlin/Moabit

Kontakt:  Prozessgruppe1.Mai@web.de

pms=politisch motivierte straftaten

kommunist 16.12.2005 - 11:20
pms=politisch motivierte straftaten

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

EGH=MAFIA — 33793