Weihnachtsmarktdemo in Erfurt

Unterstützer 25.11.2005 22:55 Themen: Antifa Freiräume
Ohne besetztes Haus - fällt das Weihnachtsfest aus!" konnte heute so macheR BesucherIn des Erfurter Weihnachtsmarktes auf einem Flugblatt lesen. Doch nicht nur Flugblätter verteilten die etwa 30 BesetzerInnen und UnterstützerInnen des ehemaligen Topf&Söhne-Geländes. Mit Transparenten, Plakaten und Sprechchören störten sie ein klein wenig die festliche Stimmung. - Die Aktionen gegen einen Verkauf des Geländes durch die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) haben begonnen. Wir sagen: "LEG dich nicht mit uns an!"
Im Hintergrund leuchtet der Erfurter Dom. Ringsum Weihnachtsbäume, Pyramiden, Fressbuden und Blaskapellen: Der Weihnachtsmarkt hat begonnen.
Um 17 Uhr treffen sich zwischen 20 und 30 Personen vor der Stadtbibliothek auf dem Erfurter Domplatz und ziehen mit Flugblättern, Plakaten und Transparenten "bewaffnet" in die sich im Weihnachtstaumel befindende Menschenmenge. "Topf und Söhne bleibt besetzt!" - Nach ersten Sprechchören drehen sich die ersten erschrocken um. Manche lächeln und lesen die Flugblätter. Andere schimpfen: "Warum gerade auf dem Weinachtsmarkt?" Warum? Oft kommt die Antwort: Kameras blitzen, Menschen diskutieren, kommentieren und solidarisieren sich (vielleicht). Der Weihnachtsmarkt ist das touristische Highlight der Landeshauptstadt Thüringens. Ein sensibler Ort - genau richtig für unser Anliegen.
Irgendwann bekommt auch die Bullerei erste Verstärkung. Sie überlegen ihre Taktik, können sich aber anscheinend nicht richtig einigen. 300 Flugblätter später und nach einigem Spektakel kehrt auf dem Markt wieder
weihnachtliche Stimmung ein. Manche überlegen vielleicht dennoch, ob das diesjährige Weihnachtsfest nur deshalb versaut werden soll, nur weil in Erfurt ein besetztes Haus plattgemacht wird.


Hintergrund:
Seit 4 1/2 Jahren ist ein Teil des ehemaligen Topf&söhne-Geländes nun schon besetzt. (mehr Infos siehe: http://www.de.indymedia.org/2005/11/133515.shtml)Nun will die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) das gesamte Gelände kaufen. Ein Großteil der Gebäude sollen abgerissen werden. Lediglich das ehemalige Verwaltungsgebäude soll stehenbleiben - die Stadt Erfurt will es kaufen. Sie will es dem "Förderkreis Topf&Söhne" zur Verfügung stellen, der dort eine Ausstellung über die Rolle der Firma im Nationalsozialismus einrichten möchte. Topf&Söhne produzierte im NS die Krematoriumsöfen und Belüftungsanlagen für Gaskammern in Konzentrationslagern. (mehr Infos:  http://www.topf-holocaust.de)
Die BesetzerInnen begrüßen die Initiative des Förderkreises für einen Geschichtsort Topf&Söhne und setzen sich für eine praktische Umsetzung ein. Gleichzeitig kämpfen sie für den Erhalt ihres Projektes. Eine Parzellierung des Geländes wäre nur eine denkbare Möglichkeit.

Topf & Söhne bleibt besetzt! L.E.G. dich nicht mit uns an!
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Ergänzungen

korrektur

unterstützer 25.11.2005 - 23:13
ich meine natürlich (ende erster absatz): "..nur weil ein besetztes haus plattgemacht werden SOLL". (nicht "wird").

text vom flugblatt

whynachtsmann 26.11.2005 - 00:23
Ohne besetztes Haus – fällt das Weihnachtsfest aus!

Irgendetwas ist heute anders als sonst - Flugblätter und Transparente
sind schließlich kein alltägliches Bild auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt. Da
dieser jährlich unter großem Trubel eröffnet wird, nutzen wir heute die
Öffentlichkeit um auf uns aufmerksam zu machen.
„Wir“, das sind die BesetzerInnen des ehemaligen Topf & Söhne-Gelände in der
Weimarischen Straße.
Vor über 4 ½ Jahren wurde ein Teil dieser verfallenen Industriebrache
besetzt. Dadurch entstand im Laufe der Zeit ein Projekt, welches
Räumlichkeiten für Veranstaltungen, Bandproben, Konzerte und ähnliches
ermöglicht. Nicht zuletzt bietet es Menschen einen Platz zum Leben.
Ausgehend von diesem Haus wird Kritik an gesellschaftlichen
Zuständen, wie Antisemitismus, Sexismus, Rassismus und Kapitalismus,
geübt. Auch die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Geländes
und seiner Rolle im Nationalsozialismus und der Shoa spielt eine wichtige
Rolle. Die Erfurter Firma Topf & Söhne produzierte im
Nationalsozialismus die Krematoriumsöfen und Gasabzugesanlagen für
zahlreiche Konzentrationslager, wie Auschwitz und Buchenwald. Seit Beginn
der Besetzung im April 2001 setzten sich NutzerInnen des besetzten Hauses
mit diesem Hintergrund auf Veranstaltungen und in Diskussionen
auseinander. In der Region bekamen dadurch besonders junge Leute ein
Bewusstsein für die Problematik.
All das könnte jedoch schon bald zu Ende sein: Das Topf & Söhne – Gelände,
auf dem sich das besetzte Haus befindet, soll gegen Ende des Jahres an die
Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen (LEG) verkauft werden. Bisher
befindet es sich in der Verwaltung eines Notverwalters, der die Besetzung
jahrelang geduldet hat.
Die Pläne der LEG sehen vor, den Teil des Geländes, auf dem sich das
ehemalige Verwaltungsgebäude der Firma Topf & Söhne befindet, der Stadt
weiterzuverkaufen, damit dort ein Geschichtsort eingerichtet werden kann.
Die Umsetzung dieser Forderung des Förderkreises "Geschichtsort Topf &
Söhne" finden wir natürlich gut, da es doch ein Zeichen dafür ist, dass die
Stadt Erfurt nach jahrelanger Ignoranz beginnt, sich mit der Geschichte der
Firma auseinanderzusetzen. Andererseits beinhaltet der Plan auch die
wirtschaftliche Verwertung des restlichen Geländes, was bedeutet: Abriss der
noch stehenden Gebäude und Ansiedlung von einem Wohn- und Gewerbegebiet.
Dieser geplante Abriss würde natürlich auch unser Projekt betreffen.
Deshalb fordern wir sowohl die Umsetzung des Geschichtsortes im ehemaligen
Verwaltungsgebäude als auch die Erhaltung unseres Projektes.
Bis es eine politische Lösung gibt, machen wir weiter Druck auf der Strasse.

Topf & Söhne bleibt besetzt!
LEG dich nicht mit uns an!

hihi

arschtritt 26.11.2005 - 00:33
ein kleiner eindruck vom flyer - sehr weihnachtlich ;-)

erklärung der pressegruppe

mediah 26.11.2005 - 01:08
Presseerklärung 25.11.2005



Protestaktion auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt


BewohnerInnen und UnterstützerInnen des besetzten Hauses auf dem ehemaligen
Topf&Söhne – Gelände haben heute auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt gegen die
Abrisspläne der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) protestiert.
„Besetztes Haus bleibt!“ war auf einem mitgeführten Transparent zu lesen.
Die etwa 30 DemonstrantInnen trugen Schilder mit Aufschriften wie „Bringt
den Topf nicht zum Überlaufen!“, „LEG dich nicht mit uns an!“ oder
„Besetztes Haus erhalten statt Bauland verwalten!“. Bei der etwa 20minütigen
Spontandemonstration wurden außerdem Flugblätter unter dem Motto „Ohne
besetztes Haus – fällt das Weihnachtsfest aus!“ verteilt. „Wir haben den
Weihnachtsmarkt als Kundgebungsort gewählt, da hier eine große
Öffentlichkeit auf unser Anliegen aufmerksam gemacht werden kann“, erklärte
Markus Müller, Pressesprecher der BesetzerInnengruppe.

Wie vor einigen Wochen bekannt wurde, plant die
Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) den Abriss und Verkauf des ehemaligen
Topf&Söhne-Geländes. Die Stadt Erfurt möchte das ehemalige Verwaltunggebäude
kaufen, um es dem „Förderkreis Topf&Söhne“ für eine Ausstellung über die
Firmengeschichte zur Verfügung zu stellen. Die Firma Topf&Söhne produzierte
im Nationalsozialismus die Krematoriumsöfen und Belüftungsanlagen für
Konzentrationslager. „Wir begrüßen die Initiative des Förderkreises für
einen Geschichtsort Topf&Söhne“, erklärte Markus Müller. Dennoch wollen die
BesetzerInnen auch ihr politisches Wohn-, Kunst-, und Kulturprojekt erhalten
und fordern den Erhalt des besetzten Hauses. Eine Unterteilung des Geländes
wäre eine denkbare Möglichkeit, das Projekt des Förderkreises zu ermöglichen
und gleichzeitig die Existenz des besetzten Hauses zu sichern.

„Mit der heutigen Aktion auf dem Weihnachtsmarkt haben wir erstmalig auf
unsere Situation aufmerksam gemacht“, sagt Markus Müller. Der Protest soll
in den kommenden Monaten fortgesetzt werden.


Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich unter 0173-811 97 49 oder
e-mail:  pressegruppe@web.de zur Verfügung.
Weitere Informationen erhalten sie auf der Website des besetzten Hauses
unter:  http://www.topf.squat.net


Mit freundlichen Grüssen
Markus Müller

printausgabe

fdg 26.11.2005 - 01:41
indymedia erfurt hat zum thema eine printausgabe zusammengestellt. sie ist unter  http://erfurt.staughton.indypgh.org/news/2005/11/90.php abrufbar. downloaden - ausdrucken - kopieren - verteilen

@zweifelnder

erfurter 26.11.2005 - 13:03
topf&söhne ist in erster linie ein ort der täter - also wird hier nich das andenken der opfer verunglimpft (oder wie du das meinst)ausserdem versuchte gerade auch die besetzergruppe (neben dem förderkreis) überhaupt erstmal die geschichte der firma topf&söhne bekannt zu machen. auf dem verfallenen gelände wurde ein rundgang installiert (den gibts auch virtuell:  http://www.topf.squat.net/topf/virtueller_rundgang/index.html) ausgehend vom gelände wurde gegen naziaufmärsche, antisemitismus etc. interveniert. und natürlich: warum sollen wir an diesem ort nicht feiern!
schau dir doch mal die website an - dann erfährst du ein paar hintergründe!

@ zweifelnder

ich 26.11.2005 - 13:16
Du verwechselst da was entscheidendes: Der Geschichtsort auf dem Topf & Söhne Gelände wird keine Gedenkstätte werden. Es gibt auf diesem Gelände nichts, dessen gedacht werden müsste - es ist ein Ort an dem die Täter des Holocausts beschäftigt waren, kein Ort an dem die Opfer gestorben sind. Deshalb sollte die Auseinandersetzung hier auch anders aussehen, als in Gedenkstätten in ehemaligen Konzentrations- oder Vernichtungslagern.
Die BesetzerInnen sind sich des Gegensatzes schon bewusst, Konzerte auf diesem Gelände zu organisieren, hier zu leben und ihr Projekt hier zu betreiben. Deshalb findet seit Beginn der Besetzung auch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Topf & Söhne (und natürlich nicht nur mit diesem Thema) statt.
Wenn du mal einen Blick auf die Homepage ( http://www.topf.squat.net) geworfen hättest, hättest du dort zum Beispiel einen virtuellen Rundgang ( http://www.topf-rundgang.de) über das Topf & Söhne Gelände und eine Seite mit Texten zu verschiedenen Aktionen, die die BesetzerInnen in den letzten Jahren geschrieben haben, gefunden. Was bei Kommentaren wie diesem auch immer unter den Tisch fällt, ist, das die BesetzerInnen auch einen Teil dazu beigetragen haben, dass sich in Erfurt mit der Geschichte der Firma überhaupt auseinandergesetzt wird.
Es geht bei dem Versuch des Erhalts dieses Projekts eben nicht nur darum, einen Ort für Parties zu haben, sondern vor allem darum, ein Projekt zu erhalten, dass sich kritisch mit der Geschichte und der heutigen Gesellschaft auseinandersetzt. Zumindest zum letzteren Aspekt wird ein städtisch finanzierter Geschichtsort wohl eher nichts beitragen können.

tlz - artikel

weiss ich nicht 28.11.2005 - 21:13
TLZ-Lokal vom 28.11.2005

Weihnachts-Demo
Gegen die Abrisspläne der LEG auf dem Gelände von Topf&Söhne, haben auf dem Weihnachtsmarkt am Wochenende etwa 30 Befürworter eines Kunst- und Kulturprojektes demonstriert. Es soll auf dem Gelände ein Ort erhalten bleiben, an dem eine Ausstellung zur Firmengeschichte und den damaligen politischen Gegebenheiten Platz finden soll. In den nächsten Tagen soll die Aktion fortgesetzt werden. Für den heutigen Montag hat sich die Stadtratsfraktion der Linkspartei für einen Vor-Ort-Termin auf dem Gelände angekündigt.

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