Ökoverbände werden Depots für Billig-Anbieter

Freimut 30.11.2005 23:41 Themen: Ökologie
die berliner umweltverbände kommen immer mehr auf den hund.
die "teekampagne" hat gleich vier umweltorganisationen als "kooperationspartner" und "depots" für ihren billig-tee gewonnen.
was viele nicht wissen: die teekampagne der selbsternannten "projektwerkstatt" hat mit umweltgerechtem anbau oder fairem handel nichts zu tun.
bei gleich vier berliner umweltorganisationen kann man jetzt billig "teetrinken für den naturschutz".
der bund für umwelt und naturschutz (bund), die stiftung naturschutz, das ökowerk und der fahrrad-club adfc sind jetzt "kooperationspartner" oder "depots" (!) für die sogenannte teekampagne:
 http://www.teekampagne.de/de-de/depots.html
 http://www.bund-berlin.de/index.php?id=560
 http://www.stiftung-naturschutz.de/shop/tee.php

dieser tee ist zwar rückstandsarm, aber weder ökologisch angebaut noch irgendwie fair gehandelt - sondern vor allem "extrem preisgünstig" (o-ton stiftung naturschutz).

vor dem hintergrund des berliner sparkurses setzt sich damit der ausverkauf von inhalten und engagement zugunsten rein wirtschaftlicher erwägungen bei den umweltverbänden fort.

zwei berliner umweltverbände, der bund und die grüne liga, waren erst kürzlich wegen ihrer kooperationsprojekte mit einer tochterfirma des stromkonzerns enbw in die kritik geraten.
 http://de.indymedia.org//2005/06/118696.shtml
 http://www.naturenergie.de/bund-berlin/

das entstehen einer neuen, unabhängigen ökoszene wie in den achtzigerjahren lässt dagegen auf sich warten - die meisten ehemaligen aktiven vergraben sich in ihren lokalen projekten oder sind mit dem ausfüllen von hartz-vier-anträgen beschäftigt.
"erst wenn die umweltvereine pleite sind oder so sehr am tropf von konzernen und staat hängen, dass es auch dem letzten unangenehm auffällt, entsteht etwas neues", glaubt r., ein langjähriger aktivist.
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Ergänzungen

Mehr Infos?

_rotfront_ 01.12.2005 - 11:07
Kann da jemand nähere Infos zu geben? Ich weiss über diese Teekampagne nicht viel, aber aufgrund von Erscheinungsbild und Wortwahl bin ich schon immer davon ausgegangen, dass das irgendwie öko-alternativ ist und meine, auch mal gehört zu haben, dass das aus der alten Umweltbewegung hervorgegangen ist.
Mehr darüber zu wissen fänd ich interessant.

Ansonsten gilt natürlich: Die Umweltverbände ham inzwischen haufenweise fragwürdige Wirtschaftskooperationen (der BUND z.B. mit der Post, Karstadt), insofern nichts neues.

Mehr Infos: Die Teekampagne

bronni 02.12.2005 - 11:36
Diesen Weg Tee einzukaufen gibt es seit 1985. Professor Faltin, ein Wirtschaftspädagoge der Universität Berlin, erprobt hier sein "intelligentes Wirtschaftsprinzip". Unterschiede zum "herkömmlichen" Handel:

* Verkauf einer einzigen Teesorte (anfangs ausschließlich reiner Darjeeling first flush, mittlerweile auch reiner Darjeeling second flush, da der first flush nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht) - durch die Beschränkung auf eine Sorte entstehen günstige Bedingungen für den Einkauf
* ausschalten der Zwischenhändler
* den Tee gibt es nur einmal im Jahr, wodurch Lager-, Miet- und Vertriebskosten gespart werden
* erhältlich sind nur große Verpackungseinheiten (250 und 1000 g)
* kaufen kann man den Tee in Berlin in kleinen Läden, außerhalb Berlins nur über den Versandweg
* regelmäßige Rückstandsuntersuchungen und Analyseergebnis auf der Verpackung
* Unterstützung von Projekten zur Minimierung des Pestizideinsatzes
* Gründung eines "Fonds für Wiederaufforstung in Darjeeling" zur Bekämpfung der Erosion
(Übernommen aus: Günter Neuberger, Zum Beispiel Tee, S.96)

Mit all diesen Punkten wirbt die Teekampagne, doch vieles stößt auf harte Kritik; vor allem von der Seite des Teefachhandels.

Die Beschränkung auf nur eine Sorte lässt sich natürlich auch als "Trinkdiktatur" auslegen. Der Konsument hat keine Wahl. Andererseits wird durch die Beschränkung auf Darjeeling ein Teeanbaugebiet unterstützt, das schon vom Namen her sehr bekannt ist und die höchsten Preise für seine Tees erzielt. Alle anderen Anbaugebiete haben keine Chance in die Kampagne aufgenommen zu werden während Darjeeling gar nicht eine solch große Menge produzieren kann, wie der Markt verlangt. Nach einer Schätzung des Teaboard of India, werden jährlich 40 000 Tonnen "reiner" Darjeeling verkauft, obwohl nur 10 000 Tonnen produziert werden!

Die anderen Argumente kamen immer wieder ins Wanken, vor allem Großhändler und Dritte-Welt-Läden werfen Faltin Geschäftemacherei, Dummenfang mit sozialen Argumenten und Selbstverständlichkeiten vor.

Tatsächlich ist:

* der Zwischenhandel nicht wirklich ausgeschaltet, denn der Tee wird über die Firma Inter Tee in Hamburg gekauft.

* jeder "reine Darjeeling", der unter diesem Namen in Deutschland verkauft wird, muss auch rein sein (Reinheitsgebot für Darjeeling ist gesetzlich vorgeschrieben)

* eine Rückstandsanalyse in der Teebranche eine Selbstverständlichkeit

* Darjeeling, dank des kühlen Klimas und dem dadurch relativ geringen Einsatz von Pestiziden, eine der rückstandsfreiesten Teesorten

* in einem Infoblatt der Welt Läden heißt es, die Teekampagne kaufe den Tee bei privaten, kommerziellen Teehändlern und Großgrundbesitzern, die einen Teil des Tees von den eigenen Plantagen liefern und den Rest an der Börse zukaufen. Dadurch profitieren also in Indien die Großgrundbesitzer und Börsenmakler und nicht die Teearbeiter

Der BUND beendete die Kooperation

buju-freak 02.12.2005 - 11:41
... mit Naturenergie, nachdem der Geschäftsführer durch einen neuen abgelöst wurde, der aus der praktischen Umweltarbeit (Verkehrsini) kommt. Die angegebene Website wurde wohl nur noch nicht gelöscht.

Tee-Aktion gibts auch öko-fair-links

Teeo 02.12.2005 - 12:40
Auch Ökotopia, ein Projekt im Mehringhof, macht grade eine "TeeAktion". Dieser Darjeeling ist bio ("kbA") und fair gehandelt (nach strengeren Kriterien als "Transfair").
 http://www.oekotopia-berlin.de

Knallharte Kapitalisten

Søren 05.12.2005 - 03:50
Wer noch zweifelt, ob die Teekampagne nicht doch irgendwie ok ist (schließlich haben sie nach eigenen Angaben ein Aufforstungs- und Bildungsprojekt mit dem WWF-India und waren neulich mal wieder Öko-Test-Sieger), dem seien einige Zeilen zur Kenntnis gegeben, die Geschäftsführer Thomas Räuschle vor vier Jahren an den Domaininhaber von www.projektwerkstatt.de gerichtet hat, um diesen zur Übertragung der Domain-Rechte an die Teekampagne zu bewegen:

"Durch den Umstand, dass Sie die Domain 'projektwerkstatt.de' halten, kommt es regelmäßig zu 'Verwunderungen' und teilweise auch zu extremer Verärgerung bei unseren Kunden", schrieb Herr Räuschle sehr forsch zur Begründung - um dann ohne Vorwarnung ganz unverhüllt zu drohen:

"Uns ist natürlich bekannt, dass die aktuelle Rechtsprechung in durchaus vergleichbaren Situationen sehr deutlich zu Gunsten der Unternehmen ausgerichtet ist."

So ein plumpes und unappetitliches Vorgehen hat bei mir zunächst Verwunderung ausgelöst - die gleich darauf extremer Verärgerung gewichen ist...

(Zitate: www.projektwerkstatt.de)

Teekampagne ist Verbraucheraufklärung!

karina 06.12.2005 - 13:56
Auf mich machen diese Einträge den Eindruck, da würden sich welche ordentlich den Frust von der Seele schreiben und dabei leider auf das völlig falsche Unternehmen einschlagen! Ich bin bereits seit vielen Jahren Kundin der Teekampagne und kenne Leute, die bereits seit Anfang an zu den Kunden zählen, kenne also die Geschichte aus erster Hand.
Das Problem der Warenverfälschung ist besonders in Darjeeling eklatant (Klar, den Champagner unter den Tees zu fälschen lohnt viel mehr, als irgendein Billigprodukt zu kopieren). Ich finde es schon bemerkenswert, dass die Teekampagne auf ein eigenes Logo verzichtet hat und das Siegel des Tea Board of India unterstützt, um darauf hinzuweisen, dass die Teeproduzenten durch Fälschungen (10.000 werden produziert und 40.000 werden verkauft!) herbe Verluste erleiden.
Was ist wohl fairer, ein Unternehmen, dass den Produzenten einen Zugang zum Markt ermöglicht oder eines, dass sich lediglich für eine Sorte Tee ein TransFair Etikett "kauft" (ja, so etwas kostet nämlich Gebühren und ratet mal, wer die bezahlen muss?)und sich abfeiern lässt und vielleicht noch nicht einmal sortenreinen Darjeeling verkauft?
Ich sehe mich auch ab und zu in anderen Teegeschäften um, aber ich habe noch kein anderes Unternehmen gefunden, dass einen Lizenzvertrag mit dem Tea Board of India abgeschlossen hat und offen legt, wie viel Darjeeling Tee eingekauft und weiter verkauft wird...Ich befürchte mal viele nehmen es da nicht so genau mit der Warendeklaration und verkaufen uns irgend ein Kraut als Darjeeling!
Und wo wir gerade beim Thema Deklarieren sind. Kennt ihr ein Unternehmen, dass seine Preiskalkulation offen legt? Bei der Teekampagne wird über die Hälfte des Endverbrauchspreises für den Einkauf ausgegeben. Das ist enorm viel, erzähle mir also keiner, dass die Preise, die an die Produzenten gezahlt werden nicht fair sind! Die Weltmarktpreise für Tee sind in den letzten Jahren gefallen, nur die für Darjeeling nicht, weil die Nachfrage größer ist als das Angebot. (Das ist Marktwirtschaft im wahren Sinne und hat mit Kapitalismus nichts zu tun!)
Die Teekampagne kauft übrigens direkt bei den Produzenten und nicht über Intertee (das war nur ganz am Anfang so, als ihnen keiner Tee verkaufen wollte)! Natürlich profitieren auch die Teepflücker, wenn die Produzenten direkt und ohne Zwischenhandel an die Teekampagne verkaufen, weil sie gleich einen guten Preis bekommen. Teepflücker in Darjeeling gehören zu gut verdienenden Arbeitern in Indien und sind gewerkschaftlich organisiert. Die Sitúation ist nicht zu vergleichen mit kleinbäuerlichen Strukturen, wie man sie zum Beispiel vom Kaffee oder Kakao kennt...
Wenn man sich mal Rückstandsanalysen aus den späten 80er oder frühen 90er Jahren ansieht erkennt man, das sich viel getan hat. Die Rückstände von Pestiziden etc. sind stetig zurück gegangen, wenn die Teekampagne da nicht den Finger in die Wunde gelegt hätte, kann ich mir kaum vorstellen, dass ein anderer Teehändler es riskiert hätte...
Mit freiwilligen Angaben halte sich nämlich viele sehr vornehm zurück
...und das lässt mich als Verbraucher schlimmes vermuten.
Ich wünschte, es gäbe mehr Unternehmen wie die Teekampagne!

Das TransFair-Siegel wird nicht "gekauft"

Bettina von Reden 22.12.2005 - 11:13
Das TransFair-Siegel ist das einzige unabhängige Siegel in Deutschland, dass nach klar definierten und strengen Fairhandels-Kriterien für Produkte vergeben wird, die diese erfüllen. Hierfür zahlt das Unternehmen eine geringe Lizenzgebühr, die die Kontrolle und die Öffentlichkeitsarbeit für das Siegel finanziert. Als gemeinnütziger Verein macht TransFair hiermit keinerlei Gewinn. Die Lizenzgebühr wird vom Lizenznehmer, das heißt von dem deutschen Importeur oder Händler bezahlt und geht nicht zu Lasten der Produzenten in den Ländern des Südens. Diese erhalten langfristig festgelegte höhere Preise als auf dem Weltmarkt und zusätzlich Prämien zur Finanzierung sozialer Projekte. Im Fall von Tee beträgt die Prämie pro Kilo 50 Cent bis 1 Euro je nach Sorte und Qualität. Die Lizenzgebühr beträgt nur 42 Cent, bzw. 28 Cent, wenn der Tee im Ursprungsland verpackt wurde, dies gibt einen Anreiz für Importeure vor Ort packen zu lassen und bietet damit zusätzliche Einkommensquellen für die Menschen vor Ort.

Welche Kriterien zu erfüllen sind, ist auf  http://www.transfair.org/produkte/tee/Wissenswertes.php nachzulesen.

Zur Fairness der Teekampagne kann TransFair sich nicht äußern, da sie sich nicht im Fairtrade System registrieren und überprüfen lassen hat.

Mit freundlichen Grüßen
Bettina von Reden - TransFair e.V.

Darjeeling der Teekampagne ist bio und fair

K. Gassert 06.02.2012 - 13:08
Der Beitrag ist von 2005 und bedarf dringend der Aktualisierung:
Wenn ein Unternehmen im Teehandel fair ist, dann sicherlich die Teekampagne. Über die Hälfte des Endpreises wird für den Tee im Einkauf bezahlt, das kommt natürlich auch den Beschäftigten in den Teegärten zugute. Der Tee ist also nicht "billig", sondern preisgünstig, weil im Unternehmen viele unnötige Kosten eingespart werden, z.B. durch Großpackungen, Direktversand, geringes Werbebudget etc. Für die Teekampagne ist nachhaltiges Wirtschaften eine Selbstverständlichkeit - so wurde bereits 1992 ein Wiederaufforstungsprojekt in Darjeeling gestartet, das bis heute ausschließlich durch die Teekampagne finanziert wird.
Um zahlreiche andere Aktivitäten ergänzt bringt es den Menschen vor Ort Umweltschutz näher (z.B. Regenwasser-Auffangtechniken, Bio-Gemüse-Anbau) und zeigt ihnen zusätzliche Einkommensmöglichkeiten auf, z.B. durch das Ziehen von Baumsetzlingen, Imkerei.
In dem Zuge, in dem immer mehr Teegärten in Darjeeling auf biologischen Landbau umgestiegen sind, konnte auch das Angebot an Tees in Bioqualität ausgebaut werden. Seit 2010 gibt es ausschließlich Tees aus kontrolliert biologischem Anbau bei der Teekampagne.

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