Antifaschismus ist Terrorismus in Spanien?

RAlf Streck 23.11.2005 08:55 Themen: Antifa Weltweit
Am 30. Jahrestag des Tods des spanischen Diktators Franco haben am Samstag in verschiedenen Städten Spaniens Antifaschisten demonstriert. Die Demo in Madrid, an der etwa 3000 Menschen teilgenommen haben, sollte wegen „Verherrlichung des Terrorismus“ verboten werden, weil sie an die Opfer des Faschismus erinnert hat.
Es begann mit einer Anzeige der Vereinigung der Terrorismusopfer (AVT). Die wollte damit verhindern, dass in Madrid mit einer Demonstration an die Opfer des Faschismus erinnert wird. Die Antifaschistische Koordination hatte, wegen des 30. Todestags des Diktators Franco am Sonntag dazu aufgerufen, den Opfern mit dem Marsch zu gedenken. Sogar ein Staatsanwaltschaft am Nationalen Gerichtshof Juan Moral hat den Ermittlungsrichter aufgefordert, wegen „Verherrlichung des Terrorismus“ gegen die Anmelder vorzugehen.

Die AVT stört sich vor allem daran, dass mit der Demonstration auch an die letzten fünf Opfer erinnert werden soll, die Franco nur zwei Monate vor seinem Ende noch an die Wand stellen ließ. Ihre Konterfeis prangten auf Plakat, mit dem seit langem für die Madrider Demonstration geworben wird. Das waren drei Mitglieder der Revolutionären Antifaschistischen und Patriotischen Front (FRAP) und zwei Mitglieder der baskischen Untergrundorganisation Baskenland und Freiheit (ETA).

In einer Presseerklärung macht die AVT deutlich, wie sehr sie um die Diktatur trauert, der die ETA mit der Ermordung des von Franco bestimmten Nachfolgers Carrero Blanco den Todesstoß versetzt hatte. „Die AVT sieht die Erinnerung an die Opfer beleidigt und fordert die Regierung dringlich auf, Schritte zu unternehmen, um zu verhindern, dass man die befleckt, die ihr Leben für die Verteidigung der Freiheit und des Friedens in unserem Land gegeben haben“.

Terroristen sind also die, die gegen eine Diktatur gekämpft haben, die 1936 die Republik stürzte, einen Bürgerkrieg entfesselte und Zehntausende willkürlich hingerichtete. Die liegen noch heute nicht identifiziert in Massengräbern. Diese ermordeten Gegner ließ man aus den Registern streichen, als hätte es sie nie gegeben. Inhaftierung, Folter und Hinrichtungen waren bis zum Tod Francos an der Tagesordnung. Ohnehin sollten elf Personen ermordet werden, sechs wurden wegen massiver Proteste, auch im Ausland, noch begnadigt.

Der AVT-Präsident Francisco José Alcaraz hält es auch für „kurios“, dass die Demonstration und dem Slogan steht, unter dem die AVT mit der ultrarechten Volkspartei (PP) im Juni zur Demonstration geladen hatte. Unter dem Motto „Erinnerung, Würde und Kampf“ wurde gegen das Ansinnen der sozialistischen Regierung demonstriert, den Konflikt mit den Basken per Dialog beizulegen.

So darf der PP-Gründer, erst im Sommer in der Region Galicien abgewählt, weiter für die Diktatur werben. Ohnehin hat sich die PP nie von der Diktatur oder dem Putsch distanziert. Manuel Fraga Iribarne, Minister unter Franco, sagte diese Woche zur italienischen Tageszeitung Corriere de la Sera: „Am Ende wird man positiv über Franco urteilen“. Seiner Ansicht nach, war es weder ein „faschistisches noch totalitäres Regime“. Es mache auch keinen Sinn, die Massengräber zu öffnen.

Man sollte meinen, dass derlei Äußerungen in einem demokratischen Staat als „Verherrlichung von Terrorismus“ angeklagt wird, und nicht die Tatsache, dass den Opfern der Diktatur 30 Jahre nach deren Ende gedacht werden soll. Obwohl die Antifaschisten, die zur Demonstration aufgerufen hatten, wegen der Hetze Angriffe von Neonazis und der Polizei befürchteten blieb es ruhig und die Demonstration konnte friedlich zu Ende geführt werden. Ob Ermittlungen angestellt werden, ist derzeit noch nicht klar.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 22.11.2005
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Ergänzungen

Bilder von die demo 19N in Madrid

gegen alle faschismus , imperialismus , .... 23.11.2005 - 15:35
 http://www.lahaine.org/index.php?blog=2&p=11034&more=1&c=1

video : drucken mit mauss über bild

 http://usuarios.lycos.es/antifas1988/

Mehr über antifaschismus in spanien statt

 http://www.nodo50.org/antifa05/

Francos Erben

x 23.11.2005 - 20:21
Die extreme Rechte in Spanien: zwischen Falange, Skinheads und der Guardia Civil. Antifaschisten versuchen, Bündnisse zu schließen

Während im Mai diesen Jahres in vielen Ländern der 60. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg gefeiert wurde, ließ die Linke in Spanien die Sektkorken etwas leiser knallen. Mit tatkräftiger Unterstützung der USA und der übrigen Westalliierten konnte die faschistische Diktatur Francisco Francos dort noch dreißig Jahre überdauern.

Erst mit dem Tod Francos 1975 begann ein mehrjähriger Übergang in die westliche Demokratie. Eine ernstzunehmende Entnazifizierung hatte nicht stattgefunden. Durch ein pauschales Amnestiegesetz aus dem Jahr 1976 wurde zudem nicht mehr zwischen Täter und Opfer unterschieden und so eine Integration der Franco-Anhänger ermöglicht. Die Eliten aus Politik, Militär, Polizei, Wirtschaft und Kirchen wurden für ihre Verbrechen nicht belangt. Die fast 40jährige Diktatur hat die Gesellschaft nachhaltig geprägt. Eine offene Auseinandersetzung über den Franquismus sowie den spanischen Nationalismus steht bis heute aus.


Rechte bei Real Madrid

Der Nationalismus eint die spanische Rechte. Von der konservativen Partido Popular über die einflußreiche katholische Kirche, Altfranquisten, neurechte Parteien wie España 2000 bis hin zu Rechten innerhalb der Polizei oder Neonazis vom Skinheadnetzwerk Blood and Honour. Für alle impliziert der Bezug auf die spanische Nation eine ungebrochene Tradition auf deren imperialistische und faschistische Geschichte. Konzept ist ein Großspanien in einem »Europa der Vaterländer«.

Die Zentren der Rechten sind vor allem Madrid, der Großraum Valencia sowie Katalonien. Daneben gibt es lokale Schwerpunkte unter anderem in Murcia, Andalusien und dem Baskenland. In Madrid finden mehrmals im Jahr Aufmärsche von Altfaschisten und Franco-Anhängern statt. Rund um den Fußballclub Real Madrid hat sich eine rechte Hooliganszene gebildet, die seit Jahren durch rassistische Übergriffe und neofaschistische Symbole auffällt. Die lokalen Neofaschisten verfügen über internationale Kontakte und beteiligen sich regelmäßig an europäischen Großaufmärschen wie etwa an den Heß-Märschen im bayerischen Wunsiedel. In Madrid ist der Führerkult um Franco ungebrochen. An seinem Todestag am 20. November gab es auch in diesem Jahr Ehrungen durch die Falange. Ein Pilgerort der Franco-Verehrer ist dessen Grab im Valle de los Caídos (Tal der Gefallenen). Im dem von Zwangsarbeitern errichteten monumentalen Bauwerk sind neben Zehntausenden Soldaten auch der Gründer der Falange José Antonio Primo de Rivera sowie Franco selbst begraben.

In Katalonien gibt es vor allem im Umland von Barcelona ein Problem mit Neofaschisten. In einigen Vorstädten haben sich in den letzten Jahren rechte Jugendcliquen gebildet. Fast jedes Wochenende kommt es zu Übergriffen auf Migranten oder auf Einrichtungen der linken Unabhängigkeitsbewegung. In Barcelona ist auch die »Buchhandlung Europa« angesiedelt. Sie wird betrieben durch Pedro Varela, dem langjährigen Präsidenten der Neonaziorganisation CEDADE (Círculo Español de Amigos de Europa). Der CEDADE – angeblich aufgelöst im Jahr 1993 – wurde von bekennenden Nationalsozialisten gegründet und hat die Errichtung eines »Europa der weißen Rasse« zum Ziel. Die Buchhandlung Europa ist internationaler Knotenpunkt für den Vertrieb von Neonaziliteratur.


Polizeitruppe durchsetzt

Zentrum der Neofaschisten ist jedoch der Großraum Valencia, wo es erst im September zu einer Großrazzia gegen die Gruppierung »Frente Anti Sistema« (FAS) gekommen war (vgl. jW vom 19. September). Zwanzig Personen wurden festgenommen, zahlreiche Waffen und Material beschlagnahmt. Die Linke ist in dieser Region eher passiv und eingeschüchtert, denn mehrfach wurden ihre Einrichtungen bei Brandanschlägen völlig zerstört. Der Rechten definieren sich in der Region Valencia vor allem durch übersteigerten spanischen Nationalismus.

Eine ganz andere Form findet man im Baskenland. Durch den langjährigen Konflikt um Demokratie und Selbstbestimmung, definiert sich auch die Rechts-Links-Auseinandersetzung mehrheitlich in den Kategorien spanisch bzw. baskisch. Neonazis sind im Straßenbild äußerst selten anzutreffen. Die extreme Rechte sammelt sich dort vor allem in kleinen Zirkeln sowie in den spanischen »Sicherheitskräften«. Die Guardia Civil, eine aus Franco-Zeiten stammende paramilitärische Polizeitruppe, ist von Neofaschisten durchsetzt. Durch die fehlende Entnazifizierung sind bis heute in den oberen Diensträngen Alt-Franquisten zu finden.

Als Reaktion auf den erstarkenden Neofaschismus haben sich in den letzten Jahren in vielen Orten antifaschistische Gruppen gebildet. Die sozialen Bewegungen greifen das Thema regelmäßig auf, stehen jedoch oft allein, wenn es um konkrete Projekte und Demonstrationen geht. Gesellschaftlich verankert – oder als Themenfeld von Gewerkschaften oder linken Parteien erkannt – ist das Thema Antifaschismus noch längst nicht.

 http://www.jungewelt.de/2005/11-23/010.php

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Nazis im Baskenland???? — Ist mir ja neu,

... — ...